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Wirtschaft & Geld     

19-12-2004 Wirtschaft & Geld

Yukos-Auktion: Wer bitte ist Baikalfinancegroup?

foto: dja/rufoVon Lothar Deeg, St. Petersburg. Trotz des Verbotes durch ein texanisches Gericht fand in Moskau die Zwangsversteigerung der Yukos-Tochter Yuganskneftegaz (YUNG) statt. Das Ölförderunternehmen wurde anders als erwartet nicht von Gazpromneft, der Öl-Gesellschaft des halbstaatlichen Gaskonzerns Gazprom, sondern von einer völlig unbekannten Briefkastenfirma erworben: Eine GmbH namens „Baikalfinancegroup“ erhielt für umgerechnet 7,07 Mia. Euro den Zuschlag.

Zunächst hatten vier Unternehmen offiziell ihr Interesse an den zum Verkauf stehenden 77 Prozent von YUNG angemeldet. Als einziger ernsthafter Bieter wurde dabei Gazpromneft betrachtet. Alle anderen Unternehmen galten als „Strohmänner“, die durch ihre Anwesenheit nur dafür sorgen sollen, der Eigentumsübertragung an Gazprom den Anschein eines fairen Wettbewerbs zu geben.

Als es am Sonntag dann trotz des von Yukos initiierten Sperrfeuers der amerikanischen Justiz in Moskau zur Auktion kam, standen aber nur noch drei Tische im Saal. Und Platz nahmen dann nur die Vertreter zweier Unternehmen: Sie kamen von Gazpromneft und einer gewissen „OOO Baikalfinancegroup“. Nach Angaben der Versteigerungskommission hatte sonst niemand die Bedingungen zur Teilnahme erfüllt. Dabei handelte es sich in erster Linie um die Hinterlegung einer üppigen Kaution in Höhe von 49 Milliarden Rubel (1,3 Mia. Euro).

Die eigentliche Auktion, bei der drei Viertel des Ölförderunternehmen im Wert von 23 Milliarden Euro – so zumindest die Selbsteinschätzung von Yukos – den Besitzer wechselten, war dann eine Sache weniger Minuten: Der Vertreter von Baikalfinancegroup überbot den Ausrufungspreis von 246,75 Milliarden Rubel (6,67 Mia. Euro) sofort um 14 Milliarden Rubel (397 Mio. Euro). Die Repräsentanten von Gazpromneft baten sich das Recht für eine kurze telefonische Konsultation aus – und verzichteten danach auf ein eigenes Gebot. Daraufhin erfolgte der Zuschlag an Baikalfinancegroup. Die erlösten 7 Milliarden Euro – so sie denn wirklich bis zum 3. Januar bezahlt werden – decken aber nur etwa die Hälfte der gegenwärtig vom Yukos-Konzern verlangten Steuernachzahlungen.

Die Spur führt nach Twer am Baikalsee

Informationen über den geheimnisvollen Käufer gibt es faktisch keine – und seine Vertreter vor Ort schwiegen sich aus. Klar ist nur, dass es sich um eine eigens zur Teilnahme an dieser Auktion gegründete Firma handelt: Das Unternehmen wurde erst zwei Tage zuvor im Handelsregister der Stadt Twer eingetragen – die tausende von Kilometern vom Baikalsee entfernt liegt, der aus irgendwelchen Gründen im Namen der GmbH auftaucht. Aber wer steckt dahinter? Gazprom selbst, andere russische Ölkonzerne oder vielleicht doch indische, italienische oder chinesischen Investoren, die in den vergangenen Wochen sich für das Yukos-Erbe interessiert hatten? Oder gar die Yukos-Eigner selbst, die auf diese Weise ihr Öl-Imperium zu retten versuchen könnten?

Einen ersten Hinweis gab eine Meldung der Agentur Itar-Tass: Angeblich falle die juristische Adresse von BFG (die Einführung dieser Abkürzung sei hiermit erlaubt) in Twer mit derjenigen einer Gazprom-Tochter zusammen. Ein Gazprom-Vertreter verneinte jedoch gegenüber der Agentur Ria Novosti, dass BFG irgendwie mit Gazprom oder Gazpromneft verbunden sei.

