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Frank-Walter Steinmeier in Moskau - nicht nur bei warmem Wetter (Foto: Mrozek/RUFO) |
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Samstag, 11.12.2010
Doku: Rede Frank Walter Steinmeiers in JekaterinburgJekaterinburg. Anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität von Jekaterinburg hielt Frank-Walter Steinmeier, Vorsitzender der Bundestagsfraktion der SPB eine lesenswerte Rede über Schritte zur Modernisierungspartnerschaft. Hier die Dokumentation.
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Rede des Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Frank-Walter Steinmeier, an der Boris-Jelzin-Universität Jekaterinburg aus Anlass der Verleihung der Ehrendoktorwürde am 10. Dezember 2010
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Was zu tun ist! Die deutsch-russische Modernisierungspartnerschaft von der Vision zur Wirklichkeit
Sehr geehrte Magnifizenz, sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrter Herr Gouverneur, meine Damen und Herren,
Ein russischer Journalist hat einmal gesagt: Für Ausländer gibt es in Russland nur zwei Städte, St. Petersburg und Moskau der Rest ist Sibirien.
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Wie beschränkt diese Sicht ist, lernt jeder Ausländer, der hierher nach Jekaterinburg kommt. Mein letzter Besuch in Ihrer Stadt liegt zweieinhalb Jahre zurück und ich habe ihn noch in guter Erinnerung. Ich bin sehr froh, wieder hier zu sein, hier in Jekaterinburg, hier an dieser Universität.
Nicht nur, weil mir heute eine Auszeichnung zuteil wird, die mich zutiefst ehrt, die mich mit Stolz erfüllt und für die ich mich von Herzen bedanken möchte. Sondern auch, weil ich damals Jekaterinburg als eine pulsierende, aufstrebende Stadt kennengelernt habe, als einen Ort, wo das neue Russland entsteht.
Und gleichzeitig ein Ort mit großer russisch-deutscher Vergangenheit! Heute Morgen bin ich am alten historischen Stadtzentrum vorbeigefahren. Dort steht das Denkmal der beiden Gründer dieser Stadt, Tatischew und Georg Wilhelm de Gennin. Die Gennins (oder Hennings, wie sie im Deutschen hießen, kommen aus der Region Westfalen im Herzen Westdeutschlands, die auch meine Heimat ist. Und Gennin ist genau in der Stadt Siegen geboren, die zufälligerweise auch der Geburtsort meiner Frau ist.
Gennin ist unter Peter dem Großen nach Russland gekommen, hat hier eine glänzende Karriere gemacht und als krönender Abschluss seines Wirkens diese Stadt mitgegründet, die Uralregion für den Bergbau erschlossen und dafür gesorgt, dass hier ein blühendes Zentrum der russischen Metallurgie und Metallverarbeitung entstand.
Vor zweieinhalb Jahren habe ich viel gesehen von dieser Stadt und doch war es kein touristischer Besuch.
Hier, an dieser Universität, habe ich im Frühjahr 2008 ein ambitioniertes Programm für die gemeinsame Zukunft unserer beiden Länder, das Programm einer deutsch-russischen Modernisierungspartnerschaft vorgestellt. Ich habe das ganz bewusst hier getan, in Jekaterinburg, und nicht in Moskau oder St. Petersburg. Denn es war und ist meine feste Überzeugung: Der Geist des Aufbruchs und der Erneuerung muss das gesamte Land erfassen, wenn die Modernisierung Russlands gelingen soll.
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Wir haben großartige Möglichkeiten, die Zukunft gemeinsam zu gestalten, in allen politischen und wirtschaftlichen Bereichen. Wir können Energie effizienter einsetzen, beim Klimawandel zusammenarbeiten, die Gesundheitstechnik voranbringen, die Erträge in der Landwirtschaft steigern. Wir können in Bildung, Wissenschaft und Innovation eng zusammenarbeiten, aber auch im Bereich von Rechtstaatlichkeit, Demokratie und Justiz stärker kooperieren.
Vision der Modernisierungspartnerschaft
Die Vision dieser Modernisierungspartnerschaft, die ich damals vorgeschlagen habe, fußte auf meiner festen Überzeugung, dass die Staaten der Europäischen Union und Russland nicht nur eine gemeinsame Vergangenheit, sondern vor allem eine gemeinsame Zukunft haben. Aber diese gemeinsame Zukunft entsteht nicht von selbst. Sie braucht Menschen, die vorangehen. Darum sage ich: Wer weitsichtig denkt und strategisch handelt, der muss dafür sorgen, dass aus diesen Worten auch Taten werden. Das ist mein Appell, meine Botschaft an alle, die diese gemeinsame Zukunft wirklich wollen!
