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Frank/Walter Steinmeier während seiner Rede zu deutschen Russlandpolitik vor Studenten der Universität Jekaterinburg (Foto: AA/Archiv) |
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Dienstag, 20.05.2008
Steinmeier-Rede: Modernisierungspartnerschaft (Teil 2)Berlin/Moskau/Jekaterinburg. Russland-Aktuell dokumentiert die Rede es Bundesaussenministers Frank-Walter Steinmeier im Wortlaut. Hier der zweite Teil.
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Der erste Teil der Rede ist hier zu finden >>>
Für eine deutsch-russische Modernisierungspartnerschaft
Redemanuskript. Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrte Magnifizenz,
sehr geehrte Damen und Herren,
darum bin ich hier in Jekaterinburg. Ich will ihnen sagen, dass wir Deutsche und Europäer begriffen haben: Russland endet nicht mehr am Autobahnring in Moskau. Immer mehr deutsche Firmen haben die großartigen Chancen erkannt, die ein verstärktes Engagement in den russischen Regionen bietet. Von den 4.600 deutschen Unternehmen in Russland sind immer mehr auch hier in der Uralregion tätig.
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Deutsche Unternehmen wissen: Hier am Ural ist das Kraftzentrum Russlands. Hier werden 60 Prozent des Erdöls und 90 Prozent des Erdgases gefördert. Der grösste Titanhersteller der Welt beliefert von hier aus auch die europäische Flugzeugindustrie (Airbus 380). Deutsche Firmen sind im Ural in vielen Bereichen engagiert: In der Metallurgie, bei der Modernisierung von Energiekraftwerken bis hin zur Erschließung der Infrastruktur. Auch das hat dazu beigetragen, dass der Handel zwischen unseren beiden Ländern rapide gestiegen ist!
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Sie leben hier an einem Knotenpunkt zwischen Europa und den Wachstumsmärkten in Asien. Ist es nicht faszinierend, was wir gemeinsam daraus machen können? Denken wir nur an die transsibirischen Schienenwege! Das joint venture Trans-Eurasia, das die deutsche und die russische Bahn im letzten Jahr abgeschlossen haben, schafft die Möglichkeit, die rapide wachsenden Handelsströme zwischen Deutschland und Russland bis nach China zu verlängern. Für Jekaterinburg entstehen neue Chancen, weil es zum Zentrum für Logistik und Verteilung von Waren wird. Das ist ein Stück Zukunft, das wir gemeinsam errichten können!
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Anrede,
und darum sage ich mit Blick auf diese Region und ganz Russland: Definieren wir unsere gemeinsamen Interessen und entwickeln daraus eine gemeinsame Agenda in den deutsch-russischen Beziehungen! Eine Agenda, mit der wir die Zusammenarbeit auf bewährten Gebieten ausbauen, aber vor allem gezielt in denjenigen Bereichen kooperieren, in denen sich unsere gemeinsame Zukunft entscheidet: bei der Klima- und Energiepolitik, im gemeinsamen Bemühen um Energieeffizienz, bei der Gesundheitspolitik, beim Demographie-Problem, in der Bildung und Wissenschaft.
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Deutschland ist bereit, das Projekt einer Modernisierungspartnerschaft weiter voranzutreiben. Bei meinen Gesprächen mit Präsident Medwedew morgen in Moskau wollen wir deshalb auch über konkrete gemeinsame Projekte sprechen.
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Anrede,
ich will dafür einige Beispiele herausgreifen, angefangen mit dem Bereich Energie: Deutschland als Konsument und Russland als Produzent sind hier bereits natürliche Partner. Aber wir werden einander in Zukunft noch stärker brauchen, auch in diesem Bereich.
Wir wollen Russland bei der weiteren Modernisierung seiner Energiewirtschaft unterstützen, von der Exploration über die Verarbeitung bis zur Verteilung. Gemeinsame Interessen verbinden uns aber vor allem bei der Steigerung der Energieeffizienz. Selbst ein Energiegigant wie Russland kann es sich auf Dauer nicht leisten, dass rund 40 Prozent der geförderten Energie auf dem Weg zum Verbraucher verloren geht. Hier liegt eine win-win-Situation für beide Seiten offen zutage. Russland gewinnt mehr Energie für den eigenen Verbrauch und Export. Wir profitieren, wenn sich deutsche Firmen an der Modernisierung der Energie-Infrastruktur beteiligen. Zugleich erhöhen wir die Sicherheit der deutschen und europäischen Energieversorgung.
Und auch der Klimaschutz steckt voller gemeinsamer Chancen. Ich denke ganz konkret an verstärkte Zusammenarbeit bei der Joint Implementation des Kyoto-Protokolls. Das Prinzip ist einfach: Wenn deutsche und europäische Firmen hier in Russland in Maßnahmen investieren, die den Ausstoss von Kohlendioxid verringern, schaffen sie sich neue Emissionsrechte. Das nützt beiden Seiten, und die Potenziale sind riesig.
