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"Glatzen" im Moskauer Dynamo-Stadion - eine Szene aus dem Film. (Foto: ak/.rufo) |
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Mittwoch, 08.04.2009
Film Russland-88 über den Neonazismus sprechenMoskau. Der Film Russland-88 war bei der Berlinale dabei und wird bald in den russischen Kinos erwartet. Er spricht ein Thema an, das offiziell kaum als großes Problem anerkannt wird Neonazis im heutigen Russland.
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Eine der ersten Szenen in diesem Film von Pawel Bardin beginnt mit dem Anblick einer kleinen Brücke in einem stillen Moskauer Stadtviertel. Ein Dutzend kahlköpfiger junger Männer betritt die Brücke von zwei Seiten. Sie strecken den rechten Arm aus und rufen sich Heil Hitler! zu.
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Plötzlich hört man die Stimme des Kameramanns: Stopp, macht dasselbe noch mal! Der Mann hinter der Kamera, Edik, ist Mitglied dieser Neonazi-Gruppe, die sich Russland-88 nennt. Er dreht propagandistische Videoclips, um sie auf rechtsextremen Internet-Seiten zu veröffentlichen.
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Gleichzeitig fixiert seine Amateurkamera viele Momente aus dem Leben innerhalb der Gruppe. Denn Edik ist dem charismatischen Anführer Blade treu ergeben und folgt ihm mit der Kamera überall hin: bei Streifzügen in Migrantenviertel und bei Versammlungen und Partys im versteckten Keller.
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Allmählich setzen sich die einzelnen Aufnahmen zu einer tragischen Geschichte zusammen: Blade hat erfahren, dass sich seine Schwester mit einem kaukasischen Mann trifft.
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Solche Geschichten spielen sich hier und heute ab
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In dieser Homevideo-Technik ist der ganze Film Russland-88 gehalten. Ich wollte zeigen, dass solche Geschichten durchaus real sind und sich hier und heute abspielen, erzählt der 34jährige Regisseur, der bis dahin nur einige Komödien gedreht hatte.
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Pawel Fjodorow spielt den Anführer Blade. (Foto: ak/.rufo) |
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Gekünsteltheit kann man dem Film kaum vorwerfen. Pawel Bardin und der Blade-Darsteller Pjotr Fjodorow hatten auf der Suche nach authentischen Liedern, Sprüchen und Kleidung monatelang nationalistische Websites durchforstet. Mehrere Leute aus der Drehgruppe brachten sogar eigene Erfahrungen in der rechtsextremen Szene mit, so Bardin.
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Auch der Name des Films und der erfundenen Neonazi-Gruppe hat einen wahren Hintergrund: Mit der Zahl 88 verschlüsseln heutige Rechtsextreme die Formel Heil Hitler, nach der Zahl des Buchstabens H im Alphabet.
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Seit letzter Woche ist der Film im russischen Verleih
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Die erste öffentliche Schau von Russland-88 fand im Februar zugleich bei zwei Filmfestivals statt: auf der Berlinale und dem Feuergeist in Chanty-Mansijsk. Seit letzter Woche hat der Film auch eine Verleihlizenz für Russland. Sein weiteres Verleihschicksal ist jedoch noch unklar.
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Der Regisseur gibt zu, er habe bis jetzt keine festen Verträge mit den Kinoketten. Einige Filmkritiker bezweifelten schon, dass der Film bei Kinogängern und folglich auch Verleihern auf Interesse stoßen würde. Das Thema ist ihrer Meinung nach für die angepeilte Zielgruppe junge Menschen zu wenig bewegend.
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Diskussion über Rechtsextremsmus bleibt immer noch aus
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Bardin hat inzwischen mit einzelnen kleineren Kinos wie Rolan und Cinefantom in Moskau sowie einigen Hochschulen vereinbart, Russland-88 dort zu zeigen. Das Format der Schau soll es erlauben, dass die Zuschauer im Anschluss immer direkt mit der Drehgruppe diskutieren können.
Wir hoffen aber, den Film nicht nur Arthouse-Liebhabern zeigen zu können, sondern mit ihm zu einer breiten Diskussion über nationalistische Tendenzen in der Gesellschaft beizutragen, sagt Bardin.
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Bis heute bleibt eine solche Diskussion auf staatlicher Ebene aus. Der Film schließt allerdings eine reale Umfrage ein, die die Schauspieler unter den Moskauern durchführten. Fast alle Befragten waren zur Verwunderung der Darsteller mit der Aussage Russland nur für Russen einverstanden.
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Am Schluss dieses als Doku gemachten Spielfilms zieht mit Musikunterlegung eine lange Liste mit überwiegend tadschikischen und usbekischen Namen über die Leinwand von insgesamt 96 Menschen, die laut Statistik im Jahre 2008 landesweit von Rechts- extremen ermordet wurden.
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