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Wladimir Putin im Vorwahlkampf - Ein Mann des Volkes? (Foto: TV) |
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Sonntag, 26.02.2012
Putin-Faktor: Opposition jetzt zum Misserfolg verdammtMoskau. Es scheint unausweichlich: Putin wird Präsident Russlands als der starke Mann, der Russland auch in kommenden chaotischen Zeiten der internationalen Krise steuern kann. Er braucht die Legitimation der Wahlen. Sönke Paulsen analysiert sein Erfolgsgeheimnis.
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Wladimir Wladimirowitsch Putin, kein lupenreiner Demokrat, eher ein lupenreiner Machtmensch, vielleicht ein milliardenschwerer Oligarch, wenn man seinem Intimfeind Beresowski glauben darf. Jedenfalls ein konstanter Faktor.
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Während seiner ersten Amtszeit im Westen gehätschelt und fast schon geliebt, jetzt als kalter Pragmatiker in einem autokratischen Machtapparat verschrien. Ein Mann, der sein Volk trotz eines offensichtlichen Wahlbetruges bei den Duma-Wahlen jetzt bei den Präsidentenwahlen am 4. März wieder hinter sich bringen wird.
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Was macht diese Mischung aus Staatsmann, KGB-Agent und Populist so erfolgreich? Welches Rezept bräuchte die russische Opposition, um trotz jahrelanger Gängelung und Zerschlagung wieder auf Augenhöhe mit dem Premier und zukünftigen Präsidenten zu kommen?
Was ist der Putin-Faktor, den man kopieren müsste, um überhaupt gegen Wladimir Wladimirowitsch antreten zu können?
Wie kein Zweiter auf der östlichen Halbkugel hat dieser Mann einen Personenkult um sich veranstalten lassen, der ihn vermutlich auch in fairen Wahlen nur schwer besiegbar macht.
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Zu seinem Kalkül gehört aber auch, dass er nichts dem Zufall überlässt. Seine Propaganda-Maschine läuft wie geölt, wenn russische Arbeiter aus der Provinz von ihren Oligarchen nach Moskau zur Pro-Putin-Demo gefahren werden und dafür auch eine Entlohnung bekommen.
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Die libidinöse Beziehung Putins und seiner Wähler
Putin weiß um den Fatalismus seines Volkes. Auch wenn sie ihn lieben, könnten sie ihn aus einer Laune heraus plötzlich fallen lassen. Nicht etwa, weil er versagt hätte, weil viele Russen arm geblieben sind, die Demokratie kraftlos, die Korruption allgegenwärtig.
Nein, die Russen würden Putin aus einer schlechten Wodka-Stimmung heraus einfach mal nicht wählen, wenn sie den Eindruck bekämen, dass er nicht mehr genug um ihre Liebe kämpft. Putin und Russland, das ist eine libidonöse Beziehung und keine pragmatisch-rationale. In Russland wird Putin geliebt oder gehasst, kaum einer steht ihm neutral gegenüber.
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Putin kämpft um die Zuneigung von Mütterchen Russland
Dies ist ein wesentlicher Teil des Putin-Faktors. Putin ist ein Sohn des Landes, und versteht es, sich so zu verkaufen. Ein Sohn, der um Mütterchen Russland kämpft und sich dabei vor allem Zuneigung erkämpft und nicht primär Zustimmung. Wenn man Putinismus schon in einen historischen Kontext stellen will, dann nicht mit dem Leninismus und auch nicht mit dem Stalinismus, obwohl sein System von beiden Vorgängermodellen Merkmale trägt.
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Putinismus und Ras-Putinismus
Auch kann man den Putinismus nicht mit dem Zarentum vergleichen. Wladimir Putin wird niemals Wladimir der Große werden. Dafür fehlt ihm die Hybris, er ist ein Mann aus dem Volk, sein Griff nach der Macht wird immer etwas Dreistes behalten, niemals selbstverständlich wirken. Nein, Putin ist vielleicht am ehesten mit Rasputin zu vergleichen: Er ist der offizielle Liebhaber Russlands! Der Putinismus ist zum Teil auch ein Rasputinismus. So kitschig es klingt. Putin schenkt seinem Land Liebe und Selbstbewusstsein!
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Aber Schluss mit den historischen Vergleichen, denn Wladimir Wladimirowitsch ist zugleich der modernste Machthaber, den die Welt hat. Er ist ein Medienlenker, der geschickt alle gewünschten Klischees zu bedienen weiß:
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Putin der harte russische Macho
Putin der Rockstar, Putin der Kämpfer für Gerechtigkeit, Putin der Sanfte, den die Frauen lieben, Putin der harte russische Macho, Putin der kalte KGB-Stratege, Putin der Psychologe, der die Gefühle und Wünsche seines Volkes versteht und es schrittweise weiterentwickelt, Putin der nette Junge von nebenan, Putin der kleine Gangster in den Straßen von Leningrad, Putin der seine Mutter liebt, Putin der Patriot, Putin der Staatsmann, Putin der Oligarch, Putin der gute Kumpel von Medwedew, Putin der strenge Lehrer, Putin der Nachdenkliche und Putin der Soldat, daneben General Putin.
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Alle Klischees passen auf Putin, wenn man medial ein wenig nachhilft. Nur ein Klischee läuft seiner öffentlichen Person vollkommen zuwider, Putin der korrupte Bürokrat. Selbst im Westen, wo man diesem Mann gern alles Schlechte unterstellt und häufig gute Argumente dafür findet, lässt man im Allgemeinen die Finger von Korruptionsvorwürfen gegen Wladimir Wladimirowitsch.
