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Wolfgang Steiert (links) und Berni Schödler (rechts) freuen sich über die gute Saison. (Foto: Uli Wagner) |
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Freitag, 03.04.2009
Saisonende: Große Pläne beim Skisprung-Team RusslandAnne Kirchberg, Kranjska Gora. Der russische Skisprung ist groß im Kommen. Im Interview lassen die Trainer Wolfgang Steiert und Berni Schödler die erfolgreiche Saison 2008/2009 Revue passieren und geben einen Ausblick.
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Mit dem 45-jährigen Wolfgang Steiert aus Deutschland (Ex-Bundestrainer der deutschen Adler) und dem 37-jährigen Schweizer Berni Schödler (Ex-Nationaltrainer der Schweiz) verfügt die russische Skisprung-Nationalmannschaft zurzeit über zwei der besten Trainer im Weltcup.
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Wozu diese beiden in der Lage sind, zeigten ihre Schützlinge während des vergangenen Winters eindrucksvoll: Rang fünf in der Weltcup-Gesamtwertung dank sechs Podestplätzen für Dmitri Wassiljew (Dimitry Vassiliev), und Platz sechs für die Mannschaft mit Wassiljew, Denis Kornilow, Ilja Rosljakow und Pawel Karelin in der Nationenwertung.
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Was hat sich beim russischen Skisprung in den vergangenen fünf Jahren verändert?
Steiert: Als ich damals angefangen habe, befand sich Russland im Vergleich zu anderen Nationen in der Steinzeit. Dank unserer Sponsoren sind wir mittlerweile im Weltcupteam professionell aufgestellt. Aber an den Strukturen hat sich nichts geändert, da diese ziemlich eingefahren sind. Man müsste sie so wandeln, dass die Wertigkeit nicht nur auf eine Weltmeisterschaft gerichtet ist, sondern auch Leistungen im Weltcup gesehen werden.
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Wie hat die deutsch-schweizerische Zusammenarbeit in der ersten gemeinsamen Saison funktioniert?
Schödler: Wir haben uns ein bisschen gefunden! Am Anfang war ich der Meinung, dass ich mehr mit Strukturen und dem Umfeld zu tun haben würde. Irgendwann habe ich dieses Zweigeteilte gespürt: Auf der einen Seite im Weltcup ein super Package mit Sponsoren, den Betreuern, dem Team, das klasse funktioniert und in dem hochprofessionell, sehr motiviert und ziel- sowie resultatorientiert gearbeitet wird.
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Auf der anderen Seite fragte ich mich, welches Interesse der Verband dahinter hat und merkte, dass es schwer ist, im Verband oder den Clubs etwas zu bewirken. Das Bedürfnis scheint gar nicht vorhanden zu ein, was für mich ein bisschen überraschend war. Aber gut, dann versuchen wir es mit kleinen Projekten und müssen uns mit Resultaten beweisen, um vielleicht ein offenes Ohr zu finden.
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Erziehung zur Eigenverantwortlichkeit
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Unterscheiden sich denn die russischen Skispringer von anderen? Schödler: Meiner Meinung nach ist die Selbstständigkeit der größte Unterschied. In der Schweiz hat man Athleten dazu gebracht, auch daheim allein zu trainieren. Denn was nützt es, wenn sie zum Beispiel unterwegs Salat und Putenbrust essen und sich zuhause im Fast-Food-Restaurant die Kante geben?
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Deswegen war es zuerst wichtig, dem Sportler das Gefühl zu geben: Du bist für deine Leistung selbst verantwortlich!. Am Anfang hatten sie eher die Einstellung: Sag mir bitte, was ich tun soll, damit ich weit springe! Das ist natürlich schwierig, kommt aber ganz sicher von ihrem Umfeld. Sie sind gewohnt, so zu leben ob das jetzt gut oder schlecht ist, sollte niemand bewerten.
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Steiert: Die Jungs sind mit viel Druck groß geworden, deswegen muss man ihnen eine klare Ansage machen, wenn sie die Linie verlassen. Wir sind als Trainer während einer Umbruchphase in das Land gekommen. Die Jungen haben das Gefühl, dass ihnen niemand mehr etwas sagen darf, und nur die älteren halten das System noch hoch. Diesen riesigen Staat zu führen, geht nur mit Disziplin, und nun ist er teilweise führungslos.
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Stellt die fremde Sprache bei Ihrer Arbeit eine Schwierigkeit dar?
Schödler: Es ist schon ein wenig kompliziert. Man kann sich in Deutsch oder Englisch über normale Dinge ganz gut mit den Jungs unterhalten. Aber in unserem Sport läuft nun mal viel über das Gefühl. Feine Korrekturen oder Empfinden rüberzubringen ist da nicht immer ganz einfach.
