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Raus aus Facebook, rein ins öffentliche Leben: Russlands Demo-Bewegung organisiert sich jetzt nicht nur online (Foto: facebook)
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Mittwoch, 18.01.2012

Protest-Bewegung organisiert sich - in zwei Flügeln

Moskau. Aus den Massenprotesten für ehrliche Wahlen sind jetzt Organisationen hervorgegangen: Die politischen Aktivisten gründeten eine „Bürgerliche Bewegung“, die bewusst unpolitischen die „Wähler-Liga“.


Die beiden Gruppen wollen sich nicht Konkurrenz machen, sondern sich gegenseitig ergänzen, verkündeten heute führende Köpfe der nach den umstrittenen Duma-Wahlen am 4. Dezember entstandenen Protestbewegung.

Populäre Kultur-Größen sehen sich als "Wähler"


In die „Wähler-Liga“ werden bewusst weder Politiker noch Personen mit politischen Ambitionen aufgenommen, erklärten heute vor der Presse die Gründungsmitglieder. Zu ihnen gehören unter anderem der Rockmusiker Juri Schewtschuk, der Journalist Leonid Parfjonow und die Schriftsteller Ludmila Ulizkaja, Boris Akunin und Dmitri Bykow. Der besonders populäre Blogger Alexej Nawalny ist hingegen nicht dabei – da er aus seinen Ambitionen auf das Präsidentenamt kein Geheimnis gemacht hat.

Schewtschuk und Parfjonow kündigten an, dass sie aus der Liga austreten würden, wenn diese sich in eine politische Partei verwandeln sollte. Man wolle mit allen zur Verfügung stehenden legalen Mitteln für „ehrliche Gerichte, ehrliche Medien, eine ehrliche Polizei, ehrliche Beziehungen zwischen dem Staat und den Bürgern und ehrliche Wahlen von der lokalen bis zur Präsidentenebene“ kämpfen.

Überparteiliche Politprotest-Plattform


Die „Bürgerliche Bewegung Russlands“ (GDR) sieht sich hingegen als politische Organisation, die Reformen durchsetzen und die „in den Jahren der Putin-Herrschaft verletzten Verfassungsnormen“ wieder in Kraft setzen will.

Auch sie will in erster Linie für ehrliche Wahlen kämpfen, aber auch für Wahlrechtsreformen. Die von ihr geforderte Direktwahl der Gouverneure sowie die Rückkehr zu Wahlkreis-Direktmandaten hat allerdings Präsident Dmitri Medwedew unlängst mit Gesetzesinitiativen schon in die Wege geleitet.

Präsentiert wurde die GDR von dem ehemaligen Vizepremier Boris Nemzow sowie dem Duma-Abgeordneten Ilja Ponomarjow von der Partei „Gerechtes Russland“. Seinen Worten zufolge soll die Organisation dafür sorgen, dass innerhalb der Protestbewegung „die Liberalen nicht die Linken angreifen, die Linken nicht die Nationalisten und die Nationalisten nicht die Linken und die Liberalen“.

Kompetente Ansprechpartner statt Affenherde


Die Wähler-Liga werde sich um den kreativen Aspekt kümmern und für die rechte Resonanz der Protest-Kundgebungen beim „Zielpublikum“ sorgen. Der politische Arm der Bewegung will sich hingegen um konkrete Fragen und Forderungen kümmern – „damit wir etwas auf den Tisch legen können und nicht wieder irgendwelche Premierminister sagen, sie wüssten nicht, mit wem sie reden sollen und über was“, erklärte Ponomarjow mit einem Seitenhieb auf Regierungs-Chef Wladimir Putin .

Bei Russland-Aktuell
• Behörden geben 3.000 Verfehlungen bei Dumawahl zu (18.01.2012)
• Neuer Fälschungsskandal vor den Präsidentenwahlen (17.01.2012)
• Medwedew schränkt Versammlungsrecht am Kreml ein (10.01.2012)
• Neue Wahlprotest-Demo für den 4. Februar angekündigt (30.12.2011)
• Russlands Opposition: Wer sind die neuen Dekabristen? (29.12.2011)
Bisher ist es nicht zu einem Dialog zwischen der Staatsspitze und der Protestbewegung gekommen. Putin hatte sich mehrfach eher abfällig über die angeblich vom Ausland gesteuerten Demonstranten geäußert und sie als "Bandarlogi" bezeichnet - so heißt der gesetzlose Affenstamm im berühmten "Dschungelbuch".

Putin-Gegner wollen in zwei Wochen wieder auf die Straße


Am 4. Februar, genau einen Monat vor der Präsidentenwahl, wird sich zeigen, ob Russlands überraschende „Schnee-Revolution“ nach den zwei großen Protestkundgebungen im Dezember über die Neujahrsferien nicht schon wieder eingeschlafen ist.

Für dieses Datum wird in Moskau ein großer Protestmarsch geplant – voraussichtlich unter der Losung „Nicht eine Stimme für Putin“.

Drücke sich, wer kann: Wahlpersonal ist rar


Eine Folge der Proteste gegen Wahlmanipulationen ist, dass es nun in den Regionen schwierig geworden ist, Personal und Vorsitzende für die Wahlkommissionen zu finden, berichtet heute die Zeitung RBK Daily.

Angesichts der drohenden Strafen bei bewiesenem Wahlbetrug und der angekündigten schärferen Kontrollen durch Web-Kameras wie auch die Opposition und Öffentlichkeit schrecken die dafür üblicherweise rekrutierten Beamten nun offenbar davor zurück, die Verantwortung für die Wahlen zu übernehmen.

Denn trotz aller anderslautenden Beteuerungen aus dem Kreml gibt es keine Garantie dafür, dass es nicht wieder „Druck von oben“ durch Gouverneure und Bürgermeister auf die Wahlleiter geben wird, ein gewünschtes Wahlergebnis zu erreichen – und nicht das faktische.

Ermittler arbeiten Wahlmanipulationen auf


Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen 3.000 Fälle von Verstößen gegen das Wahlrecht bei den Duma-Wahlen festgestellt, heißt es in einem Zwischenbericht von Generalstaatsanwalt Juri Tschaika an Medwedew. Mit Strafen belebt wurden bisher allerdings nur 95 Verantwortliche. In sechs Fällen hat die Behörde eine Strafverfolgung wegen krimineller Vergehen beantragt.

Nach dem russischen Strafrecht können für die Verfälschung von Wahlunterlagen oder Wahlergebnissen bis zu vier Jahren Haft verhängt werden. Derartige Verurteilungen gab es in den letzten Jahren aber nie, Klagen gegen Wahlfälschungen blieben fast immer erfolglos.



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