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Die Protokolle der Webcams sollen in Archiven zur Verfügung stehen.
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Dienstag, 06.03.2012

OSZE-Gebetsmühlen verstellen den Blick auf den Wandel

Gisbert Mrozek, Moskau. Das zentrale Argument der OSZE-Beobachter, mit dem bewiesen werden soll, dass es in Russland wieder mal massiven Wahlbetrug gab, ist von überzeugender Schlichtheit. "Das Wahlergebnis stand schon vorher fest". Die Kritik stand aber ebenfalls schon fest.

Bei einer Wahl müsse das Ergebnis offen sein, sonst sei es eben keine echte, legitime Wahl. Das sagt Tonino Picula, Oberwahlbeobachter von der OSZE. Dass nach diesem Kriterium die meisten Wahlen in der EU, bei denen es Favoriten gab, sofort anulliert werden müssten, störte die Beobachter nicht. Auch das laute Gelächter, das dieses Argument weltweit auslöste, verhinderte nicht, dass es von vielen EU-Medien kolportiert wurde.

Die Kritik an den Wahlen stand schon vorher fest


Tatsächlich stand nicht nur das Wahlergebnis in Russland sei einigen Wochen ziemlich fest. Auch die Kritik an den Wahlen stand von vornherein fest - und das eigentlich schon seit Jahren.

Das liegt offensichtlich daran, dass zumindest einige der Kritiker die Wahrheit prinzipiell und für immer gepachtet haben. Darum kann es gar nicht anders sein, als dass es Wahlbetrug ist, solange nicht Boris Nemzow oder Garri Kasparow von den Russen als Präsident gewählt werden. Oder irgendjemand anderes, der ebenfalls lzensierter Träger des universellen (angeblich westlich-liberalen), alleinseligmachenden Wertesystems ist.

Diesen Eindruck eines fast schon totalitaristischen Dogmatismus erwecken zumindest viele der "Beobachter" (eine Ausnahme war nur der CDU-Abgeordnete Wellmann) von OSZE und PACE, Tiny Kox, Tonino Picula oder auch die Bundesgrüne Marie-Luise Beck.
Bei Russland-Aktuell
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• Wahlbeobachter: Ergebnis in Russland war vorher klar (05.03.2012)
• Wladimir Putin gewinnt die Präsidentenwahlen souverän (04.03.2012)
• Opposition spricht von massenhaften Manipulationen (04.03.2012)

Den grün-atlantischen Dogmatikern geht es gar nicht um die Wahl


Ihre Pressemitteilungen über die Präsidentenwahl hätten auch schon vor einigen Wochen geschrieben sein können. Dafür hätten sie die Reisekosten sparen können. Denn es geht gar nicht um die Wahlen.

Das Ärgerliche daran ist nur, dass das dieser Dogmatismus (immer streng entlang der amerikanisch-angelsächsischen Leitlinie) den Blick auf das verstellt, was wirklich interessant und beobachtenswert ist. Und leider kann dieser grün-atlantische Dogmatismus auch verhindern, dass die westeuropäische Öffentlichkeit sich ein zutreffendes Bild über die Prozesse macht, die in Russland wirklich ablaufen.

Unregelmässigkeiten in jedem dritten Wahllokal


Dem OSZE-Hauptargument ("Das Wahlergebnis stand schon vorher fest") wurde wenig später hilfsweise die Behauptung nachgeschoben, es habe in jedem dritten Wahllokal in Russland Unregelmässigkeiten gegeben. Also, so abermals die Schlussfolgerung, habe es keine freien und fairen Wahlen gegeben. Wladimir Putin kann demnach gar nicht als Präsident Russlands legitimiert sein, heisst es. Ihm blüht das Schicksal von Gaddafi.

Tatsächlich kann es durchaus sein, dass es in 33% der Wahllokale irgendwelche Unregelmässigkeiten gegeben hat. Die Frage ist nur eben, welcher Qualität.
Bei Russland-Aktuell
• Die Mobilisierung der schweigenden Mehrheit (28.02.2012)
• Wahlkampf Dossier: Wer wird warum im März Präsident? (19.01.2012)
• Kandidaten-Parade: nur Putin 2.0 kann sauber gewinnen (19.12.2011)
So kann es durchaus sein, dass die Wählerlisten nicht vollständig waren. Ein grosser Teil der Beschwerden in den Wahlkommissionen betrifft zum Beispiel dies. Dass in Russland viele Einwohnermeldelisten unvollständig sind, ist keine Neuheit. Aber das macht die Wahlen nicht illegitim.

Tatsächlich hat es Fälle von "Karussels" (Massenhafte Mehrfachabstimmung)
gegeben. Aber diese wurden oft von Wahlbeobachtern (von denen es über 300.000 gab) oder den 95.000 Webkameras (die von etwa 2 Millionen Menschen genutzt wurden) entdeckt und verhindert, zumindest im Moskauer Raum. Dasselbe gilt für Versuche, massenhaft Wahlzettel in die Urnen einzuwerfen.

