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Folter als Verhörmethode wurde in Kasan von einigen jetzt verhafteten Beamten offenbar planmäßig eingesetzt (Foto: TV/.rufo) |
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Donnerstag, 15.03.2012
Flaschen-Folter: Vier Kasaner Polizisten in U-HaftKasan. Vier Polizisten wurden in U-Haft genommen, weil ein Festgenommener an den Folgen einer Vergewaltigung mit einer Flasche starb. Inzwischen haben weitere Leidtragende von Gewaltexzessen auf dem Revier berichtet.
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Ein Kasaner Gericht erließ gestern gegen vier Beamte gestern Haftbefehl für zwei Monate. Das Gericht begründete dies mit der Befürchtung, die bereits aus dem Polizeidienst entlassenen Beamten könnten fliehen oder die Ermittlungen beeinflussen.
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Beschuldigt wurden sie der gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge und der Überschreitung ihrer amtlichen Kompetenzen. Sie sollen am 9. März einen Mann, dem sie vorwarfen, ein Handy gestohlen zu haben, auf der Wache mit einer Sektflasche vergewaltigt haben. Das Opfer starb später an einem Darmdurchbruch, verursacht durch das Einführen eines stumpfen Gegenstandes.
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Ein Beamter behauptet: Das Opfer ist selbst schuld
Bei der Verhandlung bestritten die zwischen 23 und 25 Jahre alten Polizisten ihre Schuld. Einer von ihnen erklärte an die Presse gewandt, er wolle seine Unschuld beweisen.
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Er habe lediglich den Fehler gemacht, den Verhafteten zehn Minuten lang auf der Toilette aus den Augen gelassen zu haben. Dort, so die Theorie des Beamten, habe dieser sich die Verletzungen mit einer dort vielleicht zufällig herumstehenden Flasche oder einem Schrubber selbst beigebracht. Dem widerspricht allerdings eine ärztliche Expertise, wonach dies unmöglich sei.
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Ein fünfter Beamter steht unter Hausarrest. Er hatte den mehrfach vorbestraften Mann nach Meinung der Ermittler ohne Grund auf die Wache geschleppt und dann seinen Kollegen zum Verhör überlassen.
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Flaschen-Folter war "bewährtes" Drohmittel
Inzwischen meldeten sich bei Behörden und Medien mindestens fünf weitere Personen, die von Gewaltakten in dem Polizeirevier Dalny in Kasan berichteten. Sie oder ihre Ehepartner seien dort von den Beamten misshandelt und zu Geständnissen nicht begangener Taten gezwungen worden. Ein Mann berichtete, er sei ebenfalls mit einer Bierflasche gefoltert worden, eine Frau klagte, ihr sei eine solche Vergewaltigung angedroht worden.
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Gestern war der Kasaner Polizeiskandal Gegenstand einer Debatte in der Duma. Wladimir Schirinowski von der populistischen LDPR sagte dabei, die Kasaner Polizisten hätten das getan, was die ganze russische Polizei tut. Wenn die Zahl der Festnahmen nicht ausreicht, nimmt man eben jemanden fest. Reichen die aufgeklärten Fälle nicht aus, muss man eben mit Foilter Geständnisse erpressen.
Wladimir Wassiljew, Sicherheitsexperte der Kreml-Partei Einiges Russland, erklärte, derartige Exzesse seien eine Folge des Strich-Systems, mit dem bei Russlands Polizei die Aufklärungsquote gemessen würde. Er forderte auch eine strenge Aufklärung des Falles gegenüber den übergeordneten Rängen, die für Vorbeugemaßnahmen und die Beurteilung des Personals zuständig seien.
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Der Innenminister lässt sich berichten, was er schon wissen sollte
Heute wird bei einer Videokonferenz der nach Kasan entsandte Vizeinnenminister Sergej Gerassimow seinem Chef Raschid Raschid Nurgalijew über den Stand der Ermittlungen berichten.
Bei einer von Nurgalijew im letzten Jahr umgesetzten Reform waren angeblich alle Beamten gründlich auch auf ihre charakterliche Eignung für den Dienst überprüft worden. Dabei wurde die Miliz auch in Polizei umbenannt.
Die Öffentlichkeit bemerkte allerdings bisher keine nennenswerte Veränderung im Auftritt des übel beleumundeten Staatsorgans - über Fälle von Misshandlungen in Polizeigewahrsam, zum Teil mit Todesfolge, wird immer wieder berichtet. In St. Petersburg starb in diesem Jahr ein 15-Jähriger, der in einer Polizeiwache geschlagen worden war.
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Bürgerrechtler wollen heute mit Sektflaschen in der Hand bei einer nicht angemeldeten Aktion vor dem Innenministerium Tatarstans gegen die Polizeiwillkür in ihrer Republik protestieren. Eine Flasche wollen sie dem Innenminister auch als Geschenk überreichen.
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Paulsen-Consult 15.03.2012 - 12:50
Konzept der inneren Führung
Böse Taten. Überall in autoritär geführten Institutionen begehen Menschen solche sadistischen Grausamkeiten. Egal ob in der US-Army der russischen Miliz (jetzt Polizei)oder bei den Geheimdiensten fast aller Länder. Macht und Autoritätsangst - diese Kombination ist für die meisten Menschen eindeutig Gift. Die Milgrimm-Experimente aus den sechziger Jahren haben gezeigt, dass Menschen unter autoritären Bedingungen fast ohne Bedenken foltern und auch töten. Das sollte eigentlich, heute 50 Jahre danach zu einem internationalen Umdenken geführt haben. Hat es aber nicht. Das Wissen um die Bösartigkeit von Menschen in autoritären Gruppen wird einfach verdrängt. Die Neonazi-Szene ist ein anderes Beispiel dafür.
Die menschliche Apokalypse der Nazizeit hatte in der BRD unter anderem das Konzept der \"inneren Führung\" bei Bundeswehr und Polizei zur Folge. Von einigen Ausreißern abgesehen, war es erfolgreich. In Deutschland fürchtet man sich in aller Regel nicht mehr vor der Polizei und vor der Bundeswehr auch nicht.
Allerdings entwickeln sich auch dort immer wieder Clan-Kulturen, die zu besonderem Fehlverhalten bei den Beamten führen.
Die Gefahr ist also nicht gebannt, sondern nur eingedämmt.
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