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Nur Chodorkowski pfeffert flauen Duma-Wahlkampf

Von Lothar Deeg. Seit der Verhaftung von Michail Chodorkowski stellt die Yukos-Affäre in Russland alle anderen Themen in den Schatten. So auch die Dumawahlen am 7. Dezember. Würde nicht das ganze Land gebannt auf die Kreml-Verwaltung, das Untersuchungsgefängnis „Matrosenstille“ und die Generalstaatsanwaltschaft starren, hätte wohl schon die „heiße Phase“ des Wahlkampfs begonnen. Die Wahlen finden aber trotzdem statt. Es geht um die Kernfrage, ob Wladimir Putin wieder eine Kreml-treue Duma bekommt – oder ob wie zu Boris Jelzins Zeiten wieder die Konkurrenz zwischen Präsidenten und Parlament aufbricht.

Als designierte Sieger der Wahl gilt die Kreml-treue Partei „Einiges Russland“ (ER) unter Führung von Innenminister Boris Gryslow und Katastrophenschutzminister Sergej Schoigu. Schärfste Konkurrenten unter den 23 zur Wahl antretenden Parteien und Wahlblöcken sind die Kommunisten. In der letzten Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes VZIOM-A kam ER auf 30 Prozent, die KPRF von Gennadi Sjuganow lag bei 26 Prozent. Darunter kommt lange Zeit erst einmal nichts: Die „Union der rechten Kräfte“ (SPS) und „Jabloko“ und sowie die LDPR des Nationalisten und Polit-Entertainers Wladimir Schirinowski lavieren gegenwärtig im Bereich der Fünf-Prozent-Hürde. Dieses Kräfteverhältnis kann und wird sich aber wohl noch ändern: Laut Umfrage sind bislang nur 58 Prozent der Wahlberechtigten entschlossen, zur Wahl zu gehen - und nur sie wurden befragt. Das Stimmenreservoir unter den Unentschlossenen ist also noch gewaltig.
Wie schon bei den letzten Duma-Wahlen marschieren die beiden „westlich“-liberalen Parteien, die SPS unter Führung des einstigen Polit-Jungstars Boris Nemzow und „Jabloko“ von Grigori Jawlinski trotz ideologischer Nähe getrennt – und riskieren so, den Einzug ins Parlament zu verpassen. Schuld ist nicht nur die persönliche Unvereinbarkeit ihrer Chefs, sondern auch die Grundeinstellung zu Putin: Während die SPS sich zumindest hinter den verhalten reformorientierten Wirtschaftskurs des Kremls stellt, kritisiert Jabloko lieber die Tendenz zur Machtergreifung durch die Geheimdienst-Seilschaften in Putins Umgebung.
Alle anderen Parteien sind momentan unter „ferner liefen“ einzuordnen: Mit gegenwärtig 2 Prozent erster unter Gleichen ist die Agrarpartei, ein altbewährter Sputnik der Kommunisten für die Landbevölkerung – weshalb sie bei den letzten Wahlen mit 7 Direktmandaten gesegnet war. Ebenfalls in der Einprozent-Klasse am Tabellenende rangieren zwei Neugründungen von prominenten Abweichlern aus den Reihen der KPRF: Der wendige Duma-Abgeordnete Sergej Glasjew scharte in der „Volkspatriotischen Union Heimat“ eine ganze Reihe prominenter Gesichter um sich: Mit von der Partie sind der auch im Westen bekannte Außenpolitik-Ausschussvorsitzende Dmitrij Rogosin, der sowjetische Ex-Ministerpräsident Nikolaj Ryschkow, der Kommandeur der russischen Luftlandetruppen Georgi Schpak und Ex-Zentralbankchef Viktor Geraschtschenko.
Auch der bisherige Duma-Vorsitzende Gennadi Selesnjow hatte sich im Laufe der Legislaturperiode mit seinen Genossen überworfen, worauf er die „Partei der Wiedergeburt Russlands“ gründete. Sie tritt nun gemeinsam mit der „Partei des Lebens“ in einem Wahlblock an – wobei es sich bei dem Partner um die Privatpartei von Sergej Mironow, seines Zeichens Vorsitzender des Föderationsrates handelt. Trotz ihrer Prominenz haben die Chefs der beiden Parlamentskammern aber wohl kaum eine Chance, über Splitterpartei-Niveau herauszukommen.
Auf dem rangieren im übrigen die russischen „Grünen“ ebenso wie der Block „Neuer Kurs – Automobiles Russland“, die slawophile Partei „Rus“ oder ihre Konkurrenz „Für die Heilige Rus“. Aus dem Zwergen-Zirkel unvermittelt zu Erfolg gelangen könnte noch die Partei „Einigung“: Als bei der Zentralen Wahlkommission die Verlosung der Reihenfolge auf den Stimmzetteln anstand, spülte das Losglück „Einigung“ ausgerechnet auf den ersten Platz – während die namentlich so ähnliche Staatspartei „Einiges Russland“ (auch bekannt als „Einheit“) den unscheinbaren Listenplatz 20 zog. Wäre die Demokratie in Russland tatsächlich total vom Kreml ferngesteuert, wäre eine solche Panne sicher nicht passiert.
Wie am 7. Dezember am Ende die Prozentverteilung bei den „Zweitstimmen“ aussieht, ist für das Kräfteverhältnis in der Staatsduma aber nicht allein entscheidend: Denn so wird nur eine Hälfte der 450 Mandate vergeben. Die anderen Abgeordneten werden direkt in ihren Wahlkreisen gewählt – und das geht zumindest in der russischen Provinz kaum ohne vielzitierten „administrativen Ressourcen“ der lokalen Verwaltungschefs.

