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Die Tupolew-154 wurde erst beim Aufprall auf der Erde in Stücke gerissen (Foto: vesti/newsru) |
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Mittwoch, 23.08.2006
Tupolew: Gescheiterte Notlandung nach BlitzschlagSt. Petersburg. Noch gibt der Absturz der Tupolew-154M in der Ostukraine Rätsel auf: Die Maschine stürzte aus über zehn Kilometer Höhe ab. Offenbar versuchte die Besatzung mit dem beschädigten Jet eine Notlandung.
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An der Unfallstelle konzentrieren sich die Arbeiten auf die Suche nach den Flugschreibern und die Bergung der 170 Opfer der Katastrophe. Uber 300 ukraninische Experten sind im Einsatz. Am Morgen bekamen sie Verstärkung durch eine Kolonne des russischen Katastrophenschutzes und aus Moskau eingeflogene Mannschaften.
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Heimreise aus dem Urlaub endete in der Katsstrophe
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Fest stehen bisher nur die äußeren Umstände des Unglücksflugs: Die im russischen Schwarzmeer-Badeort Anapa gestartete Maschine befand sich im Transit im Luftraum der Ukraine, um mit Nordkurs St. Petersburg anzusteuern. An Bord waren 160 Passagiere, darunter 45 Kinder und zehn Besatzungsmitglieder: Auch wenn es ein Linienflug war, so waren doch in erster Linie heimkehrende Urlauber an Bord.
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Im Raum von Donetzk stieß die Maschine auf eine heftige Gewitterfront. Die Besatzung versuchte offenbar das Gewitter in maximaler Höhe zu überfliegen. Was dann geschah, ist bis zur Auswertung der Flugschreiber offen: Möglich wäre, dass die Maschine von einem Blitz getroffen und dabei beschädigt wurde oder dass extreme Turbulenzen sie in ein sogenanntes Luftloch warfen. Auch der Ausbruch von Feuer an Bord wird vorerst als Version gehandelt.
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Drei Funksprüche aus dem defekten Flugzeug
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Jedenfalls verschwand die Maschine zwei Minuten, nachdem die Crew aus 11.600 Meter Höhe einen SOS-Ruf abgesetzt hatte, von den Radarschirmen. Angeblich wurde einige Sekunden später ein zweiter Notruf aus 10.000 Meter aufgefangen, wobei die Crew von starken Turbulenzen berichtete. Bei einem dritten Funkspruch war die Tupolew noch 3.000 Meter hoch. Was die russischen Piloten dabei dem ukrainischen Lotsen mitteilen wollten, war aber nicht verständlich, sagte ein Vertreter der Airline Pulkovo gegenüber den im Petersburger Flughafen versammelten Angehörigen.
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Dies spricht dafür, dass die Maschine extrem schnell an Höhe verlor, aber nicht in der Luft auseinander brach. Auch wurde das Wrack am Boden kompakt an einer Stelle aufgefunden.
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Crew suchte eine geeignete Stelle zum Aufsetzen
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Zeugen sagten an der Unfallstelle aus, dass die Maschine noch kreisend versuchte, eine Notlandemöglichkeit zu finden. Ein kontrollierter Anflug und sei es ohne ausgefahrenes Fahrwerk zu einer Bauchlandung auf einer geeigneten freien Fläche gelang der Besatzung jedoch nicht: Die möglicherweise nicht mehr voll steuerfähige Maschine prallte in einem leicht bewaldeten Trockental zwischen offenen Feldern auf.
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Bewohner des Dorfes Stepnoje berichteten, der Jet sei erst in etwa 150 Meter Höhe aus den niedrig hängenden Wolken aufgetaucht und hätte noch in dieser Höhe Schwenkmanöbver ausgeführt. Beim Aufsetzen hätte sich jedoch der Bug in die Erde gebohrt und die Maschine sei explodiert.
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Flugzeug war 14 Jahre alt
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Widersprüchlich waren die Berichte darüber, ob die Tupolew schon in der Luft brannte. Nach dem Aufschlag brach jedenfalls ein starkes Feuer aus, dass von Insassen wie Fluggerät wenig übrig ließ. Die Maschine war 1992 gebaut worden und 2001 generalüberholt worden, weshalb sie technisch in gutem Zustand gewesen sei, teilte die Fluggesellschaft mit. Pulkovo Airlines hatte sie damals aus China gebraucht zurück gekauft.
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Tu-154: Ungewöhnliche Abstürze mitten im Reiseflug
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Üblicherweise geschehen die meisten Flugzeugunglücke bei Start oder Landung. Der Reiseflug in meist über 10 Kilometer Höhe gilt in der Luftfahrt als die sicherste Phase des Fluges. Doch mit dem als Arbeitspferd der russischen Luftfahrt geltenden Tu-154 geschahen die letzten drei Katastrophen gerade mitten im Flug allerdings nie aus Gründen, für die die Besatzung oder die Technik des Flugzeugs verantwortlich war:
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Vor fast genau zwei Jahren stürzte eine Tu-154 der Gesellschaft Sibir über Südrussland ab, nachdem eine tschetschenische Terroristin an Bord eine Bombe gezündet hatte. 2002 kollidierte bei Überlingen in Deutschland eine russische Maschine dieses Typs wegen eines Lotsenfehlers mit einer US-Frachtmaschine.
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Ukrainische Armee will diesmal nicht schuld gewesen sein
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Parallelen weist das aktuelle Unglück auch mit einem ungewöhnlichen Flugzeugunglück vor fünf Jahren auf: Damals schoss das ukrainische Militär bei einem Manöver mit Luftabwehrraketen vor der Krim versehentlich eine Tu-154 der russischen Gesellschaft Sibir ab. Das Kiewer Verteidigungsministerium sah sich deshalb zu der Aussage genötigt, dass im Gebiet Donetzk keine Übungen stattgefunden hätten und das Militär deshalb mit dem Absturz nichts zu tun habe.
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Auch wenn die ukrainischen wie russischen Behörden einen Terrorakt schnell ausschlossen, wäre theoretisch der Ausbruch von Feuer an Bord auch mutwillig herbeizuführen - man denke nur an die Pläne der in London aufgebrachten Terrorverschwörung. Allerdings ist es wenig wahrscheinlich, dass ein solcher Anschlag gerade in einer Gewitterfront stattfindet.
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(ld/.rufo)
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