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Auf Blumen kann Ex-Staatsanwalt Ignatenko wohl nicht mehr hoffen (Foto: Iswestija)
Auf Blumen kann Ex-Staatsanwalt Ignatenko wohl nicht mehr hoffen (Foto: Iswestija)
Dienstag, 03.01.2012

Hauptakteur der Moskauer Casino-Affäre in Polen gefasst

Moskau/Warschau. Neujahrsgeschenk für die russischen Ermittler. In Polen wurde der mutmaßliche Drahtzieher der Moskauer Casino-Affäre gefasst. Die Affäre wirft ein Licht auf Verflechtungen zwischen Unterwelt und Behörden.

Es war wohl vorläufig der letzte Ski-Urlaub für Alexander Ignatenko. Der 52-jährige ehemalige Vizechef der Generalstaatsanwaltschaft im Moskauer Gebiet wurde in Zakopane von Mitarbeitern des polnischen Inlandsgeheimdienstes ABW festgenommen. Laut Boulevardpresse saß der russische Ex-Top-Beamte gerade beim friedlichen Abendessen mit seiner Familie, als die Agenten zuschlugen.

Ignatenko, der mit einem gefälschten litauischen Pass nach Polen gereist war, hat sich demnach widerstandslos festnehmen lassen. In Warschau soll nun innerhalb von drei Wochen über die Auslieferung nach Russland entschieden werden, wo er seit knapp einem Jahr gesucht wird.

Bei Russland-Aktuell
• Spielcasinos: 80 Prozent Gewinn an den Staatsanwalt (04.08.2011)
• Insider: Organisiertes Verbrechen durchdringt Staat (30.06.2011)
• Medwedew ruft Staatsanwalt und Ermittler zur Ordnung (01.04.2011)
• Generalstaatsanwalt in Korruptionsskandal verwickelt (30.03.2011)
• Gouverneur fordert: Casinos näher ran an Kaliningrad (25.02.2011)

Glücksspiel verboten und doch behördlich erlaubt


Ignatenko ist die Hauptfigur eines Skandals, der die Verfilzungen zwischen der Unterwelt und den russischen Behörden illustriert: 2007 hatte der damalige Präsident Wladimir Putin das Glücksspiel in Russland verboten – mit der Ausnahme von vier Glücksspielzonen im Land; Jantarnaja (in Kaliningrad), Asow-City (am Schwarzen Meer), Sibirskaja Moneta (im Altai) und Primorje (am Pazifik). Bis heute funktioniert keines der russischen Las Vegas – dafür gedeiht das illegale Glücksspiel allerorten.

Im Moskauer Umland flog Anfang letzten Jahres ein ganzer Ring an illegalen Casinos und Glücksspielhallen auf. Festgenommen wurde der Inhaber des Netzes Iwan Nasarow vom so genannten Ermittlungskomitee, einer relativ eigenständigen Struktur innerhalb der Generalstaatsanwaltschaft, die mit dieser in ständigem Kompetenzgerangel steht. Dies dürfte wohl auch der Hauptgrund dafür sein, dass anschließend pikante Details über die Beteiligung hochgestellter Staatsanwälte an dem Business bekannt wurden.

Glücksspiel als Einnahmequelle der Beamten


Demnach waren gut ein Dutzend Staatsanwälte in die Affäre verwickelt. Viele von ihnen sind inzwischen gefeuert. Ignatenko war dank der Verzögerungstaktik seiner Kollegen bei der Ausstellung eines Haftbefehls aus Russland geflüchtet. Zuvor hielt er als stellvertretender Generalstaatsanwalt der Region seine schützende Hand über das Geschäft und kassierte dafür kräftig.

Nasarow soll bei seiner Verhaftung rund 1.200 Glücksspielautomaten in 15 Casinos kontrolliert haben. Laut dem FSB brachten diese ihrem Besitzer Einnahmen von fünf bis zehn Millionen USD – im Monat. Laut Nasarow waren die Erlöse geringer (wie hoch genau, sagte er nicht), doch 80 Prozent des Reingewinns seien als Bestechungsgelder an Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft und Miliz geflossen, erklärte er zudem.

Ausschweifender Lebensstil


„Ignatenko hat von Juli 2009 bis Februar 2011 für das Decken des illegalen Glücksspiels im Gebiet Moskau Schmiergeld bekommen – entweder tatsächliche Geldsumme oder Eigentum, teure Geschenke und die Bezahlung von Auslandsurlauben. Insgesamt beläuft sich die Summe auf über 47 Millionen Rubel“ (1,2 Mio. Euro), erklärte der Sprecher des Ermittlungskomitees Sergej Markin.

Das ist das, was die Ermittler bisher glauben, nachweisen zu können. Die Summe könnte noch wesentlich höher sein, denn neben Nasarow sollen auch andere Glücksspiel-Unternehmer Schutzgeld bezahlt haben.

Eine rauschende Party zu Ignatenkos 50. Geburtstag verdeutlicht das Ausmaß der Korruption. Ignatenko feierte das Jubiläum im teuren Moskauer Messezentrum Krokus-City-Hall mit mehreren Hundert Gästen und dem Auftritt bekannter russischer Popsänger. Unter den exquisiten Speisen und alkoholischen Getränken sollen sich die Tische förmlich gebogen haben. Allein an schwarzem Kaviar wurden vier Kilo bestellt.

Der Beamte besaß ein großes Haus mit Grundstück in einer elitären Wohnsiedlung bei Moskau, eine Wohnung im Stadtzentrum, eine teure Uhr von Ulysee Nardin, einen Mercedes Benz und andere Luxus-Artikel, die sich ein Beamter von seinem Gehalt kaum hätte leisten können.

Wie weit reicht der Filz?


Und doch könnte Ignatenko nur ein Bauer in einem noch größeren Spiel sein. Denn es gibt Aussagen, die u.a. den stellvertretenden Generalstaatsanwalt Russlands, Gennadi Lopatin und sogar den Sohn von Generalstaatsanwalt Juri Tschaika belasten.

Tschaika ist seit Jahren im Kreml und gilt als enger Gefolgsmann von Wladimir Putin und Dmitri Medwedew. Es ist wohl kein Zufall, dass Medwedew den Fall noch im Frühjahr 2011 als Verschlusssache eingestuft hat.



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