Daran, dass es keinen Wahlkampf gibt, sondern nur eine Abstimmungs-Motivierungsphase, ist ganz besonders das „Einige Russland“ interessiert. Die Partei überraschte mit der Ankündigung, an den zahlreichen für die Parteien kostenlosen Diskussionsrunden in drei landesweiten Fernsehsendern nicht teilnehmen zu wollen..

„Unsere Ideologie und Position bei den wichtigsten Fragen ist im Parteiprogramm dargelegt und wurde nicht nur einmal bekannt gemacht“, so der Chef des ER-Wahlkampfstabes Juri Wolkow. Man wolle statt „Karneval“ und „populistischer Auftritte im Äther“ lieber das persönliche Gespräch mit den Wählern suchen. Die Konkurrenz, die sich gerne Bataillen mit den staatstragenden Einheits-Russen geliefert hätte, fand süffisant ihre Gründe dafür: „’Einiges Russland’ hat Angst vor den Debatten, weil sie nichts zu sagen haben. Sie schämen sich für ihre Vertreter in der Staatsduma“, so Sergej Glasjew, Chef des linken Wahlblocks „Heimat“. Sergej Mitrochin, Vize-Chef der liberalen Partei „Jabloko“, glaubt, dass die von vielen Gouverneuren mitgetragenen ‚Einigen Russen’ statt auf Spontanität erfordernde Diskussionen im Wahlkampf lieber auf ihre „administrativen Ressourcen“ setzen. Den Schaden haben die Konkurrenten der Jasager-Partei aber dennoch: Ein mühsam ausgefeiltes Schema, welche der 23 Parteien sich wann mit wem im Studio treffen sollte, platzte – und es blieb nur noch eine Verlosung der Sendezeiten..

Einen solchen Teledebatten-Boykott hatte zuvor schon der Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow verkündet, der – ebenfalls am 7. Dezember – parallel in der Hauptstadt zur Wiederwahl antritt. Luschkow hat in der Tat keine ernsthaften Gegenkandidaten – und wie die Beamten-Partei ER genug Möglichkeiten, seine Errungenschaften via Fernsehbildschirm zu verkünden. Offenbar fürchten die unter den Bedingungen der russischen „gelenkten Demokratie“ schon designierten Sieger, sich im Freistil-Kampf um Wählerstimmer eher zu schaden als zusätzliche Gewinne einzufahren.

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Im neuen alten Glanz erstrahlt das Bolschoi-Theater nach einer sechs Jahre dauernden Renovierung. Die alte Pracht wurde erneuert, das Innere mit High-Tech gespickt. Ein nicht ganz unumstrittener "Upgrade" für die Bolschoi-Balett-Tradition. Im Vordergrund die Silhouette des Karl-Marx-Denkmals. (Topfoto: von RA-Leser Holger Bagusat)

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