Von Lothar Deeg, St. Petersburg. Die Behörden haben die Katze endlich aus dem Sack gelassen: Das Herzstück des unter Sperrfeuer liegenden Yukos-Konzerns, sein Tochterunternehmen Yuganskneftegaz, soll am 19. Dezember zwangsversteigert werden. Der Startpreis für drei Viertel der Aktien des Ölförderunternehmen wurde mit der ebenso krummen wie gewaltigen Summe von 246.753.447.303,18 Rubel angesetzt. Das entspricht 8,65 Mrd. Dollar oder 6,66 Mrd. Euro. Möglicherweise kommt der Käufer dafür aus Italien.
Die Steuernachforderungen und Strafen für von Yukos und seinen Töchtern zwischen 2000 und 2002 laut Gerichtsentscheidungen hinterzogenen Steuern belaufen sich auf die Summe von etwa 18,4 Milliarden Dollar. Bislang hat Yukos davon etwa 3,9 Milliarden Dollar getilgt. Der Wert von Yuganskneftegaz, das 60 Prozent des Yukos-Öls fördert, war von internationalen Auditoren der Firma Dresdner Kleinwort Wasserstein auf 15 bis 17 Milliarden Dollar geschätzt worden.
Doch schon bald machten Befürchtungen die Runde, dass die Gerichtsvollzieher das Yukos-Kernstück für einen bewusst niedrig angesetzten Preis an einen staatstreuen Käufer verscherbeln wollen. Denn vieles in dem Feldzug gegen den einst führenden russischen Privatkonzern deutet darauf hin, dass es den russischen Behörden weniger darum geht, ausstehende Schulden einzutreiben, als darum, den Konzern des Multimilliardärs Michail Chodorkowski zu zerschlagen und zu vereinnahmen.
Der Fiskus bittet nochmals zur Kasse: 6 Mrd. für 2003
Wird Yuganskneftegaz weit unter Preis verramscht, blieben noch weitere Forderungen übrig. Abgesehen davon, legen die russischen Steuerbehörden im rechten Moment immer noch etwas drauf: Just heute gab Yukos bekannt, dass der Staat auch für das Jahr 2003 Nachforderungen über 170 Milliarden Rubel (6 Milliarden Dollar) erhoben hat.
Der jetzt angesetzte Ausgangspreis für 76,8 Prozent der Aktien ist zwar höher als zunächst vielfach befürchtet wurde. Sollte es aber bei der schon in vier Wochen anstehenden Versteigerung nicht zu einem scharfen Wettbieten mehrerer Interessenten kommen, wäre der Erlös doch zu niedrig, um die Yukos-Schulden aus der Welt zu schaffen. Dies gäbe Anlass, um auch die restlichen Teile des Chodorkowski-Imperiums zu pfänden: Yukos kontrolliert in Russland noch zwei weitere Ölförderunternehmen, vier Raffinerien, ein Vertriebsnetz und Eisenbahnwaggons – Besitz im Schätzwert von etwa 10 Milliarden Dollar.
Völlig ungewiss ist nach wie vor, wer eigentlich bereit sein könnte, für das Familiensilber des in Untersuchungshaft sitzenden Yukos-Mehrheitseigners Chodorkowski mehrere Milliarden Dollar auf den Tisch zu legen. Die Yukos-Affäre selbst ist ja nicht unbedingt geeignet, das Vertrauen von Großinvestoren in den Standort Russland zu festigen. Der amerikanische Yukos-Chefmanager Steven Theede bezeichnete die Auktion als „staatlich organisierten Diebstahl zum Zweck einer politischen Abrechnung“.
E.ON oder eher ENI?
Alle Unternehmen, die bislang als potentielle Käufer für Yuganskneftegaz in den Medien ins Gespräch kamen, dementierten denn auch – ob aus besserem Wissen oder Taktik, wird sich spätestens am 19. Dezember herausstellen: Sowohl der russische Ölkonzern Lukoil noch der halbstaatliche Gasmonopolist Gazprom beteuerten, dass sie weder Interesse noch Mittel für diesen Kauf hätten. Auch ein ausländischer Versteigerungsteilnehmer geisterte schon durch die Presse: Genannt wurde der deutsche Energiekonzern E.ON, dessen Tochterunternehmen Ruhrgas AG bereits an Gasprom beteiligt ist.
Konkreter scheint hingegen das Interesse des italienischen Ölkonzerns ENI zu sein, auf die eine oder andere Art bei Yukos einzusteigen. Wie die Internetzeitung „gazeta.ru“ berichtete, verhandeln gegenwärtig italienische und russische Regierungsvertreter in Moskau die genaueren Bedingungen für ein italienisches Engagement im russischen Ölbusiness.
Den Milliarden-Deal sollen vor einigen Wochen angeblich schon die Staatschefs Wladimir Putin und Silvio Berlusconi abgesprochen haben. „Wir sind an den Aktiva von Yukos interessiert. Ich denke, einer der Kandidaten ist ENI. Aber es gibt auch andere Unternehmen, die an kleineren Aktiva von Yukos Interese haben“, zitierte die Agentur Reuters einen Vertreter des italienischen Industrieministeriums.
(ld/.rufo)
|