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Am Mausoleum auf dem Roten Platz scheiden sich in Russland die Geister. Foto: /.rufo |
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Freitag, 21.04.2006
Russland streitet um Lenin und das MausoleumSt. Petersburg. Alle Jahre wieder
jährt sich am 22. April der Geburtstag des einstigen Führers des Weltproletariats. Und: Alle Jahre wieder wird gefordert, das Mausoleum zu schließen und Lenin zu begraben.
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Die Diskussion um die Mumie auf dem Roten Platz und den heidnischen Umgang mit ihr im dortigen Mausoleum zieht sich bald 20 Jahre hin. Sie ist ein Politikum ohnegleichen, denn an der Einschätzung der Leninschen Politik scheiden sich, auch 15 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion, die Geister.
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Während die Kommunisten selbstverständlich auf den Verbleib ihres ideologischen Vorbilds Wladimir Uljanow (Lenin) im Mausoleum bestehen, wollen liberale bis konservative Kräfte die Leiche so schnell wie möglich unter die Erde bringen. Sie begründen dies mit christlichen Werten, hinter denen aber ebenso ideologische Motive stehen für sie symbolisiert Lenin den Irrweg der russischen Geschichte.
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Historiker stimmen Lenin-Kritikern zu
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In den letzten Jahren war die Diskussion um Lenins Platz im Lande (im wortwörtlichen Sinne) immer wieder von Politikern verschiedener Couleur entfacht worden. In diesem Jahr meldeten sich im Vorfeld des 136. Geburtstages des Gründers des Sowjetstaates jedoch die Historiker zu Wort.
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Im renommierten Institut für russische Geschichte bei der Akademie der Wissenschaften kamen Experten zum Schluss, das moderne Russland sollte sich vollständig von den Symbolen der kommunistischen Vergangenheit trennen. Die Wissenschaftler empfehlen der Regierung, Lenins Leiche umzubetten und den Friedhof für die Vertreter der Sowjetepoche auf dem Roten Platz zu beseitigen.
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Die Historiker griffen in ihrer Einschätzung der historischen Rolle Lenins zu äußerst harten Worten, was sie in dieser Form niemals zuvor getan hatten. Da ist die Rede von sozialem Völkermord, den Lenin und Stalin gegenüber Millionen unschuldiger Menschen begangen hätten. Lenin habe das Land in die soziale, wirtschaftliche und geistige Sackgasse geführt und es von der zivilisierten Menschheit isoliert.
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Das Votum des Volkes
Und was sagt der gemeine Mann auf der Straße? Neueste Umfragen ergeben, dass die Hälfte der russischen Bürger Lenins Beisetzung auf einem Friedhof befürwortet. Dabei ist der Anteil der Gegner einer solchen Lösung mit 38 Prozent aber ebenfalls sehr hoch.
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Das Hauptargument der Befürworter beruht auf der christlichen Tradition, Leichen unter die Erde zu bringen. Die Gegner appellieren dagegen an das historische Gedächtnis, das nicht verletzt werden dürfte. Vergleichbare soziologische Untersuchungen der letzten Jahre zeigen übrigens die Tendenz der Abnahme der Befürworter einer Umbettung des Kommunistenführers.
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Der Patriarch hält sich bedeckt
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Eine schnelle Entscheidung ist also auch im 21. Jahr der Perestroika, die die ganze Diskussion einst losgetreten hatte, nicht zu erwarten. Zumal es genug Stimmen gibt, die zu Ruhe und Ausgewogenheit aufrufen. So äußert Alexi II., Patriarch der Orthodoxen Kirche, die Meinung: Heute dürfen keine Schritte unternommen werden, die unser Volk noch mehr entzweien
, davon gab es mehr als genug im letzten Jahrzehnt. All das trägt nicht zur Einheit des Volkes bei.
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Präsident Wladimir Putin bläst in dasselbe Horn: Wir brauchen eine Entscheidung, die von der überwältigenden Mehrheit der Bürger unterstützt wird, der Versöhnung und Einigung der Nation dient, und nicht der Spaltung.
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Wie es aussieht, wird Lenin also noch sehr lange in seiner Granitgruft auf dem Roten Platz verbleiben. Und die Öffentlichkeit wird sich weiter an diesem Thema erregen, alle Jahre wieder
(sb/.rufo)
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