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Kriminalexperte Wladimir Owtschinski zeichnet ein trübes Bild: Russland ist von der Mafia durchsetzt. (Foto: newsru.com)
Kriminalexperte Wladimir Owtschinski zeichnet ein trübes Bild: Russland ist von der Mafia durchsetzt. (Foto: newsru.com)
Donnerstag, 30.06.2011

Insider: Organisiertes Verbrechen durchdringt Staat

Moskau. Der bekannte russische Kriminalexperte Wladimir Owtschinski zeichnet ein trübes Bild der Verfilzung aller staatlichen Ebenen mit dem organisierten Verbrechen. Ausnahmslos alle Staatstrukturen seien „befleckt“.

Die „wilden Neunziger“, als verbrecherische Elemente sich im Land des beginnenden Kapitalismus aus dem Vollen bedienen konnten, sind laut Owtschinski ein Kinderspiel gegen das, was heute passiert.

Der Generalmajor der Miliz, einst Chef des russischen Interpol-Büros, ist der Ansicht, Staat und Verbrechen hätten geradezu eine Personalunion eingenommen.

In einem Interview für die Zeitung „Moskowski Komsomolez“ sagt Owtschinski: „Der Hauptunterschied der neuen Banditen liegt wohl darin, dass es in organisierten Verbrechergruppen weder in den 1980er noch den 1990er Jahren so viele Vertreter offizieller staatlicher Strukturen gegeben hat, wie das heute der Fall ist.“

Keine unbefleckte Behörde mehr


„Man kann mit großer Sicherheit behaupten, dass es in unserem Land keine einzige „unbefleckte“ staatliche Struktur mehr gibt, sei es die Regierung, die Ministerien, der Apparat der Gouverneure oder die Bürgermeisterämter“, so Owtschinski.

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Führend in dieser „Hitparade“ seien die Sicherheitsbehörden. Niemals zuvor habe es im organisierten Verbrechen so viele Milizangehörige gegeben. Als Beispiel führt er „den völlig phantastischen Fall der Staatsanwälte im Moskauer Gebiet“ an, die ein ganzes Netz illegaler Spielsalons protegierten.

„Als ehemaliger Leiter von Interpol muss ich sagen, dass es in der Welt kein analoges Beispiel gibt“, ist sich der Jura-Professor sicher. Duma-Abgeordnete als Mafiosi, Mörder und Erpresser seien heute an der Tagesordnung, während „es vor zwanzig Jahren einem Banditen nur selten gelang, in Machtstrukturen einzudringen“.

„Ganz Russland ist in Clans aufgeteilt“


Heute geschehe eine „Staatswerdung der Mafia“, meint Owtschinski – „Mafiastrukturen fangen an, faktisch die reale Leitung zu ersetzen. Auch in der legalen Geschäftswelt fühle sich die Mafia sicher, weiß Owtschinski, „während das organisierte Verbrechen in Europa mehr und mehr daraus verdrängt wird“.

Das organisierte Verbrechen nehme immer mehr eine Clan-Struktur an: „War das früher typisch für Kaukasier, verbreitet sich diese Tendenz jetzt im ganzen Land. Ganz Russland ist in Clans aufgeteilt, an deren Spitze meist kriminelle Autoritäten stehen.“

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Laut Owtschinnikow wird es nur noch schlimmer, weil Gewaltverbrecher in den letzten Jahren immer milder bestraft werden. Außerdem würden nach und nach diejenigen aus den Gefängnissen entlassen, die in den Neunzigern zu langen Haftstrafen verurteilt worden waren.

80.000 organisierte Verbrecher laufen frei herum


Auf Russland könnte eine neue Gewaltwelle zukommen, resümiert der Kriminologe. Fatal sei auch die Auflösung der Einheiten zum Kampf gegen das organisierte Verbrechen (UBOP) im Jahre 2008 gewesen, die später seitdem gegen „Extremisten“ eingesetzt werden.

„Experten sind der Ansicht, dass wir nach der Liquidierung dieser Einheiten um 20 Jahre zurückgeworfen wurden. Durch diesen undurchdachten Schritt haben wir die Strukturen verloren, die gegen das organisierte Verbrechen kämpfen, und mit ihr sehr viele Profis“, so Owtschinski.

Mit der Auflösung seien auch die gesamten Akten über organisierte Verbrechergruppen verloren gegangen oder vernichtet worden, weiß der Ex-Interpol-Bürochef. Deshalb liefen im Land jetzt unkontrolliert bis zu 80.000 Mitglieder solcher Gruppen herum.



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