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Michail Kononow
Michail Kononow

Michail Kononow:
Der Zerstörer russischer Mythen

Von Caroline Uhlig. Kennen Sie hier in der Nähe eine russische Banja?“ ist eine der ersten Fragen, die Michail Kononow mit hoffnungsvollen Augen stellt. Ein Russe durch und durch, möchte man meinen und hat sicher Recht. Kononow beantwortet überlegt und präzise ihm gestellte Fragen. Er will nicht lospoltern, sondern adäquate Antworten geben. Vor zwei Wochen kam Michail Kononow als Stipendiat des Literarischen Kolloquiums nach Berlin. Seit zweieinhalb Jahren lebt der geschiedene Mitfünfziger in Deutschland - beständig auf der Reise zwar, aber das deutsche Klima ist seiner Gesundheit zuträglicher.

Michail Kononow kam kurz nach dem 2. Weltkrieg 1948 in Leningrad auf die Welt. Gleich nach Beenden der Schule studierte er Elektrotechnik und machte sich später mit seinem Wissen beispielsweise auf Expeditionen ins arktische Meer verdient. So sah er mehrere Landstriche, die zu diesem Zeitpunkt seinen Landsleuten noch verborgen blieben. Immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen studierte er ab 1972 an der Leningrader Universität russische Sprache und Literatur, arbeitet daraufhin als Lehrer und Dozent. Auch als Journalist arbeitete er in der Folge und schrieb u. a. für „Swesda“, „Newa“ und den „SSE“. Richtig lange und beständig verfolgte er seine beruflichen Laufbahnen nie, so dass zum Dozenten für russische Sprache und Zeitungsredakteur noch die Titel Landschaftsdesigner und Künstler kommen.

Spricht er über seine Bilder, kommt ein neuer Ausdruck in sein Gesicht. Es scheint, als würde Michail Kononow über ein leider viel zu wenig beachtetes Talent sprechen. Schon immer habe er gemalt – in Öl versteht sich. Seinen Stil bezeichnet er selbst als Primitivismus oder auf Europäisch Naive Malerei. Er beginnt zu schwärmen von Strichen und Farben, wobei Letzteres das Wichtigste ist. „Wissen Sie, man braucht gar nichts weiter tun, die Farben arbeiten von allein und bringen sich selbst in Zusammenhang.“

Ganz anders verhält es sich da mit Worten. Um große Literatur zu schreiben, so wie der große Dostojewski, braucht es schon mehr. Dostojewski ist einer seiner Favoriten, wenn es um russische Autoren geht. Des Weiteren nennt er Konstantin Paustowski, Andrej Bitow und Pogodin, die er nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch liebt. Er will sich nicht mit diesen messen, sondern ist froh endlich einen Verlag gefunden zu haben. „Die nackte Pionierin“ hatte es schwer auf den russischen Markt zu kommen. Ganze zwölf Jahre lang weigerten sich russische Verlage den Roman zu veröffentlichen. „Angst vor der Zensur“ habe man, musste Michail Kononow immer wieder hören, dabei waren die Zeiten der Sowjetmacht schon verstrichen. Das Sujet des Romans hat aufklärende Wirkung, bricht mit russischen Sichtweisen auf den Großen Vaterländischen Krieg, denn das Schicksal der 14-jährigen Maria Muchina ist eingepackt in erschütternde Details.

Nach dem Seelenleben seiner Protagonistin Maria Muchina befragt, holt Michail Kononow weit aus. Motte sei halt ein typisch russischer Charakter, eine Schwachsinnige, die für ein übergeordnetes Ziel hungert, leidet und Entbehrungen hinnimmt. Viele solche „Schwachsinnige“ gab es laut Kononow in der russischen Geschichte. Einige von ihnen wurden sogar zu Heiligen ernannt. Gründe dafür führt er nicht nur auf politischer Ebene an, sondern auch in der russischen Orthodoxie, einer menschenfernen Religion, die auf äußerste Demut und Selbstvergessenheit ausgerichtet ist. Seine Einblicke in den Krieg und das Leben der Frontsoldaten habe er durch Gespräche erhalten und die eigenen familiären Verluste.

„Sicher habe ich eine sehr scharfe Variante der Kriegsliteratur fabriziert“, meint Kononow, „aber man sollte nie aufhören über Kriege, die größten menschlichen Desaster überhaupt, zu schreiben.“

Momentan arbeitet Michail Kononow an einem neuen Roman, der sich mit östlicher Philosophie und Yoga-Techniken beschäftigen wird. Es bleibt abzuwarten, wie Michail Kononow sich diesem Thema nähert und damit ebenfalls für Furore sorgen kann.
„Die nackte Pionierin“ ist in deutscher Sprache beim Kunstmann- Verlag, 2003 erschienen.

Michail Kononow auf der Frankfurter Buchmesse und sonstige Lesungen: siehe Autorenlesungen und Veranstaltungskalender (cu/.rufo)

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Ein alter US-Straßenkreuzer in Havanna? Weit gefehlt: Hier handelt es sich um eine piccobello restaurierte sowjetische Tschaika-Limousine (GAZ 13) in St. Petersburg. (Topfoto: Deeg/.rufo)

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