In Moskau recht korrekt dank massenhafter zivilgesellschaftlicher Kontrolle


Auch unabhängige Wahlbeobachter sagen, dass es bei den Wahlen jetzt in Moskau im Wesentlichen korrekt zugegangen sei - eben dank der massiven zivilgesellschaftlichen Kontrolle. An manchen Wahllokalen gab es hunderte von Beobachtern (plus das Protokoll der Webcams). Im Ergebnis landete Putin in Moskau unter 50%.

Anders die Situation in St.Petersburg, wo Putin über 58% erreichte. Auch das ist weniger, als der russische Durchschnitt von etwa 64% - aber um etwa 10% mehr, als nach Meinungsumfragen im liberalen Petersburg zu erwarten war. Es gibt gerade aus St.Petersburg Berichte von massiven, frechen Fälschungen der Abstimmungsprotokolle durch die Beamten der Wahlkommissionen selbst.

Sankt Petersburg - selbst schuld?


Unabhängige Wahlbeobachter sagen, dies habe auch daran gelegen, dass es diesmal in St.Petersburg - im Unterschied zu den vergangenen Duma-Wahlen und zur Situation jetzt z.B. in Moskau - keine gut organisierte zivilgesellschaftliche bzw oppositionelle Wahlbeobachtung gegeben habe.

Eine ganz andere Frage ist allerdings, was eigentlich auf dem Weg von den Urnen zum Ergebnis-Monitor der Zentralen Wahlkommission (ZIK) in Moskau passiert. Warum muss eine ganze Nacht lang gerechnet werden, bevor es Ergebnisse gibt?

Es war schon auffällig, dass diesmal die Dynamik der Stimmauszählung in den Regionen zumindest im Fernsehen nicht detailliert verfolgt werden konnte.

Es ist auch eine erstaunliche russische Besonderheit, dass es keine normal auffindbare Quelle im Internet gibt, wo die regionalen und lokalen Wahlergebnisse nachzuvollziehen wären. Wie die einzelnen Gebiete, Bezirke oder Städte und Dörfer abgestimmt haben, ist kaum nachzuvollziehen. Nur auf den Seiten der ZIK ist mit sehr viel Mühe eine Regionalstatistik zu entdecken.

Warum gibt es keine offizielle Übersicht der regionalen Wahlergebnisse?


All das gibt im Prinzip Raum für "Korrekturen" des Wahlergebnisses durch die Administration. Aber das sind Vermutungen, die bisher auch von den härtesten Fundamentalisten in Russland noch nie belegt worden sind.

Auch KP-Chef Gennadi Sjuganow kündigt nach jeder Wahl finster entschlossen an, den Fälschern auf die Finger zu klopfen - und jedesmal verläuft sich das Versprechen sang und klanglos im Sande.

Und solange es keine klaren Beweise und Belege für massenhafte Fälschungen gibt, kann die Legitimität der Wahlen nicht abgestritten werden. Die Russen haben mehrheitlich Putin gewählt. Russland hat den Präsidenten, den es verdient.

Und die zivilgesellschaftliche interne Selbstkontrolle ist tausendmal mehr wert, als die Gebetsmühlen der OSZE.

Blick frei auf wichtige Entwicklungen


Es geht mir gar nicht darum, um jeden Preis Putin zu verteidigen. Es geht mir darum, den Blick auf Entwicklungen freizuschaufeln, die wirklich wichtig sind.

Es hat in den vergangenen Jahren und Monaten tatsächlich ganz entscheidende Veränderungen in Russland gegeben, die jetzt auch in den Präsidentenwahlen kulminierten. Nicht weil Putin gewählt wurde, sondern trotz dieses Ergebnisses. Oder auch wie dieses erreicht wurde. Und wie es in Russland diskutiert wird, zum Beispiel sogar im Staatsfernsehen.

Eine Strategie für den Wandel von unten


Jenseits der dogmatischen Gebetsmühlen der OSZE/PACE ist zum Beispiel wirklich interessant, was Grigori Jawlinski auf der Kundgebung am Puschkin-Platz als politische Strategie für alle ausserhalb der Kremlpartei formulierte:

Teilnahme an den regionalen und kommunalen Wahlen, Teilnahme an den Gouverneurswahlen, die es wieder geben soll. Also: Aufbau von Positionen von unten, die das Land nachhaltig verändern können.
Und irgendwann wird der politische Wandel (zusammen mit dem sozialen) auch im Kreml ankommen. Denn die Menschen in den Regionen und Dörfern Russlands sind inzwischen aufmerksamer und informierter, als es sich die Dogmatiker träumen lassen.



