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Wladimir Putin auf dem "Einiges Russland"-Parteitag am 1.Oktober 2007. (Foto: TV)
Wladimir Putin auf dem "Einiges Russland"-Parteitag am 1.Oktober 2007. (Foto: TV)
Dienstag, 02.10.2007

Putin wird Spitzenkandidat bei Duma-Wahl, dann Premier

Moskau. Dass Putin heute Duma-Spitzenkandidat für die Kreml-Partei „Einiges Russland“ wurde und erklärte, er könnte auch als Regierungschef im Tandem mit einem anderen Präsidenten arbeiten, war fast keine Überraschung mehr.

Putin arbeitet seit langem daran, ein ganzes Feld verschiedener politischer Führungs-Figuren aufzubauen. Eine Figur unter anderen wird Wladimir Putin selbst sein. Putin kann es fast egal sein, wer neben ihm Präsident wird. Hauptsache, er kommt aus der bewährten Seilschaft.

Putin versucht, so scheint es, Russland von der politischen Eindimensionalität weg zu bringen, die dem Land teils eigen ist, teils angedichtet wird. Dafür installiert er eine Art „Stars Factory“, einen Talentschuppen wie die „Fabrika Swjosd“, mit der im russischen Fernsehen Popstar-Nachschub produziert und ausprobiert wurde.

Putins Star-Fabrik produziert nicht Pop-Stars, sondern Polit-Prominenz



In letzter Zeit tauchten fast wöchentlich Neulinge auf der Kremlbühne oder neue Inszenierungsideen auf. Alle Newcomer wurden tatsächlich auch dadurch aufgewertet, dass sie mit der Meßlatte des potentiellen Präsidentenkandidaten gemessen wurden – was aber überhaupt nicht heißt, dass sie es auch werden oder werden sollen.

Bei Russland-Aktuell
• Putin kann Premier unter anderem Präsidenten werden (01.10.2007)
• Putin lässt sich als Spitzenkandidat zur Duma aufstellen (01.10.2007)
• Eine neue Theorie über die politische Zukunft Putins (06.07.2007)
• Putin kann Nachfolger nicht ernennen, auch wenn er will (23.09.2007)
• Drei neue Gesichter in alter Regierung Russlands (25.09.2007)
Es heißt nur, dass sie für die Diversifizierung des Profils der politischen Elite gebraucht werden. Wer zur Seilschaft gehört, bekommt seine Chance. Und schließlich soll ja für jeden Publikumsgeschmack etwas dabei sein.

Das erinnert ein wenig an die TV-Zivilgesellschaft mit zweitausend bekannten Gesichtern. Man mag dies als modernisierte Neuauflage der „kollektiven Führung“ von Sowjetstaat und Partei zu Zeiten der Gerontokratie abqualifizieren. Das trifft aber nicht den Punkt.

Neuauflage der “Kollektiven Führung”?



Es geht um einen politischen Upgrade, dem ein Neustart – desselben Systems - folgen kann. Am Betriebssystem ändern Upgrade und Restart natürlich nichts. Es geht um Systemerhalt, Effektivierung, Modernisierung – und Machterhalt. Worum auch sonst?

Und es geht offensichtlich darum, die Reaktionsmöglichkeiten des politischen Systems und seiner Personen zu diversifizieren. Dass dies „nur“ für die bevorstehenden Wahlen gemacht wird, ändert auch nichts daran. Wahlen sind dafür da, solche Effekte zu erzeugen.

Erst Upgrade, dann Neustart. Kreml 2008



Jedenfalls werden die dümmlichen Totalitarismus-Theorien, der Tyrann Putin sei nur auf persönlichen Machterhalt aus, Putin werde entweder einfach seine Amtszeit verlängern lassen oder aber einen Thronfolger ernennen, der ihm passt, fortlaufend entwertet. Was natürlich nicht bedeutet, dass man an ihnen nicht festhalten könnte, wenn man unbedingt will.

Dass Putin sich für ER privatisieren lässt, ist allerdings das Gegenteil von Diversifizierung



Nur leider passt in dieses schöne Bild überhaupt nicht, dass Putin einerseits in der Kreml-Nachfolgefrage bewusst viele Bälle im Spiel hält, sich aber andererseits als Spitzenkandidat für „Einiges Russland“ privatisieren lässt.

Das dürfte nicht nur zur rasanten Verödung der Parteilandschaft führen, die sich gerade ein ganz wenig entwickelte. Das ist das Gegenteil von politischer Diversifizierung.

Da wird noch nicht einmal die KPdSU und ihr Generalsekretär wiedergeboren, sondern der Spitzenkandidat Putin steigt herab aus Kremlhöhen in die Niederungen der Politik – macht sich gemein mit der Blüte der Bürokratensippschaft und wird – in den Augen der Restgesellschaft - noch mehr als bisher haftbar für deren Treiben.

Das könnte eigentlich nur dadurch kompensiert werden, dass sich jeder der neu produzierten Polit-Stars jeweils auch seine eigene Partei sucht. Viktor Subkow zu „SR“, Dmitri Medwedjew zu „SPS“, Sergej Iwanow zu „Jabloko“, Dmitri Kosak und Valentina Matwijenko … Aber das ist wohl sehr unwahrscheinlich.


Starker Premier und schwacher Präsident? Permanente Doppelherrschaft?


Es gäbe allerdings einen sehr spürbaren positiven Effekt, wenn Waldimir Putin als starker Premier vom Kreml ins Weiße Haus umzieht.

Die bisherige, eindimensionale Konzentration aller Macht auf den Kreml würde aufgelockert. Neben dem Kreml entwickelte sich ein zweites Machtzentrum. Nur: Schizophrenie der Exekutive ist noch keine traditionelle Gewaltenteilung. Und permanente Doppelherrschaft war noch nie eine Lösung von Dauer für Russland.
Von Gisbert Mrozek, Moskau (gim/.rufo/Moskau)


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