Donnerstag, 04.08.2011
Russische Arbeitsbücher sollen abgeschafft werdenMoskau. Das russische Sozialministerium hat sich für die baldige Abschaffung der bisher für jeden Arbeitnehmer obligatorischen Arbeitsbüchlein stark gemacht. Im Computerzeitalter sei es einfach anachronistisch.
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Laut Vizeminister Alexander Safonow könnte die Abschaffung des archaischen Dokumentes schon 2012 beginnen. Im Arbeitsbuch werden alle Beschäftigungsverhältnisse eines Arbeitnehmers im Verlaufe seines Berufslebens verzeichnet was zum einen Grund zum Stolz, aber unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten auch mehr als bedenklich ist. Die Einträge im Arbeitsbuch sind entscheidend für die Berechnung von Renten und anderen Sozialleistungen.
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Laut Safonow soll der Reformschritt aber nicht auf einen Schlag erfolgen: Wer als Arbeitnehmer schon über ein Arbeitsbuch verfügt, solle das Recht haben, sein Berufsleben damit auch zu verbringen.
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Für junge Leute, die erst ins Erwerbsleben starten, sei die Ausstellung eines Arbeitsbuches hingegen nicht mehr notwendig. Denn alle notwendigen Angaben würden auch beim staatlichen Pensionsfond gespeichert.
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Für die Abschaffung des Dokumentes gab es breite Unterstützung aus Politik und Gesellschaft, aber auch einige kritische Stimmen: So sei gegenwärtig nicht sicher, dass im staatlichen Rentensystem wirklich alle Angaben über Berufstätigkeit verlässlich gespeichert würden.
Der Anspruch auf Rente oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kann verloren gehen. So Michail Schmakow, der Vorsitzende des Verbandes Unabhängiger Gewerkschaften. Es habe in der Vergangenheit mehrfach Pannen mit Informationsverlusten gegeben. Zunächst müsse ein wirklich verlässliches Sozialdaten-System geschaffen werden.
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Andere Gewerkschaftsvertreter begrüßten den Schritt, da das Arbeitsbüchlein heute nur noch ein Mittel zur Erpressung von Arbeitnehmern sei.
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Ins gleiche Horn stieß auch Andrej Issajew, der Vorsitzende des Arbeits- und Sozialausschusses der Duma: Für viele Arbeitnehmer sei das Büchlein eine Last, weil beispielsweise eine wegen Zuspätkommens ausgesprochene (und entsprechend dokumentierte) Kündigung eines 19-jährigen Arbeitnehmers diesen das ganze Arbeitsleben über verfolgt.
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Laut Vizeminister Safonow hätten die meisten Länder der Welt schon lange auf derartige Dokumente verzichtet. In Russland war die trudowaja knischka gleich nach der Revolution 1918 eingeführt worden.
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Russische Medien nannten zunächst nur zwei Staaten, in denen es ein vergleichbares Arbeitsbuch gab: Das Dritte Reich unter Hitler und die DDR doch auch dort sei es bereits 1967 wieder abgeschafft worden.
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