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Anrede,
vor diesem Publikum muss man das nicht extra betonen: nicht Gas und Öl, sondern Wissen ist die entscheidende Ressource der Zukunft. Darum sind Bildung, Ausbildung und Forschung entscheidende Zukunftsinvestitionen. Sie sind die Grundlage für dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg.
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Deshalb haben wir, Deutschland und Russland, vor drei Jahren eine strategische Partnerschaft in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation vereinbart. Besonders in der Grundlagenforschung sowie im Bereich des Ingenieurwesens funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut. Mit keinem anderen Land der Welt hat Russland so enge Wissenschafts- und Hochschulbeziehungen wie mit Deutschland.
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Aber wir können noch viel in dem Bereich tun, in dem aus Wissen und Innovationen Produkte werden, gerade auch in mittelständischen Betrieben. Eine gezielte Politik für angewandte Forschung und die gezielte Bereitstellung von Risikokapital kann russischen Unternehmen viele neue Möglichkeiten eröffnen. Wir sind bereit, hier unsere Erfahrungen zur Verfügung zu stellen. Unsere zahlreichen mittelständischen Betriebe sind dafür eine gute Adresse!
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Aus- und Fortbildung müssen wir noch enger miteinander verzahnen. Ich denke hier an die öffentliche Verwaltung, die gerade für die Wirtschaft und den Mittelstand entscheidend ist. Wir sollten den Mut haben, dabei neue Wege zu gehen. Warum richten wir nicht einen deutsch-russischen Studiengang für öffentliche Verwaltung, einen Master of Public Administration? Wir bieten auch Unterstützung beim Aufbau eines beruflichen Ausbildungssystems an, das schulische und berufliche Ausbildung miteinander knüpft. Dieses Modell sorgt bei uns dafür, dass ausreichend Fachkräfte in den Produktions- und Handwerksbetrieben hohe Qualitätsstandards garantieren.
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Anrede,
wir brauchen Investitionen in Bildung und Wissenschaft gerade auch angesichts der demographischen Entwicklung in unseren Ländern. Bei Ihnen wie bei uns nimmt die Zahl der Menschen ab. Niedrige Geburtenraten und eine zunehmende Alterung unserer Gesellschaften sind Zukunftsrisiken für die Gesellschaft und Wirtschaft in unseren Ländern. Ihr Präsident Medwedew und sein Vorgänger Putin haben mehrmals vor der Gefahr einer demographischen Katastrophe in Russland gewarnt.
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Die Ursachen und die Dimensionen der Herausforderung in Russland und in Deutschland sind zwar unterschiedlich. Aber dennoch wünsche ich mir, dass Politiker und Wissenschaftler gemeinsam Konzepte entwickeln, wie wir diesem Zukunftsrisiko begegnen: mit einer klugen Familien- und Bildungspolitik, mit Konzepten für gesteuerte Zuwanderung und erfolgreiche Integration.
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Ganz oben auf der Prioritätenliste steht in diesem Zusammenhang eine moderne Gesundheitspolitik. Sie kann helfen, die durchschnittliche Lebenserwartung zu erhöhen. Deshalb sollten wir unsere Zusammenarbeit auch im medizinischen Bereich ausbauen. Ich schlage vor, dass wir uns dabei auf einige wirksame Ansatzpunkte konzentrieren: auf die medizinische Versorgung von Schwangeren, auf moderne Behandlungsmethoden bei der Geburt oder auf die Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Ich werde später das Zentrum für Kinderonkologie und Hämatologie besuchen ein gelungenes Beispiel für deutsch-russische Kooperation im Gesundheitswesen. Lassen Sie uns gemeinsam viele weitere Beispiele schaffen!
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Anrede,
die Modernisierung Russlands kann nur gelingen, wenn inländisches wie ausländisches Kapital verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen vorfindet. Eine gute wirtschaftliche Entwicklung setzt Vertrauen voraus, und nicht nur das: auch Verlässlichkeit in den Abläufen, Planbarkeit, gleichen und offenen Zugang zum Rechtsssystem, Unabhängigkeit der Gerichte. Das gilt gerade auch mit Blick auf die künftige WTO-Mitgliedschaft Ihres Landes.
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Ich habe mit großer Freude gelesen, dass Präsident Medwedew und Ministerpräsident Putin die Verbesserung des Rechtssystems und mehr Rechtsstaatlichkeit ganz oben auf ihre Tagesordnung gesetzt haben. Meine Überzeugung ist: Effektive, transparente und selbst regulierende Institutionen sind das A und O der Modernisierung. Bürokratie und Kontrollwut lähmen die Entwicklung das gilt für jedes Land. Auch hier können wir zusammenarbeiten, zum Beispiel bei der Fort- und Weiterbildung für Richter und Rechtsanwälte, bei der Polizeiberatung, bei der Zusammenarbeit der Zollbehörden. Das Mehr an Sicherheit, das dadurch entsteht, nützt nicht nur der Wirtschaft; es nützt ganz konkret auch den Menschen.
