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Trauer um einen Freund: Linke Skinheads demonstrieren Unter den Linden (Foto:fh/.rufo) |
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Sonntag, 19.10.2008
Protest in Berlin gegen rechte Gewalt in RusslandBerlin/Moskau. Etwa 50 junge Menschen haben in Berlin vor der russischer Botschaft gegen die anhaltende rechtsextreme Gewalt in Russland protestiert. Anlass war der Messer-Mord an einem Moskauer Antifaschisten.
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Die Red and Anarchist Skinheads Berlin-Brandenburg hatten am Freitag zum Gedenken an Fjodor Filatow aufgerufen, einem antifaschistischen Skinhead aus Moskau, der vor einer Woche vor seinem Wohnhaus gezielt getötet worden war. Erst kürzlich hatte der Ermordete Freunde in Berlin besucht.
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Diese legten nun Blumen und Kerzen vor einem Bild des Getöteten ab und forderten vom russischen Staat wirksame Maßnahmen gegen die rechtsextreme Gewalt gegenüber Nicht-Russen und Andersdenkenden.
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Fjodor Filatow bei seinem Berlin-Besuch im Februar diesen Jahres. Der Reichstag gilt in Russland als das Symbol des Sieges über den Faschismus. (Foto: RASH BB) |
Gezielter Angriff auf Antifaschisten
Als Filatow gegen 7.30 Uhr am 10. Oktober sein Wohnhaus im Moskauer Nordosten verließ, wurde er von mehreren Männern mit Messern attackiert. Eine Chance sich zu wehren oder auch nur um Hilfe zu rufen, hatte Filatow nicht. Innerhalb von Sekunden war alles vorbei, die Angreifer mit einem Auto verschwunden. Sie hätten nichts gehört, gaben Nachbarn später zu Protokoll. In einem Moskauer Krankenhaus starb der 27-jährige zwei Stunden nach dem Angriff.
Die Moskauer Behörden ermitteln wegen Mordes, haben sich zu möglichen Hintergründen aber bislang nicht geäußert. Doch Freunde von Filatow gehen davon aus, dass die tödliche Attacke auf das Konto rechtsextremer Täter geht.
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Denn das Opfer war in der antifaschistischen Szene der russischen Hauptstadt engagiert und dort unter dem Spitznamen Fedjay bekannt. Er bekannte sich offen zu den Moscow Trojan Skins, antirassistischen SHARPs (Skinheads against racial prejudice/Skinheads gegen rassistische Vorurteile), die der Vereinnahmung ihrer Subkultur durch rechtsradikale Gewalttäter etwas entgegen zu setzen suchen.
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Schon alltägliche Gewalt von rechts
Die Gewalt vom rechten Rand ist in russischen Städten zur alltäglichen Bedrohung vor allem für kaukasisch oder asiatisch aussehende Menschen geworden. Das Informations- und Analyse-Zentrum SOVA führt auf seiner Webseite ein Monitoring zu radikal-nationalistischen Aktivitäten. Es liest sich wie ein Protokoll des Grauens.
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Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht gewaltsame Übergriffe auf Migranten in Verkehrsmitteln und auf offener Straße vermeldet werden. Fast wöchentlich kommt es in Folge dieser Angriffe, die oft gruppenweise von mit Messern bewaffneten jungen Männern verübt werden, zu Todesfällen.
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Die Fahne Moskaus und der Skinheads gegen Rassismus vor der Berliner Botschaft der Russischen Förderation. (Foto: fh/.rufo) |
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Das harte Durchgreifen der Behörden gegen einzelne paramilitärisch organisierte Gruppen hat in den vergangenen Jahren die Gewalt genau so wenig stoppen können wie die Ächtung von Skinheads in den Medien.