Einen Eindruck davon, wie das konkret gelingt, habe ich heute gewonnen. An einem Tisch mit Herrn Minister Schmatko, mit Herrn Gouverneur Mischarin, den beiden Vorsitzenden der deutschen und der deutsch-russischen Energieagentur und Vertretern deutscher und russischer Unternehmen.
Gemeinsam haben wir über die wirtschaftliche Entwicklung dieser Region diskutiert. Und ich habe mich gefreut zu hören, wie großartig die Zusammenarbeit zwischen deutschen und russischen Unternehmen hier in dieser Region funktioniert. Auch Präsident Medwedew hätte sich gefreut.
Er hat in seiner jüngsten Rede an die Nation das Ziel bekräftigt, die Energieeffizienz der russischen Wirtschaft binnen 10 Jahren um 40 Prozent zu steigern. Ein sehr ehrgeiziges Ziel! Aber es ist erreichbar, und der Beweis dafür wird gerade in Jekaterinburg, in der Uralregion, erbracht. Was hier, im Herzen Russlands stattfindet, kann beispielhaft sein für das ganze Land!
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Ich erinnere mich auch: Damals, im Jahr 2008, stieß die Idee einer Modernisierungspartnerschaft keineswegs überall auf ungeteilte Zustimmung. Nicht wenige in Europa, Deutschland eingeschlossen, haben mich heftig kritisiert. Die Idee einer Modernisierungspartnerschaft erschien ihnen naiv, schon der Begriff Partnerschaft ging vielen zu weit.
Für mich sprach aus dieser Kritik nichts anderes als ein Mangel an politischer Weitsicht und Mut. Auch ich weiß, dass Europa und Russland nicht in allen Fragen mit einer Stimme sprechen.
Aussenpolitische Konflikte
Es gibt außenpolitische Konflikte, wo wir unterschiedlicher Auffassung sind. Und vieles am politischen System in Russland entspricht nicht unseren Vorstellungen von Demokratie und Rechtstaatlichkeit. Darüber muss man reden, und darüber kann man reden ernsthaft, offen und im gegenseitigen Respekt. Was Russland will, wird in Russland entschieden.
Aber man darf über allem, was noch zwischen uns steht, nicht die große historische Chance verpassen, die sich in dieser Form nicht wiederholen wird: Das moderne Russland bekennt sich zu seinen europäischen Wurzeln, zur gleichberechtigten Partnerschaft mit Europa, zu einer gemeinsamen Zukunft.
Das ist keine Selbstverständlichkeit, und dieses Fenster wird nicht ewig offen stehen. Mein Appell an Sie alle ist: Machen wir etwas daraus! Ergreifen wir gemeinsam diese Chance im Interesse Europas und im Interesse Russlands!
Die Welt erlebt rasante Veränderungen, Veränderungen die man in ihren globalen Auswirkungen gar nicht überschätzen kann. Die unterschiedlichen Weltregionen wachsen immer schneller zusammen.
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Handelsströme haben sich in wenigen Jahren vervielfacht, die Kommunikation zwischen Erdteilen erfolgt in Echtzeit, geographische Grenzen verlieren an Gewicht. Die Welt wird neu vermessen, die politischen, demographischen und wirtschaftlichen Gewichte verschieben sich. Wo spürt man besser als hier, an der Grenze zwischen Europa und Asien!
Europa und Russland brauchen sich gegenseitig, auch in der Weltpolitik
Europa unter Einschluss Russlands war daran gewöhnt, im Zentrum der Welt zu stehen. Und wir lernen gerade, jeder auf seine Art, dass diese herausgehobene Stellung keine gottgegebene Tatsache ist.
Ganz gleich, ob wir große Nationalstaaten wie Russland oder ein Staatenverbund wie die Europäische Union sind - uns fallen unser politischer Einfluss und unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht in den Schoß.
Gerade die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise hat uns gezeigt, wie verwundbar unsere Volkswirtschaften sind. Auch deshalb sage ich: Wir brauchen einander mehr als je zuvor. Europa braucht Russland. Dauerhafte und verlässliche Sicherheit und Stabilität in Europa und unseren Nachbarregionen sind ohne Russland nicht denkbar.
Russland ist unser Hauptenergielieferant und ein wichtiger Wirtschaftspartner. Aber auch umgekehrt gilt: Russland braucht Europa. Es sind gewaltige Aufgaben, vor denen Ihr Land steht.
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Präsident Medwedew und Premierminister Putin haben eine anspruchsvolle Modernisierungsagenda formuliert. Und dabei wird Ihr Land auf verlässliche, langfristig denkende Partner angewiesen sein.
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Teil 2 der Dokumentation Steinmeier-Rede "deutsch-russische Modernisierungs-partnerschaft" am 10.12.2010 in Jekaterinburg
Teil 3 der Dokumentation Steinmeier-Rede "deutsch-russische Modernisierungs-partnerschaft" am 10.12.2010 in Jekaterinburg
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