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Und nicht zuletzt will ich Ihnen auch noch ein Erfolgsrezept anempfehlen, das in Deutschland den Kitt der Gesellschaft bildet so nennen wir das. Ich meine das ständige Bemühen um soziale Gerechtigkeit. Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland unterstützt eine Politik, die die Diskrepanzen in der Einkommensverteilung nicht zu groß werden lässt. Die Menschen bei uns verlangen, dass alle - und nicht nur einige wenige - Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung haben. Dafür gibt es viele Wege, angefangen mit einer guten Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Aber wir führen auch neue Instrumente ein. Gerade hat unsere Regierung beschlossen, die Beteiligung von Arbeitnehmern am Kapital ihrer Unternehmen stärker zu fördern. Auf diese Weise bekommen auch die Beschäftigten ihren Anteil am Unternehmensgewinn, und nicht nur Aktionäre. Lassen Sie uns, wenn Sie Interesse haben, auch über solche Instrumente für mehr soziale Gerechtigkeit sprechen!
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Anrede,
alle Zukunftsfelder der deutsch-russischen Modernisierungspartnerschaft, die ich eben angesprochen habe, haben auch eine europäische Dimension.
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Umso wichtiger ist es, dass wir bald Verhandlungen über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Russland beginnen. Wir wollen, dass wir schon Ende Juni beim EU-Russland-Gipfel den Startschuss geben. Die strategische Partnerschaft zwischen der EU und Russland braucht eine umfassende und verlässliche Grundlage. Sie soll die langfristigen Perspektiven unserer Partnerschaft aufzeigen. Dazu gehört auch die Schaffung einer Freihandelszone zwischen der EU und Russland nach dem Beitritt Ihres Landes zur WTO. Das wäre ein weiteres wichtiges Signal, dass wir gemeinsam neue Wege gehen zum Wohl der Menschen bei Ihnen wie bei uns!
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Anrede,
Deutsche und Russen verbindet eine lange gemeinsame Geschichte. Aber sogar kriegerische Auseinandersetzungen mit all dem entsetzlichen Leid, das daraus folgte, haben die Zuneigung zwischen unseren Völkern niemals zerstört. Wenn Deutsche und Russen sich heute treffen, dann sind das nicht nur Vertreter von Regierungen und Unternehmen. Es sind meistens ganz normale Familien, Schüler und Studenten, Bürgermeister und Stadträte, Wissenschaftler und Künstler.
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Ich betone das, weil ich davon überzeugt bin: wirklich belastbar und tragfähig wird das deutsch-russische Verhältnis erst durch die persönlichen Kontakte der Menschen quer durch alle Bevölkerungsgruppen.
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Dabei hängt die Zukunft entscheidend von der jungen Generation ab. Nur wenn deutsche und russische Jugendliche sich begegnen, wenn sie Interesse aneinander entwickeln und die Sprache des Partnerlandes lernen, hat das deutsch-russische Verhältnis eine lebendige Basis.
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Darum fördern wir die Intensivierung des Jugend- und Studentenaustausches nach Kräften. Wir freuen uns, wenn viele von Ihnen zu uns kommen, um unser Land kennen zu lernen oder bei uns zu studieren! Mehr als 12.000 Studentinnen und Studenten aus Russland sind zur Zeit an unseren Universitäten eingeschrieben, und immer mehr Deutsche studieren in Russland. Es gibt kaum einen besseren Weg, die Partnerschaft zwischen unseren Ländern lebendig für die Zukunft zu entwickeln!
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Die Ausbildung in Deutschland ist oft sogar ein gutes Sprungbrett für die Karriere! Einige, die bei uns studiert haben, sind heute Präsident der Bank of Moscow, haben leitende Positionen in Unternehmensberatungen oder stehen an der Spitze russischer Universitäten. Ich rufe Ihnen zu: Machen Sie es auch so herzlich willkommen! Wer sich hier in Jekaterinburg über unser Land und seine Kultur informieren will, kann das am Deutschlandzentrum dieser Universität tun, das vom Goethe-Institut unterstützt wird.
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Anrede,
lassen Sie uns in den deutsch-russischen Beziehungen viele neue Brücken zueinander bauen und zu neuen Horizonten aufbrechen. Besonders auch hier in der Ural-Region.
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Ihr großer Schriftsteller Dostojewski hat gesagt: Die gute Zeit fällt nicht vom Himmel, sondern wir schaffen sie selbst. Also arbeiten wir daran!
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Herzlichen Dank!
2.Teil und Schluss der Rede von Bundesaussen- minister Frank-Walter Steinmeier am 13.5.2008 in Jekaterinburg im Ural.
Der erste Teil der Rede ist hier zu finden >>>
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