Kopfschmerzen und kalte Füße

Wer immer auch der Käufer sei, er habe sich „für 9 Milliarden Dollar sehr ernsthafte Kopfschmerzen eingehandelt“, erklärte ein Yukos-Sprecher nach der Auktion. Der Yukos-Mehrheitseigner, die Menatep-Gruppe, in der wiederum der inhaftierte einstige Yukos-Chef Michail Chodorkowski das Hauptkapital besitzt, hatte noch vor der Versteigerung angekündigt, deren Ergebnisse in Russland wie international anzufechten. Yukos und Menatep betrachten die Zwangsversteigerung als illegale Beschlagnahme und Weitergabe ihres Besitzes.

Als erstes würden Gerichte in Großbritannien angerufen, erklärten die Menatep-Anwälte. Danach sollen Klagen in anderen Ländern folgen. Man wolle alle Unternehmen und Strukturen verfolgen, die irgendwie an der Zwangsversteigerung beteiligt seien. Laut Menatep stehe Gazprom hinter allen Firmen, die sich als Auktionsteilnehmer gemeldet hatten. Menatep selbst werde an der Versteigerung weder direkt noch indirekt teilnehmen.

Im Falle eines Zuschlags zugunsten von Gazpromneft drohte Menatep die Durchsetzung von Beschlagnahmen von Ölexporten der Gasprom-Tochter an. Möglicherweise war es gerade diese Gefahr, die die halbstaatliche Gazprom dazu brachte, YUNG zunächst einer von ihr gesteuerten Briefkastenfirma zu überlassen. Ohnehin hatten die Yukos-Anwälte mit einem geschickten Schachzug wenige Tage vor dem Auktionstermin die Pläne des Erdgas-Monopolisten durchkreuzt: Yukos hatte vor einem texanischen Gericht seinen Bankrott angemeldet, weshalb vom Gericht zunächst ein Zehntage-Moratorium für jedwede Eigentumsübertragungen des Firmenbesitzes verhängt wurde.

Bei www.aktuell.RU
• Gazprom übernimmt Yukos mit Schröders Hilfe (01.12.2004)
• Yukos-Tochter kommt im Dezember unter den Hammer (19.11.2004)
• Deutsche Bank protestiert gegen Yukos-Bankrott (16.12.2004)
• Yukos: Houston für Auktionsstopp, Moskau dagegen (17.12.2004)
• Stolpert Gref wegen Gasprom? (02.12.2004)

Da das US-Konkursrecht weltweite Wirksamkeit für sich beanprucht, wurde damit die Beteiligung an der YUNG-Auktion zu einer illegalen Handlung – mit potentiell üblen Konsequenzen für alle Geschäfte des „Sünders“ auf amerikanischem Boden. Das von Gazprom zur Finanzierung des Milliarden-Deals zusammengetrommelte Bankenkonsortium unter Führung der Deutschen Bank bekam prompt kalte Füße. Die Zusage für einen geplanten kurzfristigen Kredit über 10 Milliarden Euro zur Finanzierung des Kaufs wurde zurückgezogen.

Ebenso rätselhaft wie die Frage, wer sich hinter BFG verbirgt, ist deshalb auch, woher der geheimnisvolle Käufer die nötigen Milliarden für den mehr als heiklen Mega-Deal herhaben soll. Laut Wirtschaftsexperten verfügt kein einziges russisches Unternehmen über derartige Kapitalreserven – und im ebenso schwachbrüstigen wie schwerfälligen
russischen Bankensystem seien solche Summen erst recht nicht aufzutreiben. Unklar ist selbst, woher BFG die erkleckliche Kaution herhatte, die zwei Stunden später schon an den Staat überwiesen wurden. Am Abend schwirrte dann ein alles erklärendes Gerücht durch Russland: Es muss wohl die Mafia sein ...
(Lothar Deeg, .RUFO)

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