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Bei den anstehenden ersten direkten Gouverneurswahlen werden sich die Wähler nicht schwer tun, die Übersicht über das Bewerberfeld zu behalten: Es gibt nur drei bis sieben Kandidaten (Foto: NTW/.rufo)
Bei den anstehenden ersten direkten Gouverneurswahlen werden sich die Wähler nicht schwer tun, die Übersicht über das Bewerberfeld zu behalten: Es gibt nur drei bis sieben Kandidaten (Foto: NTW/.rufo)
Montag, 10.09.2012

Gouverneurswahlen: Kandidatenfilter lässt wenige durch

Moskau. In einem Monat werden in Russland nach jahrelanger Pause erstmals wieder regionale Gouverneure vom Volk gewählt. Ein komplexes Filtersystem sorgt aber dafür, dass die Auswahl sehr übersichtlich bleibt.


Am 14. Oktober dürfen die Bewohner der Gebiete Amur, Belgorod, Brjansk, Nowgorod und Rjasan darüber abstimmen, wer in Zukunft die regionale Verwaltung leiten soll. Damit wird die vom Kreml zur Hochzeit der winterlichen Straßenproteste versprochene direkte Gouverneurswahl erstmals in die Tat umgesetzt.

Der "munizipale Filter" lichtet das Bewerberfeld


Allerdings wurde bei der Realisierung des noch vom damaligen Präsidenten Dmitri Medwedew angestoßenen „Demokratie-wagen-Projektes“ trickreich vorgesorgt, dass es beiweiten nicht jeder potentielle Bewerber auch bis auf die Stimmzettel schafft.

Die laut Gesetz erforderliche Unterstützung durch (je nach Region) fünf bis zehn Prozent aller Abgeordneten der kommunalen Parlamente erwies sich für viele oppositionelle oder unabhängige Kandidaten als zu hohe Hürde. Zudem gab es zum Teil hohe Anforderungen an die räumliche Verteilung dieser Unterstützer.

Obwohl es aufgrund der parallel gelaufenen Liberalisierung des Parteiengesetzes inzwischen Dutzende von legalen Parteien in Russland gibt, sind die Stimmzettel deshalb weiterhin sehr übersichtlich: Im Gebiet Nowgorod gehen nur drei Bewerber an den Start, in Rjasan sind es deren sieben – und in den anderen drei Regionen je vier.

Nur ER und LDPR überall am Start


Neben der Kreml-Hauspartei „Einiges Russland“, die bisher in allen wählenden Regionen den Gouverneur stellt, hat es nur Wladimir Schirinowskis LDPR geschafft, in allen fünf Regionen einen Kandidaten durchzubringen. Parteigänger der KPRF und der „Patrioten Russlands“ können ihr politisches Glück in drei Regionen versuchen.

Die kremlnahe liberale Kleinpartei „Rechte Sache“ brachte zwei Kandidaten durch. Die in der Duma vertretene moderate Linkspartei „Gerechtes Russland“ hat nur einen Bewerber im Rennen, ebenso die westlich-liberal orientierte Kremlkritiker-Partei „Jabloko“.

Auswahl unter Parteinewcomern nur in Rjasan


Seitens neu zugelassener Parteien gibt es ebenfalls nur je einen Bewerber einer Partei namens „Neues Russland“ sowie der „Pensionäre Russlands“ – beide treten in Rjasan an, wo nach Einschätzung von Beobachtern eine Zersplitterung in der Führungsebene von „Einiges Russland“ dafür gesorgt hat, dass die Lokalpolitiker in der Tat frei in der Wahl ihrer Favoriten waren.

Bei Russland-Aktuell
• Demokratisierung und Dialog – vielleicht ein andermal? (16.07.2012)
• Personalkarussell unter Gouverneuren dreht sich (11.05.2012)
• Freie Gouverneurswahlen sind beschlossene Sache (27.04.2012)
• Gouverneure werden jetzt gewählt - und gefiltert (01.06.2012)
• Putin verspricht den Demonstranten mehr Demokratie (06.02.2012)
Ansonsten beklagten sich die politischen Konkurrenten weithin darüber, dass die Abgeordneten der Stadträte und Kreistage vielfach unter Druck gesetzt worden seien, entweder für den ER-Bewerber oder für gar keinen Aspiranten zu unterschreiben – wobei jeder Abgeordnete sich nur für einen Bewerber aussprechen kann.

Auch sei eventuell gezielt mit nicht zulässigen mehrfachen Unterschriften gearbeitet worden – wobei in diesem Fall die politischen Konkurrenten vorher nicht ahnen können, dass ihr in mühsamer Überzeugungsarbeit zur Ferienzeit in der Provinz gesammelten Unterstützerunterschriften dann bei der Prüfung durch die Wahlkommission für ungültig erklärt werden.

Unangenehme Gegenkandidaten scheiterten an "Unterschriftenverwaltung"


Umgekehrt wurde aus den Regionen aber auch berichtet, dass die Stäbe der amtierenden Gouverneure das Reservoir an Unterstützerunterschriften in den Regionen geradezu haushälterisch verwalteten – und auf diese Weise dafür sorgten, dass nur ihnen genehme Kandidaten letztlich das nötige Quorum finden. Auf diese Weise ist wohl auch die gute Präsenz der im Zweifelsfall Putin-treuen, aber nach außen als nationalistische Protestpartei auftretenden LDPR zu erklären.

Wegen der Undurchdringlichkeit des „munizipalen Filters“ haben mancherorts oppositionell eingestellte Parteien oder Bewerber deshalb auch beschlossen die Wahlen zu boykottieren – oder erst gar keine Unterschriften gesammelt. Es gab auch Pro-forma-Bewerbungen seitens der Opposition, die nur dazu dienen sollen, nach der Verweigerung der Wahlzulassung diese und dann auch das ganze Wahlgesetz als undemokratisch juristisch anfechten zu können.

Gegen den Filter kämpfen - oder politische Ochsentour in der Provinz


Außerhalb der ER-Reihen ist deshalb jetzt der Ruf nach einer Vereinfachung oder gar Streichung des neuen Filters stark. Der Politologe Ewgeni Mintschenko schlägt beispielsweise vor, ihn auf 1 Prozent der lokalen Abgeordneten zu beschränken - und für Vertreter von in den Regionalparlamenten präsenten Partien ganz zu streichen.

Wenn sich der Kreml darauf aber nicht einlassen sollte, dürfte ernsthaft ans Werk gehenden Parteien nichts anderes übrig bleiben, als sich massiv um die bisher vernachlässigte Lokalpolitik zu kümmern: Erst wenn eine Partei in vielen Gemeinde- und Kreisräten eine nennenswerte Präsenz erreicht hat, verliert der Filter seinen Schrecken ganz von alleine.



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