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25-03-2004 Karsten Packeiser |
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Woronesch: Nährboden für rechte Schläger
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Von Karsten Packeiser, Woronesch/Moskau. In der zentralrussischen Industriestadt Woronesch wurden in den vergangenen Jahren sieben ausländische Studenten ermordet. Als zuletzt drei junge Männer über Amaro Antonio Limo aus dem westafrikanischen Guinea-Bissau herfielen, ihn niederschlugen und mit Messern auf ihn einstachen, hatte er keine Chance. Der schüchterne Medizinstudent wurde nur 24 Jahre alt.
„Alle zwei, drei Tage hören wir, dass wieder einer von uns überfallen wurde“, sagt Alex, ein syrischer Kommilitone des ermordeten Afrikaners. Die 1.400 ausländischen Studenten in der Stadt gehen längst nur noch auf die Straße, wenn es notwendig ist und nehmen aus Sicherheitsgründen auch für kurze Entfernungen lieber ein Taxi. „Ich bekomme hier mein Diplom und bleibe keine Sekunde länger“, meint der Syrer. Er zahlt jährlich 1.800 Dollar Studiengebühren, doch seine Medizinische Akademie hat bis heute nicht einmal einen Wachdienst für das Auslanderwohnheim bereit gestellt. Immerhin dürfen Ausländer seit einigen Jahren zum von den Rechtsextremisten begangenen „Führer-Geburtstag“ sicherheitshalber ein paar Tage auch den Pflicht-Vorlesungen fernbleiben.
Überfalle ohne Todesopfer sind den meisten russischen Medien inzwischen kaum noch eine Schlagzeile wert. Erst, als Anfang Februar eine Neonazi-Bande in St. Petersburg ein neun Jahre altes Mädchen aus Tadschikistan erschlug, forderte die Gouverneurin Valentina Matwijenko die Polizei auf, die „Täter aus der Erde herauszuwühlen“. Die Mörder sollten in einem abschreckenden „Schauprozess“ zur Rechenschaft gezogen werden.
Offiziell sind in Russland über 450 extremistische Gruppen mit etwa 20.000 Mitgliedern polizeibekannt. Bislang zeigt sich die russische Staatsmacht gegenüber den rechtsextremen Gewalttätern aber meist von ihrer mildesten Seite. Ein Prozess gegen die Organisatoren eines Kaukasier-Pogroms auf einem Markt im Süden Moskaus endete mit Freisprüchen und Bewährungsstrafen. Fremdenfeindliche Übergriffe werden meist als „Rowdytum“ verharmlost.
Die einstige Rüstungsschmiede Woronesch wurde in den letzten Jahren zum Symbol für eine solche Politik. Kämpfer der extremistischen „Russischen Nationalen Einheit“ patrouillierten eine Zeit lang mit ihren Nazi-Symbolen als Teil einer freiwilligen Bürgerwehr durch die Straßen. Die Rechtsextremisten hatten dafür den offiziellen Segen der Polizei. In einer Zeitung, deren Herausgeber die Stadt ist, erscheinen regelmäßig antisemitische und fremdenfeindliche Artikel.
„Uns würde sehr interessieren, ob das die offizielle Meinung der Stadtregierung ist“, sagt Alexej Koslow, der eine Protestdemonstration vor dem Redaktionsgebaude organisierte. Seine „Jugend-Bürgerrechtsbewegung“ wäscht von Zeit zu Zeit die Hakenkreuzschmierereien von den Hauswänden der Stadt und verteilt im Zentrum von Woronesch Flugblätter mit der Aufschrift „Es ist peinlich, ein Rassist zu sein“.
Wie ausgerechnet in der ehemaligen Sowjetunion, wo durch den Hitler-Überfall bis zu 30 Millionen Bürger starben, überhaupt eine starke Neonazi-Szene entstehen konnte, verstehen auch die Bürgerrechtler nicht. Ein internationales Skinhead-Treffen in Spanien endete angeblich aber bereits mit einem Eklat. Die Mehrheit der kahlköpfigen Abgesandten weigerte sich schlichtweg, ihre osteuropäischen Gesinnungsgenossen als „echte Arier“ anzuerkennen.
(epd).
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