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Taissa Ossipowa kassierte zum zweiten Mal ein drakonisches Urteil - wegen einer Intrige, sagen ihre Unterstützer (Foto: NTW) |
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Dienstag, 28.08.2012
Neues Skandalurteil: Gericht übertrumpft AnklageSmolensk. Noch ein hartes Urteil in einem hochpolitisierten Strafprozess und erneut gegen eine Frau: Eine linksradikale Aktivistin wurde wegen eines konstruierten Rauschgift-Delikts zu acht Jahren verurteilt.
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Das Urteil in dem Verfahren gegen Taissa Ossipowa wegen Drogenhandels schockierte am Dienstag die Prozessbeobachter durch die Bank: Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre Haft gefordert doch der Richter entschied, die Diabetes-kranke Mutter eines Vorschulkindes auf acht Jahre ins Lager zu schicken.
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Neue Justizlinie: Drakonische Strafen statt Liberalität
Das Urteil ist - wie schon der Schuldspruch im Pussy-Riot-Prozess - offenbar als scharfe Warnung für Russlands Menschenrechtler und Oppositionelle zu verstehen und zugleich ein offensichtlicher Bruch mit den Liberalisierungsbemühungen des vom Präsidenten zum eher einflussarmen Regierungschef herabgestuften Dmitri Medwedew.
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Denn bei dem Verfahren handelte es sich um die Wiederaufnahme eines skandalösen Prozesses von Ende letzten Jahres: Taissa Ossipowa war damals zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, weil sie mit Heroin gehandelt haben soll. Ihre Gesinnungsgenossen von den linksradikalen Nationalbolschewiken bezeichneten das Verfahren allerdings von Anfang an als konstruiert: Der Ehefrau eines ihrer Vorstandsmitglieder seien die Drogen von der Polizei untergeschoben worden.
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Medwedew: Vorgänger-Urteil war unangemessen hart - unabhängig von der Schuldfrage
Während der Demonstrationswelle im Winter wurde Ossipowa von der Opposionsbewegung deshalb als Politische Gefangene bezeichnet und ihr Fall kam auf eine Liste von fragwürdigen Urteilen, die dem damaligen Präsident Dmitri Medwedew zur Überprüfung übergeben wurde. Zehn Jahre für eine Mutter minderjähriger Kinder sind eine sehr harte Strafe, selbst wenn sie schuldig ist kommentierte damals der Staatschef.
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Der Protest im Kreml hatte Erfolg, denn das Urteil gegen die Smolenskerin erschien auch der mit der Überprüfung beauftragten Generalstaatsanwaltschaft nicht koscher als einziges auf der ganzen Liste: Das Verdikt wurde daraufhin von einem höheren Gericht aufgehoben und eine neue Verhandlung angesetzt. Auf freien Fuß kam die kämpferische Ultralinke, die 2003 einmal dem Smolensker Gouverneur einen Blumenstrauß ins Gesicht geschlagen hatte, deshalb aber nicht.
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Ehemann: Anklagepunkte fielen in sich zusammen
Zwischenzeitlich bestand der wichtigste Entlastungszeuge sogar einen Test mit einem Lügendetektor. In dem neuen Verfahren seien von fünf als Straftat geltenden Episoden drei gestrichen worden, die beiden verbleibenden wurden herabgestuft, berichtet Ossipowas Ehemann Sergej Fomtschenkow. Das Gericht habe faktisch die Tatsache anerkannt, dass seiner Frau Drogen untergeschoben worden seien, schrieb er per Twitter aus dem Gerichtssaal.
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Die Staatsanwaltschaft trug der Lage Rechnung, in dem sie ihre Strafforderung zwar nicht annullierte, aber doch deutlich minderte auf vier Jahre Haft. Das Gericht vertrat aber offenbar ganz andere Ansichten und verhängte völlig unerwartet das doppelte Strafmaß.
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Richterlicher Alleingang - oder "Telefonrecht"?
Er bezweifle nicht, dass das Strafmaß von oben angeordnet worden sei, erklärte daraufhin Ehemann Fomtschenkow. Auch im hochpolitischen Fall von "Pussy Riot" dürfte nach Meinung von Justiz-Kritikern das Urteil im Kreml vorgefertigt worden sein.
In Smolensk kündigte die Verteidigung bereits an, gegen das Ossipowa-Urteil Berufung einzulegen.
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Dieses Urteil ist ein Affront gegen die Gesellschaft und alle normalen Leute. Die Staatsmacht schürt Hass gegen sich selbst, so paradox das auch klingt, erregte sich nach dem Urteil der prominente Links-Oppositionelle Sergej Udalzow, der in der Vergangenheit selbst mehrfach hart abgeurteilt worden ist.
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Medwedew reagiert nebulös
Medwedew ließ einige Stunden nach dem Urteil seine Sprecherin ausrichten, seine Position zu dem Fall habe sich nicht geändert: Fremdeinmischungen in Gerichtsverfahren seien nicht zulässig, ebenso wie das Ausüben von Druck auf das Gericht, hieß es. Darüber hinaus sei der Premier weiterhin der Meinung, dass ein Urteil der Tat angemessen sein muss.
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Die Verhängung eines höheren Urteils als von der Anklage gefordert ist nach dem russischen Gesetz prinzipiell möglich, aber ziemlich selten. Eine Verdoppelung der Strafe ist nach Aussage russischer Juristen jedoch äußerst ungewöhnlich.
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Nach Aussage des Anwalts Alexander Artjumow gibt es eine Anordnung des Obersten Gerichts, wonach Richter keine Strafen über die Forderung der Anklage hinaus verhängen können.
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Insofern dürfte das drakonische Urteil in einer Revision in diesr Höhe kaum Chancen auf Bestand haben aber seine Botschaft bleibt deutlich im Raum stehen.
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