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22-09-2004 Neue Reportagen |
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Ein Erdbeben in Kaliningrad?
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Kaliningrad. Der erste Erdstoss kommt am frühen Nachmittag. Die Wände im fünften Stock des Plattenbaus schwanken. Der erste Gedanke: „Ein Erdbeben!“ wird von mir gleich wieder verworfen - das kann nicht sein, nicht in dieser Region. Trotzdem gehe ich zum Fenster, gucke ins Teppenhaus. Alles ruhig. Es bleibt das Gefühl: Genau so muss sich ein Erdbeben anfühlen. Man kennt die Beschreibungen aus den Medien - wie man durcheinander gerät, wenn plötzlich die Erde unter den Füssen bebt und nichts mehr fest erscheint.
Eine Stunde später treffe ich auf der Strasse einen Bekannten. „Und, wo hast Du das Erdbeben erlebt?“ - er meint es ernst. Also doch. Jetzt fallen mir auch die vielen Leute auf, die auf den Strassen zusammenstehen!
Zu Hause erzählt mir meine Nachbarin, dass alle öffentlichen Gebäude, darunter Hotels, Universitäten, Kindergärten und Schulen evakuiert wurden - und dann lädt sie mich erst einmal zum Tee ein.
Doch in diesem Moment folgt ein neuer Erdstoß, viel stärker als der erste. Der Plattenbau schwankt sichtbar. Ich gerate aus der Fassung und denke: Raus hier, weg und stehe doch unbeweglich. Mein Bekannter, um Fassung bemüht, sagt nur: „Pass, Schlüssel und raus hier!“ Die ältere Nachbarin von gegenüber kommt auf den Flur und fragt: Was ist denn eigentlich los? Die Antwort: „Ein Erdbeben“ stößt auf völliges Unverständnis bei ihr - sie weiß nicht einmal, was ein Erdbeben ist! Im Treppenhaus kommen uns zwei alte Männer entgegen. Die Frage: „Haben sie keine Angst?“ wird mit gleichgültigem Schulterzucken beantwortet. Ich beneide die russische Gelassenheit.
Im Hof zwischen den Plattenbauten stehen die Leute, keiner redet. Kopfschütteln, Sprachlosigkeit, Abwarten. Es folgt ein weiterer kleinerer Erdstoß. Der Instinkt sagt: Weg von hier. Anscheinend denken wir nicht allein so - die Strassen der Stadt sind völlig mit Autos verstopft. Überall Menschenansammlungen vor den Hauseingängen. Die Mobilfunknetze sind größtenteils zusammengebrochen - jeder versucht, Freunde und Bekannte zu erreichen.
Erdbeben der Stärke 4 bis 5 auf der Richterskala
Laut „Itar Tass“ hatte das Erdbeben eine Stärke von 4 bis 5 auf der Richterskala. Das Epizentrum des Bebens wurde 40 Kilometer südöstlich von Kaliningrad geortet. Die Erdstösse waren in Polen, Litauen, Weißrussland und Südfinnland zu spüren. In Kaliningrad wurden vereinzelt leichte Gebäudeschäden festgestellt.
Fachleute betonen, dass das Beben an sich kein ungewöhnliches Ereignis war: Tatsächlich hat es in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder Erdstösse und leichtere Beben in der Gegend gegeben hat, zuletzt in den siebziger Jahren.
Nachbeben?
Am Abend wird die Bevölkerung vor weiteren Erdstössen gewarnt und aufgefordert, die Häuser zu verlassen. Die Menschen vertreiben sich die Zeit in den Strassencafés und mit Spazierengehen. Ich verbringe die Nacht bei Bekannten auf dem Dorf - 30 Kilometer ausserhalb der Stadt. (jm/.rufo)
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