Moskau. „Die russischen Gerichte sind nicht unabhängig, sie werden vom Staat beeinflusst.“ Das erklärte die Berichterstatterin des Europarats Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in einem Interview der „Nesawissimaja Gaseta“ am Freitag. Im Fall der Ölgesellschaft Yukos habe sich die russische Justiz ernsthafte Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention zuschulden kommen lassen.
Am Donnerstag hatte der Rechtsausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarats dem Yukos-Bericht der früheren Bundesjustizministerin zugestimmt. Kurz darauf wurde der Geschäftsführer von Yukos Moskau, Alexej Kurzin, festgenommen. Der Chefjurist der Yukos-Zentrale Dmitri Gololobow, der geschäftlich nach London gereist war, wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Diese Schritte erfolgten im Vorfeld der Reise von Präsident Wladimir Putin zum APEC-Gipfel nach Chile und wenige Tage vor dem EU-Russland-Gipfel in Den Haag.
Sie habe in ihrem Bericht eine unabhängige medizinische Untersuchung des schwer kranken Yukos-Mitbesitzers Platon Lebedjew gefordert, sagte Leutheusser Schnarrenberger der Zeitung. Auch fordere sie einen öffentlichen Prozess für den früheren Yukos-Sicherheitschef Alexej Pitschugin, dem vorgeworfen wird, angeblich einen Auftragsmord vorbereitet zu haben. Ferner sehe sie keine Notwendigkeit, den Ex-Yukos-Chef Michail Chodorkowski weiter in Untersuchungshaft zu behalten. Sie habe auch gebeten, das Moskauer Geheimdienstgefängnis Lefortowo dem russischen Justizministerium zu unterstellen.
„Neben juristischen Unregelmäßigkeiten spielen politische und wirtschaftliche Faktoren im Fall Yukos eine Rolle“, heißt es in dem Interview weiter. Der Fall habe einen deutlichen politischen Hintergrund. Sie sei bei ihrer Arbeit in Moskau von russischen Behörden behindert worden, sagte Leutheusser-Schnarrenberger weiter. Man habe ihr nicht erlaubt, die drei Yukos-Manager im Gefängnis zu besuchen. Der Chef des russischen Steueramts habe sich geweigert, ihre Fragen zu beantworten.
Der Yukos-Bericht soll im Januar in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats erörtert werden. „Ich weiß nicht, ob der Prozess gegen Chodorkowski bis dahin beendet sein wird“, sagte die Berichterstatterin. Sie befürchte jedenfalls, dass der befürchtete Yukos-Bankrott in der Zwischenzeit vollendete Tatsache werden könnte. (adu/.rufo)
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