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Steiert: Vor fünf Jahren beherrschte niemand eine andere Sprache als Russisch. Mittlerweile spricht Denis Kornilow perfekt Englisch und Deutsch, Ilja Rosljakow und Dmitri Wassiljew können auch gut Deutsch. Mit Pawel Karelin haben wir noch einige Probleme.
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Er lernt zwar Deutsch, aber wir kommen noch nicht so richtig an ihn heran. Sehr wichtig ist, dass die Sportler jetzt mit ihren Sprachkenntnissen von anderen Athleten akzeptiert werden. Sie gehen nun sogar mit Springern aus anderen Nationen abends weg.
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Überragende Wintersaison
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Wie zufrieden sind Sie mit dem vergangenen Weltcup-Winter?
Steiert: Für uns war die Saison überragend! Wir haben in der Nationenwertung zum ersten Mal die 2000-Punkte-Marke geknackt, nachdem wir im Jahr zuvor die 1000er geschafft hatten. Die Leistung der Mannschaft war sehr gut; dass es Einbrüche gibt, ist ganz normal besonders weil es am Heimtraining fehlt.
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Dimitry Vassiliev ist der große Leistungsträger im russischen Team. Mit fünf 3. und einem 2. Platz flog er im vergangenen Winter nur knapp an seinem ersten Siegesplatz vorbei. (Foto: Uli Wagner) |
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Aber für uns ist es super, unter den besten sechs Nationen der Welt zu sein. Wir arbeiten uns peu à peu nach vorne. Und alle Athleten merken jetzt, dass Dmitri Wassiljew durch seine Podestplätze richtig Kohle abholt! Nun beginnt der Prozess, dass die anderen auch dorthin wollen und immer mehr Selbstvertrauen kriegen.
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Wer ist neben Pawel Karelin ein großes russisches Skisprung-Talent? Schödler: Es kommt ja immer darauf an, was man aus dem Talent macht! Karelin und Kornilow haben alles, um erfolgreich zu sein. Daneben gibt es noch den 19-jährigen Roman- Trofimow, und auch bei der Universiade konnte man zwei, drei Russen bewundern, bei denen es schon sehr nach Skispringen aussieht.
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Wir müssen es schaffen, unsere Springer aus verschiedenen Regionen in die FIS-Veranstaltungen wie FIS-Cup und Continentalcup einzuordnen und diese Chancen zu nutzen.
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Steiert: Bei der Verbindung vom Continentalcup zu Weltcup sind wir vielleicht sogar die schlechteste Nation. Was die fünf Athleten im Weltcup gemacht haben, ist ok, aber jetzt müssen wir neue heranführen.
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Sotschi 2014 noch kein großes Thema
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Haben die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi Auswirkungen auf Ihre Arbeit?
Steiert: Es ist gut für die Außendarstellung, damit man Visionen vorgeben kann. Wir gehen jetzt Schritt für Schritt!
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Schödler: Ich finde es gut, dass das noch kein großes Thema ist. Mit unserem Projekt Stairway to Sochi versuchen wir alles natürlich ein wenig anzukurbeln, aber es sind noch fünf Jahre bis dahin. Zwischenzeitlich stehen die Olympischen Spiele in Vancouver 2010 und noch zwei Weltmeisterschaften an.
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Was ist für das Sommertraining schon geplant?
Steiert: Wir geben den Athleten nun etwas Zeit, damit sie sich um ihre schulischen Dinge und ihr Studium kümmern können. Anfang Juni werden wir dann wieder mit dem gemeinsamen Training beginnen und viel unterwegs sein.
Schödler: Es ist besser, wenn die Jungs jetzt eine lange Pause haben und dafür im Herbst vor der Saison nur zwei oder drei Wochen.
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Welches Ziel haben Sie für den russischen Skisprung?
Steiert: In Russland wird viel über den Schanzenbau gesprochen und es gibt einige Projekte aber es steht noch keine Schanze! Es wird Zeit, dass eine gebaut wird! Die Sportler sollen sich auch zuhause vorbereiten und trainieren können.
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Außerdem hoffen wir, dass wir hinsichtlich der Olympischen Spiele 2014 die mitteleuropäischen Strukturen in das russische System integrieren können, damit der Leistungsgedanke im Vordergrund steht. Was möglich ist, sieht man daran, was wir trotz der vorhandenen Strukturen noch an Leistungen herausbekommen!
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Schödler: Das Ziel wäre zudem, eine russische Skisprungfamilie zu haben, die sich an guten Leistungen eines Athleten freut, egal ob er aus Magadan, Moskau oder sonstwo her kommt.
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Alle Leute, die mit dem russischen Skisprung zusammenarbeiten, müssen einfach merken, dass das hier gerade eine riesige Chance ist! Und diese gilt es, langsam aber sicher zu packen. Die Türe, an die ständig geklopft wurde, sollte nun aufgehen und das wird sicher eine spannende Sache!
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