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Nicht jedes Kind kann so ausgelassen turnen. Doch Kinderlähmung gilt manchen Amtsärzten nicht als Behinderung (Foto: kp/.rufo)
Nicht jedes Kind kann so ausgelassen turnen. Doch Kinderlähmung gilt manchen Amtsärzten nicht als Behinderung (Foto: kp/.rufo)
Mittwoch, 06.07.2011

Für behinderte Kinder kein Platz in der Statistik?

Krasnodar. Verweigern Behörden behinderten Kindern die Anerkennung ihrer Leiden – damit die Statistik besser aussieht? Im Gebiet Krasnodar kocht deshalb ein Skandal hoch. Der Gouverneur wäscht seine Hände in Unschuld.

Auslöser des Skandals war ein Beitrag im Blog der Wohltätigkeitsorganisation „Sosidanije“, in dem der Brief einer Großmutter aus dem Ort Kanewskaja wiedergegeben wurde: Anna Arjutkina berichtete, dass sowohl eine amtsärztliche Kommission in ihrem Wohnort wie auch in der Gebietshauptstadt Krasnodar ihrer zwei Jahre alten Enkelin die Anerkennung als Behinderte verweigert hätte.

Kinderlähmung übersteigt die Kräfte der Familie


Dabei stehe eine ärztliche Diagnose wegen Kinderlähmung fest. Die kleine Violetta ist zwar kein schwerer Fall, sie hinkt lediglich bei Gehen. Aber der Mutter und der Oma (die noch einen weiteren behinderten Sohn betreut) war klar, dass sie zur Behandlung des Kindes in der Zukunft staatliche Unterstützung brauchen. „Das ist teuer: Prothesen, Korsetts, Medikamente. wir haben dieses Geld nicht."

Zumal mit der im Raum stehenden Diagnose das Kind nicht einmal in einen Kindergarten aufgenommen würde – sprich, die Mutter eigentlich nicht zum Arbeiten kommen kann.

Gouverneur will angeblich weniger Behinderte


Begründet wurde die Ablehnung der Anerkennung der Behinderung – nicht auf dem Papier, versteht sich, sondern nur im Gespräch – mit einem angeblichen Ukas des Gebietsgouverneurs Alexander Tkatschew, „die Kopfzahl der Behinderten zu verringern“.

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Die Ärzte der Kommissionen hätten gar angedeutet, dass sie nicht anders entscheiden können, weil ihnen ihr Arbeitsplatz eben lieb und teuer ist. Und schließlich den Rat gegeben, die Mutter solle doch auf ihr lahmendes Kind verzichten, dann würde der Staat sich in einem Kinderheim schon richtig um das Mädchen kümmern.

Letztlich würde es ohnehin darauf hinauslaufen, weil die armselig lebende Familie sich nicht richtig um das kranke Kind kümmern könne, weshalb die Sozialbehörde der Mutter das Sorgerecht irgendwann so oder so entziehen werde …

Die empörte Großmutter zog daraus den Schluss, dass es dem Gebiet offenbar darum geht, seine zunehmend „verwaisten“ Kinderheime zum Erhalt der entsprechenden Finanzströme wieder aufzufüllen, nachdem viele Kinder in letzter Zeit an Pflegefamilien abgegeben worden seien.

Tkatschew fühlt sich übel verleumdet


Diese Geschichte zog innerhalb eines Tages große Kreise in der Krasnodarer Blogosphäre – am Abend reagierte der vermeintliche Schuldige dann auch schon selbst darauf: Gouverneur Tkatschew twitterte, dass er einen solchen „wahnsinnigen Blödsinn“ über eine angeblich von ihm in die Welt gesetzte Direktive noch nie gelesen habe.

„Irgendein Arzt hat unter diesen Vorwand einer Mutter die Anerkennung ihres Mädchens als Behinderte verweigert. Mit diesem Arzt möchte ich mich einmal näher unterhalten“, drohte Tkatschew. „Ich erkläre hiermit offiziell: Um das Problem dieser Mutter kümmere ich mich persönlich“.

Das Problem steht russlandweit im Raum


Möglicherweise sind damit die größten Probleme für die kleine Violetta tatsächlich ausgeräumt. Allerdings erklärte die Pressestelle des Gouverneurs in der Zwischenzeit, für die Frage der Anerkennung als Behinderte sei ohnehin keine regionale Struktur, sondern eine staatliche Behörde zuständig.

Im russischen Internet kursieren allerdings Berichte und Klagen, dass auch in anderen Gebieten Russlands – zum Beispiel in St. Petersburg – Kindern die Anerkennung von Behinderungen verweigert werde. Auch vom Entzug schon bestehender Invaliditäten ist die Rede.

Am Vorwurf, der russische Staat würde versuchen, seine Behinderten-Statistiken zu schönen, ist also vielleicht doch etwas dran. Zumal damit ja auch erkleckliche Summen für Renten und medizinische Behandlungen „gespart“ werden können.



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