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ivanfi 15.12.2012 - 20:48

G. Mrozek schreibt:

„Den grün-atlantischen Dogmatikern geht es gar nicht um die Wahl

Ihre Pressemitteilungen über die Präsidentenwahl hätten auch schon vor einigen Wochen geschrieben sein können.“
--------
Ich habe damals die DLF-Berichterstattung HAARGENAU verfolgt.
Und mir sträubten sich sämtliche Haare, wie ich der gottverdammten Lügenmaschinerie des Deutschlandfunk zugehört habe!
-----------------
„hätten auch schon vor einigen Wochen geschrieben sein können.“
SIE WURDEN bereits vor Tagen, Wochen geschrieben, Herr Mrozek!

Die gebetsmühlenartig abgeleierten STEREOTYPEN gegen Russland kann schon jedes Kind im Westen auswendig!


Willy 11.03.2012 - 22:12

Royaler 06.03.2012 - 13:22 Ja, aber

Wann endlich begreift auch der letzte \"Westeuropäer\" dass auch in Russland die Zeit in den vergangenen Jahren sich verändert hat und der \"Kalte Krieg\" beendet ist. Wer hier eine Parallele zum System Stalin erkennen will, zeigt nicht nur seine geschichtliche Beschränktheit...


jich 06.03.2012 - 16:02

Sehr gute Analyse voller Argumente und Fakten, die die in der deutschen Medienlandschaft von dpa und co verbreitete Hysterie als genau das darstellt.

Ja die OSZE-Kritik stand von Beginn an fest, aber Scheinheiligkeit ist nun mal ein fester Bestandteil der westlichen demokratischen Werte, etwas Anderes war nicht zu erwarten!


Royaler 06.03.2012 - 13:22

Ja, aber

Dieser Artikel versucht ja erfreulicherweise vielseitige Facetten aufzuzeigen und das ist erst mal prima. Auch zu betonen, wie ungemein wichtig es ist, dass die neu organisierte buergerschaftliche Wahlbeobachtung erste Erfolge verzeichnen kann, ist hoch lobenswert.\\r\\nDennoch scheint mir die Generalaussage der OSZE nicht so fragwuerdig wie dem Autor, da sich ja anscheinend doch innerrussische Beobachtungen und auch die von Fremdbeobachtern decken. Die OSZE brauchte - und da stimme ich ueberein, auch eine staerkere parlamentarische Hinterfragung.\\r\\nWenn man aber folgende Beobachtung betrachtet, Zitat: - \\r\\n\\r\\n„Auch unabhängige Wahlbeobachter sagen, dass es bei den Wahlen jetzt in Moskau im Wesentlichen korrekt zugegangen sei - eben dank der massiven zivilgesellschaftlichen Kontrolle. ...\\r\\nAnders die Situation in St.Petersburg, wo Putin über 58% erreichte. Auch das ist weniger, als der russische Durchschnitt von etwa 64% - aber um etwa 10% mehr, als nach Meinungsumfragen im liberalen Petersburg zu erwarten war. Es gibt gerade aus St.Petersburg Berichte von massiven, frechen Fälschungen der Abstimmungsprotokolle durch die Beamten der Wahlkommissionen selbst. Sankt Petersburg - selbst schuld?“\\r\\n - so ergibt sich die einfache Frage, die auch aus Erfahrungswerten durchaus adaequat zu beantworten ist:\\r\\nWie sah es im weiten Land der russischen Foederation aus ? Ueberall so wie in Sankt Petersburg? Vermutlich noch weniger gut organisiert!?\\r\\nSchoen, dass Busse \\\\\\\"abgefangen\\\\\\\" wurden, also ein bisschen weniger Karussellchen, aber wer bestraft die Organisatoren der Bustouren? Welches Gericht nach Anklage welchen Staatsanwalts?\\r\\nIn demokratischeren Staaten absolut undenkbar – nicht hinzunehmen – eine Wahl-Groteske.\\r\\nSumma summarum ist das „aber“ zu der Artikeldarstellung doch groesser als das „ja“, die Anerkennung\\r\\nder breit angelegten Darstellung.\\r\\nInsofern ist anscheinend der Hauptsatz der OSZE: \\\\\\\"Eine illegitime Wahl fuer „Putin III\\\\\\\", trotz gewisser Ungeschicklichkeiten bei der Praesentation voll korrekt, bedenkt man auch das gesamte Vorfeld. Fuer das System Putin spricht in keiner Weise, dass es Mobilitaet hin zu mehr Beteiligung am politischen Prozess gibt, hier scheint nur notgedrungen aufgrund des Drucks der Strasse zeitweilig und nur scheinheilig die Flucht nach vorne in geschickter Weise angetreten worden zu sein, die Verhaftungen von gestern Abend sprechen schon wieder die alte Diktion, die vermutlich verschaerft die Zukunft der Foederation bestimmen wird.\\r\\nZu hoffen ist - und da kann nur weiterer wacher Widerstand gegen „Putin III, den Illegitimen“, helfen - dass nichts Schlimmeres von Staats wegen unternommen wird, dazu gibt es welthistorisch gesehen die wohl in der geschehen Dimension schlimmst vorstellbare historische Parallele, eingebettet in eine alte Tradition, leider gerade in Russland: Das System Stalin.\\r\\n


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