Neben Nicht-Russen trifft die Gewalt auch Angehörige der Punk-, Hardcore- und der SHARP-Szene. In den letzten Jahren wurden dort Stimmen laut, dem dominanten Auftreten von Rechtsradikalen auf den eigenen Konzerten etwas entgegenzusetzen. Bis dahin hatten Musiker und Publikum Neonazis toleriert. Als einige Bands begannen, sich offen gegen Rassismus auszusprechen, wurden deren Konzerte und Fans von Schlägertrupps attackiert. Um den Selbstschutz zu organisieren entstanden lokale Antifa-Zusammenhänge.
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Antifa in Russland ist keine geschlossene Bewegung
Zwar ist in russischen Medien immer mal von einer Antifa-Bewegung zu lesen, doch handelt es sich eher um unabhängig voneinander agierende Kleingruppen, die über persönliche Kontakte locker miteinander vernetzt sind. Von gemeinsamen Strukturen, koordiniertem Vorgehen oder gar einer Strategie kann nicht die Rede sein.
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Über den kleinsten gemeinsamen Nenner der Abwehr von Angriffen auf eigene Veranstaltungen und Konzerte gehen die Gemeinsamkeiten oft nicht hinaus. Da sie politisch diffus und organisatorisch nicht fassbar ist, kommt es kaum zur Zusammenarbeit zwischen der Antifa und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren. Besondere Wirksamkeit ist deshalb nicht zu erzielen.
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Neonazi-Abwehr mit den Methoden des Gegners?
Neben Aktionen wie dem Sprühen von Graffiti oder dem Anbringen von Aufklebern erscheint vielen Antifas physische Gewalt als akzeptables und wirksames Mittel in der Auseinandersetzung mit dem Gegner. So gingen nach der handfesten Verteidigung von Moskauer Hardcore-Konzerten die Angriffe darauf spürbar zurück und Antifas ihrerseits gegen Treffpunkte der Rechten vor.
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Die Faschos, die wegen ihrer Überzeugungen etwas abkriegen, denken vielleicht darüber nach, erklärt ein Moskauer Aktivist die schlichte Taktik, doch wir wollen niemanden schwer verletzen und um Gottes Willen niemanden töten.
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Doch trotz einzelner Erfolge im Straßenkampf stehen die Aktivisten gesamtgesellschaftlich betrachtet nach wie vor auf verlorenem Posten. In einer Millionenstadt wie Moskau lassen sich zu Demonstrationen lediglich ein paar wenige hundert Unterstützer mobilisieren.
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Der Gegner ist übermächtig, kaltblütig und gewaltbereit
Ihnen gegenüber steht eine große, wenn auch zerstrittene Szene aus rechtsradikalen Gruppen und Parteien sowie die Anhängerschaft mehrerer großer Fußballvereine, die als bevorzugte Rekrutierungsmasse von Organisationen wie der DPNI (der rechtsextremen Bewegung gegen illegale Einwanderung) gilt.
Und es fehlt den Antifas wohl auch an der menschenverachtenden Kaltblütigkeit der Gegenseite, die den Einsatz gefährlicher Waffen und deren Folgen immer wieder in Kauf nimmt.
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Die Fixierung auf Gewalt und Kampf wird inzwischen auch innerhalb der russischen Antifa-Szene als Übernahme von Werten der Gegenseite kritisiert. Der Krieg von beiden Seiten in unzähligen brutalen Clips bei Videoportalen wie youtube dokumentiert sei nicht zu gewinnen und spiele nur dem Gegner in die Hände.
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Die Umstände des Todes von Fedor Filatov haben das auf erschreckende Weise erneut vor Augen geführt, markieren sie doch eine neue Eskalation des Konfliktes.
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Denn offenbar wurde neben seiner Adresse auch der Zeitpunkt seines Aufbruchs zur Arbeit vorher in Erfahrung gebracht. Die Botschaft der Neonazis ist eindeutig: Wer gegen uns ist, stirbt.
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(Felix Herrmann/.Berlin/.rufo)
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