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Das Klischee des korrupten Bürokraten
Ich glaube kaum, dass dies daran liegt, dass die Presse nichts finden könnte. Im Gegenteil ließen sich vielfältige Vorteilnahmen aufdecken, die sein Vermögen vermutlich auf Oligarchen-Niveau katapultiert haben. Allein, es passt nicht auf seine öffentliche Person! Selbst wer knallharte Beweise für Putins persönliche Besitznahme hätte, würde damit in der Öffentlichkeit vermutlich nicht durchkommen. Die asketische Aura dieses Politarbeiters ist einfach zu stark. Niemand kann sich vorstellen, wie Putin im Luxus schwelgt.
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All das ist nicht mehr als Psychologie. Aber es ist eine mächtige Psychologie. In den Provinzen warten Wahlergebnisse zwischen 56% und über 90% in Tschetschenien auf den lupenreinen Demokraten. Das System nach welchem die Wahlen gewonnen werden, ist uralt. Die Kolchosen-Bosse setzen ihre Mitarbeiter mit Zuckerbrot und Peitsche unter Druck. In Wahllokalen wird das Zettelchen auch mal vom Wahlleiter aufgefaltet. Das muss man nicht so oft machen, die Angst, als Dissident entlarvt zu werden führt die Hand schon an die richtige Stelle.
Viel wichtiger aber, als diese kleinen, gemeinen Manöver ist die Grundbefindlichkeit der Menschen in den Provinzen. Moskau wird weiterhin als übermächtige Zentrale des Landes gefürchtet. Alles Gute und Schlechte kommt von dort.
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Moskau und den Kreml liebt man nicht - aber dort wird alles entschieden
Wenn Moskau entscheidet, dass das Brot billig wird gut, wenn es entscheidet, dass das Brot teuer wird, schlecht. Das Überleben hängt von Moskau ab. Die Sowjetunion lässt grüßen, der KGB (jetzt FSB) ist auch noch überall präsent. Wenn es keinen Lohn gibt, dann arbeiten die Menschen eben umsonst und hoffen auf Moskau. Wenn dieses kafkaeske Monster ein menschliches Gesicht bekommt, reagieren die Menschen dankbar.
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Auch ein Putin-Faktor. Vor Putin muss man sich nicht fürchten, vor den Apparatschiks schon. Obwohl er selbst der Ober-Apparatschik ist, gelingt es ihm, sich in der Öffentlichkeit davon abzusetzen. Schuld sind die arroganten und korrupten Bürokraten, gegen die Wladimir Wladimirowitsch aus vollem Herzen ankämpft.
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Der gute Zar wird von den bösen Bojaren betrogen
Wenn eine ganze Stadt, was tausendfach passiert, in Arbeitslosigkeit, Umweltverschmutzung und Korruption versinkt. Wenn die Menschen dort weggehen und nur noch die Chancenlosen übrig bleiben, dann muss der große Vorsitzende das unbedingt wissen. Putin würde das nicht dulden, er würde dagegen kämpfen und den Bewohnern helfen. Ein Denken, dass aus Sowjetzeiten stammt, vielleicht sogar aus der Zarenzeit. Die Partei zumindest hätte das damals nicht geduldet. So das Denken.
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Diese idealisierte Elternimago hat Putin perfekt aufgesogen. Sie ist von der KPDSU scheinbar direkt auf ihn übergegangen. Es gelingt ihm sogar dann noch, in weiten Teilen des Landes dieses Image zu halten, wenn seine Partei Vereinigtes Russland schon längst als Partei der Gauner und Diebe verschrien ist. Auch das ist der Putin-Faktor.
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Psychopath oder Held?
Es gibt in Bezug auf Putin eigentlich nur zwei Überlegungen, die sich lohnen. Ist er ein Psychopath, dem es nur um die Macht geht und der alles andere spielt? Oder ist er ein aufrechter Charakter, der wirklich seinem Volk helfen will, aber an den destruktiven Strukturen immer wieder scheitert. Kann man also Putin den guten Willen unterstellen?
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Die andere Frage ist mindestens genauso wesentlich. Wird Putin nach einer wirtschaftlichen Stabilisierung Russlands die Macht an die Demokratie zurückgeben und wenn ja, an wen?
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Diese Fragen müssen vorerst unbeantwortet bleiben.
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Klar ist nur, dass die Opposition derzeit gegen den Putin-Faktor nichts aufbieten kann. Wladimir Wladimirowitsch ist quasi schon gewählt.
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Schließlich bleibt die nüchterne Feststellung, dass sich Russland als Übergangsgesellschaft irgendwo auf dem Weg vom Stalinismus zur Demokratie befindet. Wo genau sich die russische Seele gerade aufhält, das weiß Putin allein. Ja, Putin ist auch ein Dämon
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Dieser Gastkommentar stammt von Sönke Paulsen, der als Psychiater und Psychotherapeut in Berlin tätig ist.
Gastkommentare geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
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xy 26.02.2012 - 20:31
Wird Putin nach einer wirtschaftlichen Stabilisierung Russlands die Macht an die Demokratie zurückgeben und wenn ja, an wen?
Diese Möglichkeit hat er leider versäumt, er hätte für faire Duma-Wahlen sorgen müssen. Die waren viel wichtiger, die Präsidenten Wahl ist doch eher unwichtig. Stattdessen hat er ausländische Wahlbeobachter beschimpft.
Die Frage beinhaltet ja schon die Vorraussicht, das dies demokratisch niemals geschehen wird, sonst würde die Frage ja nicht lauten: an wen?
In einem RIA NOVOSTI Film sagte mal ein Passant am Rande der Domos sinngemäß: \"Bei uns wird die Macht immer vom Vorgänger an den Nachfolger übergeben, dabei sind wir doch gar keine Monarchie.\"
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