Am sichersten bewegt sich die Armee zu Fuß (foto: newsru.com)
Mittwoch, 19.11.2003
Keine Armee für Krieg und Frieden
St. Petersburg. Zu einer Generalschelte holte gestern Verteidigungsminister Sergej Iwanow bei der alljährlichen Versammlung des Armee-Führungskaders in Moskau aus: Zu viele Selbstmorde, zu viele Flugzeugabstürze und Erziehungsmethoden wie vor 30 Jahren, kritisierte der Minister. Die Armee müsse aber so organisiert sein, dass die russischen Steuerzahler ihre Rubel dort für gut angelegt empfinden, bilanzierte Iwanow.
Die jährliche Kommandeursversammlung ist erst unter der ungedienten Zivilisten (dafür aber Geheimdienst-Offizier) Iwanow zu einer öffentlichkeitswirksamen Veranstaltung mit großer Presse-Präsenz verwandelt worden. Das liegt aber auch daran, dass dabei der Präsident auftritt und den Generälen seine Generallinie darlegt.
Diesmal bekräftigte Wladimir Putin vor allem seinen Reformkurs zur Umgestaltung der Streitkräfte: Ab 2008 soll die russische Armee zur Hälfte aus unter Vertrag stehenden Zeitsoldaten bestehen und analog die Wehrpflicht von gegenwärtig zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt werden. Die russische Armee müsse gewappnet sein, um die Bedrohungen von morgen zu meistern und nicht die Kriege des vorigen Jahrhunderts, forderte Putin.
Konkreter wurde der Verteidigungsminister in seinem Referat: Der teilweise Übergang zur Berufsarmee erfordere, dass das Verteidigungsministerium in Zukunft Soldaten nicht mehr einberufen, sondern auswählen muss. Mit der Menschenkenntnis und führung hapert es aber in den uniformierten Reihen: Es sei Zeit, in der Armee ein System der Erziehung und Ausbildung einzurichten, dass dem heutigen Tage entspreche und nicht wie bei uns dem Standard von vor 30 Jahren, sagte Iwanow an den dafür zuständigen Generaloberst gerichtet.
Der Verteidigungsminister sprach in diesem Zusammenhang auch das bisherige Tabu-Thema der Selbstmorde in der Armee an: Ein Drittel der 337 im letzten Jahr durch Verbrechen und Vorkommnisse ums Leben gekommenen Soldaten hatte Suizid begangen.
Bedeutend mehr Tadel als Lob erntete die Luftwaffe: Von acht in diesem Jahr geschehenen Flugzeugabstürzen seien sieben auf Fehler der Piloten zurückzuführen. Mit 12 bis 14 Flugstunden würden die russischen Militärflieger zehnmal weniger Praxis sammmeln als nötig, weshalb sie nicht in der Lage seien, ihre Aufgaben auch bei schlechtem Wetter oder nachts zu erfüllen. Die Unfallhäufigkeit liege jenseits aller vorstellbaren Grenzen, so Iwanow. An die Einführung neuer Flugzeugtypen sei nicht zu denken, so lange die russischen Flieger nicht einmal die alten Baumuster sicher beherrschten, ätzte der Verteidigungsminister. Die versammelte Generalität dankte es ihm mit einem völligen Verzicht auf Applaus.
(ld/.rufo)
Sie entwickelt sich, die Zivilgesellschaft in Russland! Sogar im Kreml und im Fernsehen. Hier antiautoritäre Hinterbänkler aus der Regierungspartei Einiges Russland während der Putin-Rede. (Foto: ORT)
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