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Löste erregte Diskussionen aus - die TV-Serie "Schkola" (Foto: ORT) |
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Montag, 08.02.2010
TV-Serie löst heiße Debatte um Russlands Schulen ausMoskau. Üble Schimpfworte, Alkohol, Gewalt und ständiges Gequatsche über Sex. Ist das die russische Jugend? Ausgerechnet das Staatliche Fernsehen hat mit der neuen Serie Schkola (Schule) heftige Diskussionen ausgelöst.
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Dass es an russischen Schulen teilweise große Probleme gibt, davon wollen viele Russen nichts wissen. Die Eltern haben oft ganz andere Sorgen und können sich um ihre Kinder nicht kümmern. Nun lenkt der Erste Kanal die Aufmerksamkeit auf die Probleme.
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Zweimal täglich, um 18:20 mit leichten Schnitten - und um 23:30 unzensiert - läuft die Serie der Nachwuchs-Regisseurin Waleria Germanika. Die 25jähige wurde international bekannt, nachdem sie 2008 in Cannes einen Sonderpreis für ihren Film Alle sterben, nur ich bleibe bekam.
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Konservative empört - Putin diesmal ganz liberal
Konservative Politiker laufen Sturm gegen den Film. Der Duma-Vorsitzende Boris Gryslow forderte, angesichts von soviel Negativem einen alternativen Film über die russische Schule zu drehen.
Dmitri Smirnow, ein Sprecher der russisch-orthodoxen Kirche, erklärte, die Filmemacher ködern mit dem Niedrigsten.
Der kommunistische KP-Abgeordnete Wladislaw Jurtschik polterte, die Serie sei eine Provokation und ein Anschlag auf unsere Jugend. Die KP-Fraktion in der Duma forderte die Absetzung der Serie.
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Wladimir Putin gab sich bei einem Treffen mit Studenten in der Stadt Tscheboksari dagegen liberal. Vielleicht ist es nicht wirklich so, aber der Regisseur sieht es so. Aber eine Hysterie zu veranstalten, sei nicht sinnvoll, sondern schädlich.
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Ist die Schule ein heiliger Ort?
Die Schule galt in Russland bisher immer als so etwas wie ein heiliger Ort, wo die Schüler im Geist von russischen Schriftstellern wie Alexander Puschkin und Lew Tolstoi erzogen werden.
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Schulmädchen-Report IV ?
Doch die Fernsehserie, die als Dokumentarfilm aufgemacht und mit der Handkamera gefilmt ist, zeigt, dass es alles ganz anders ist. Da flirtet ein 15jähriger mit der Physiklehrerin Natalja. Die attraktive 25jährige kommt sogar für Nachhilfe zum Schüler nach Hause. Die Mutter ist begeistert von der jungen Dame.
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Dass sich ihr Sohn schon in die attraktive Dame verknallt hat und ihr Ehemann schon ein Verhältnis mit der jungen Lehrerin hat, scheint die Mutter nicht zu bemerken. Aber der Sohn hat es bemerkt. Vom Vater bekommt er Geld für neue Schuhe, doch eigentlich handelt es sich um ein Schweigegeld.
Die Serie will ein "authentischer" Filmbericht sein
Die Rollen der Schüler sind in der umstrittenen Fernseh-Serie mit Schauspiel-Studenten und echten Schülern besetzt. Alles wirkt sehr authentisch.
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In Schkola gibt es keine Musik im Hintergrund. Die Hand-Kamera schiebt sich im Schulunterricht zwischen die Stuhlreihen und ist dabei, wenn die Jugendlichen in ihren kleinen Plattenbau-Wohnungen ihre Partys feiern. Gefilmt wird aus allen nur möglichen Blickwinkeln und es gibt kaum Schnitte.
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Dass die Serie, wie von konservativen Kritikern geargwöhnt, die Verrohung unter Jugendlichen fördert, kann man getrost bezweifeln. Da ist zum Beispiel die Szene mit Fedja, dem verschwundenen jüngeren Bruder von Wadim, einem Skinhead.
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Der Neuntklässler Wadim (ein Russe) vermutet, der Mitschüler Timur (ein Kaukasier) habe den kleinen Fedja mit seiner Bande entführt. Doch dann stellt sich heraus, dass der kleine Bruder von zuhause abgehauen ist, weil sein alkoholabhängiger Vater (ein Russe) ihn verprügelt hat.
Das Fernsehen versucht, Jugendliche aus dem Internet zurückzuholen ...
Mit der Serie Schkola geht Konstantin Ernst, der Direktor des Ersten Kanals (ORT) neue Wege. Das Fernseh-Angebot der letzten 15 Jahre sei gut gewesen, meint Ernst. Die Fernsehzuschauer hätten es geschätzt.
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Aber dieses Modell ist zu Ende, erklärte der Fernseh-Direktor in einem Interview mit dem Radiosender "Echo Moskaus. Die bisherigen Fernseh-Formate hätten sich überlebt und müssten geändert werden. Es gäbe weltweit kulturelle Veränderungen. Schkola sei ein Schritt in die neue Richtung.
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Dass das staatliche russische Fernsehen jetzt heiße soziale Themen aufgreift, erklären russische Experten damit, dass die Jugendlichen in den letzten Jahren von den staatlichen Fernsehkanälen zum Internet und den privaten Musik-Kanälen abgewandert sind.
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Nun versuche der Erste Kanal jugendliches Publikum zurück zu gewinnen. Das staatliche Fernsehen ist in Russland immer noch das wichtigste
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Massenmedium in der Hand des Kreml und wird auch bei den Präsidentschafts-wahlen 2012 wieder eine wichtige Rolle spielen. Da muss man schon ein wenig liberaler sein ...
Ulrich Heyden, Moskau
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