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Juri Mamlejew
Juri Mamlejew

Juri Mamlejew:
Psychologe und Mystiker

Von Stephanie Prochnow. Seine Erzählungen und Romane handeln von Tod und Unsterblichkeit, Sinnsuche und Nihilismus. Die Figuren, die Juri Mamlejew heraufbeschwört, lassen den Leser nicht wieder los. Degenerierte Kreaturen, Scheintote, Egomanen und der Teufel höchstpersönlich bevölkern Mamlejews Kosmos – eine aus den Fugen geratene, apokalyptische Welt, die doch alltäglich ist.

„Die Kenntnis des sichtbaren Lebens ist nur der erste Schritt. Danach gilt es, zu einer weit schrecklicheren Realität vorzustoßen.“

Mit dem von ihm begründeten "metaphysischen Realismus" versucht der Mystiker Mamlejew in die dunklen Abgründe der menschlichen Seele vorzustoßen, ungekannte Formen des Seins zu entdecken und dem Jenseits sein Geheimnis zu entlocken. Immer wieder erscheint der Tod im Mittelpunkt – unbegreiflich, erschreckend und gleichsam verlockend. Das irdische Dasein ist dagegen ein Tollhaus, eine Groteske.

Mamlejews literarischen Mittel sind phantastische Erscheinungen, Verfremdung und surreale Brüche. Mit dieser Ästhetik des Makaberen und Perversen trifft er den Nerv der jüngeren Literaten-Generation. Zu seinen Anhängern gehören Autoren wie Wladimir Sorokin und Wiktor Jerofejew. Sie feiern ihren Lehrer als Nachfolger Gogols, Dostojewskijs, DeSades und der russischen Absurden der zwanziger Jahre. War die Antriebskraft Mamlejews noch die Unzufriedenheit mit dem politischen System der Unterdrückung, so entwickelte sich in den letzten Jahren eine generelle Ablehnung der Realität. Die heutige Autorengeneration strebt nach einem vielschichtigeren Leben.

Der 1931 in Moskau geborene Mamlejew ist Sohn eines Psychiaters, der 1937 während der stalinistischen Säuberungen verhaftet wurde und nie nach Hause zurückkehrte. Als junger Mann studierte Mamlejew am forstwissenschaftlichen Institut und begann sich für Philosophie und Okkultismus zu interessieren. Seit Ende der 1950er Jahre führte er ein Doppelleben: Tagsüber unterrichtet er als Mathematiklehrer an einem technischen Institut – abends traf sich in seiner „Kommunalka“ ein illusterer Kreis aus Schriftstellern, Philosophen und Musikern. Die Geheimbündler, die sich selber als „sexuelle Mystiker“ bezeichneten, diskutierten über okkulten Lehren, die Freudsche Psychoanalyse und indische Philosophie.

Diese Treffen fanden ihren literarischen Niederschlag in Mamlejews 1966 – 1968 entstandenem Hauptwerk „Der Mörder aus dem Nichts“. Doch in der Sowjetunion konnten diese Texte nur im Untergrund erscheinen: im „Selbstverlag“, Samisdat. In dieser Wirklichkeit war kein Platz für einen Autor wie Mamlejew, der 1974 emigrierte. In den USA fand er Anerkennung und eine Dozentur an der Cornell-Universität, wo er als Nachfolger Wladimir Nabokows lehrte.

Anfang der 1980er Jahre zog Mamlejew nach Paris und arbeitete an verschiedenen Sprach-Instituten. Erst nach der Perestrojka konnte der Schriftsteller nach Russland zurückkehren und indische Philosophie an der Moskauer Staatsuniversität unterrichten. Nun erschienen seine Bücher auch auf Russisch – teilweise zwanzig Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung. Vor drei Jahren erhielt Mamlejew den Alexander-Puschkin-Preis der Alfred-Töpfer-Stiftung für sein Werk – eine Auszeichnung von vielen. Heute lebt er als freier Autor in Paris und Moskau. Der Prosa-Schriftsteller und Dramatiker ist sowohl Mitglied des Französischen, als auch des Russischen PEN-Clubs und in der Internationalen Gesellschaft für kulturelle Verbindungen mit Indien tätig.

Seinen Werke wurden ins Englische, Französische, Italienische, Griechische und Niederländische übersetzt. Auf Deutsch erschienen im Residenz Verlag „Der Mörder aus dem Nichts“ (1992), „Die letzte Komödie“ (1994), „Der Tod des Erotomanen“ (1998). Dieses Jahr bringt Suhrkamp „Die irrlichternde Zeit“ auf den Markt.

Bücher:
„Gauguins Innenseite", Paris-Nev York, 1982,
Roman „Herumtreiber", Paris, 1987,
Sammelband von Erzählungen „Ertränke meinen Kopf", Moskau, 1990,
„Eine Stimme aus dem Nichts", Erzählungen, Moskau, 1991,
Gesammelte Werke, Moskau, 1993,
„Schwarzer Spiegel", Moskau, 1998,
„Die Wandelzeit", Sankt-Petersburg, 2001,
„Nachdenklicher Killer", Moskau, 2003 u. a.
Juri Mamlejew auf der Frankfurter Buchmesse: siehe Autorenlesungen und Veranstaltungskalender (sp/.rufo)

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Ein alter US-Straßenkreuzer in Havanna? Weit gefehlt: Hier handelt es sich um eine piccobello restaurierte sowjetische Tschaika-Limousine (GAZ 13) in St. Petersburg. (Topfoto: Deeg/.rufo)

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