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Freiwilliges Soziales Jahr im Moskauer Krankenhaus - Andrea, Simone und Andre (Foto: Brixa/.rufo) |
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Donnerstag, 28.04.2005
Ein ganz normales Moskauer Krankenhaus von innenMoskau. Andrea (20), Simone (19) und Armin (20) machen ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Moskauer Krankenhaus. Sie sprachen mit aktuell.RU über ihre Arbeit, ihre Angst vor Aids und ihr Leben in Russland.
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aktuell.RU:Wie sieht ein typischer Arbeitstag für euch aus?
Armin: Ich hab echt die billigste Arbeit. Patienten auf andere Stationen bringen, Handschuhe waschen, ins Leichenhaus, viel putzen, Spritzen zählen. Und Salfetki (Servietten) schneiden natürlich!!
Simone: Das machen wir alle, wenn nichts los ist!
Armin: Putzen. Viel putzen.
Simone: Viele Hol- und Bringdienste. Blut- und Blutplasma holen, Betten und Leichenliegen saubermachen.
aktuell.RU: Leichenliegen?
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Armin:Ja. Unser höchster Schnitt waren sechs Leichen in sechs Stunden. So viele Liegen haben wir gar nicht. Dann werden die Leute auf den Gang gelegt, wo alle Besucher vorbeilaufen.
Andrea: Wir sind es alle gewöhnt, Tote zu sehen. Früher haben wir sie selbst in den Keller gebracht, jetzt machen das die Ochrana (Sicherheitsdienst). Und die lassen sich Zeit. Manchmal liegt eine Leiche noch vier Stunden auf der Station, riecht schon und ist ganz blau.
aktuell.RU: Seid ihr eine wirkiche Hilfe im Krankenhaus?
Armin: Ich glaube schon. Bei mir auf der Station sind echt nette Schwestern. Ich darf viele medizinische Tätigkeiten selbst machen.
Andrea: Ich will das nicht! Da würde ich bestimmt umkippen.
Armin: Ich fand’s ganz interessant. Einläufe und Katheter legen, Spritzen geben. Das ist halt dreckige Arbeit, mit der Routine wird man aber immer besser. Das dürfte man in Deutschland gar nicht. Wir haben ja alle gar keine Ausbildung.
aktuell.RU: Hattet ihr schon Erfahrungen mit der Pflegearbeit im Krankenhaus?
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Armin: Nein, keiner von uns. Wir hatten Vorbereitungsseminare in Deutschland. Dort konnte man aus fünf möglichen Einsatzorten wählen: Krankenhaus, Altenpflege, Berufsschule, Kinderheim und Kinderkrankenhaus. Und ein Gesundheitszeugnis mussten wir dann noch machen: Einen Film über Hygiene angucken und das war’s!
Andrea: Ich wollte auf keinen Fall ins Krankenhaus. Ich kann doch kein Blut und keine Spritzen sehen! Aber in der Berufsschule war es so langweilig. Dagegen ist die Arbeit im Krankenhaus für mich sinnvoll. Ich wurde allerdings zuerst in die Neurologie geschickt und da direkt mit meiner ersten Leiche begrüsst. Dort liegen die Toten oft einfach auf dem Gang.
aktuell.RU: Ist das auf allen Stationen so?
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Armin: Zum Glück nicht. Auf der Neurologie-Station werden die Patienten nicht gewaschen und nicht gepflegt. Auf meiner Station ist das anders. Dort kommen auf eine Schwester vier Patienten, was echt ein Superschnitt ist. Auf der Neurologie dagegen sind drei Schwestern für 60 Leute da.
aktuell.RU: Was für Patienten hast Du auf deiner Station?
Armin: Ganz normale Leute. Wir sind ein durchschnittliches Krankenhaus. Oft haben wir aber megaviel Arbeit mit unseren Patienten. Die Alkoholiker sind meistens angekettet, weil sie ins Delirium fallen können. Dann funktioniert die Bauchspeicheldrüse nicht, es gibt eine Vergiftung im Gehirn und die Leute sind für drei Tage nicht klar. Einmal ist uns einer abgehauen, wir mussten uns zu sechst auf ihn werfen und ihn ruhig stellen. Nach ein paar Tagen war er dann wieder total da und ganz nett.
aktuell.RU: Werdet ihr hier vor Ort betreut?
Armin: Alle zwei Monate kommen Verantwortliche aus Deutschland, die uns auch unser Gehalt geben - monatlich 155 Euro. Und unsere WG wird finanziert. Ein Seminarwochenende in Sibirien hatten wir dann noch. Und eine Partnerorganisation in Moskau ist rund um die Uhr für uns da.
Andrea: Wir haben in Sibirien einen Einblick in die Jugendarbeit bekommen. Einfach geil! Da könnte sich manche deutsche Stadt noch was abgucken.
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aktuell.RU: Habt ihr Angst vor Infektionskrankheiten?
Armin: Ja. Sehr. Wir stechen uns oft mit Spritzen, beim Müll rausbringen zum Beispiel. Es gibt da einen Trick: Die Spritzenhülle auf den Tisch legen, die gebrauchte Spritze reinschieben. Wir wussten das nicht, das hat uns keiner gezeigt. So haben wir die Spritze erst einfach so zusammengesteckt und uns die Nadel in den Finger gestochen. Hier kann man alles kriegen- HIV, Syphillis, Hepathitis C, alles. Und es bleibt nicht immer Zeit, Schutzhandschuhe anzuziehen.
Andrea: Oft kommt man nicht dazu. Man kriegt den Katheter einfach in die Hand gedrückt. Es sind eben überall Flüssigkeiten. Und alle Schläuche liegen in offenen Flaschen!
Armin: Außerdem habe ich gerade noch eine Allergie. Dadurch, dass ich mit einem alten Besen die Decken von Blut reinige und das Chlorwasser dabei in mein Gesicht spritzt, wird das nicht unbedingt besser.
Simone: Ich habe heute immerhin einen neuen Kittel bekommen. Durch das Reinigen der Dialyse-Geräte war ich von unten bis oben voller Blut. Ansonsten waschen wir unsere Klamotten einmal pro Woche - bei uns im Wohnheim.
Armin: Vielleicht sollten wir mal alles abkochen.
Andrea (stöhnt): So viel Arbeit!!
aktuell.RU: Macht ihr in Deutschland, wenn ihr zurückkommt, einen HIV-Test?
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Armin: Ja. Und ich habe Angst vor dem Ergebnis. Es ist doch alles aus, wenn Du so eine Krankheit hast. Na klar macht es Spaß, hier zu arbeiten- wir haben viel Freizeit, können rum fahren, Russland kennen lernen. Aber wenn die dann sagen: „positiv“? Es ist wahrscheinlicher als je zuvor, dass wir solche Krankheiten haben. Man kann aufpassen, wie man will. Es passiert einfach.
Das Gespräch, das Anna Brixa führte, wird in den nächsten Tagen bei aktuell.RU: fortgesetzt.
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(Topfoto: Archiv/.rufo)
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