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Im Museum von LenNautschFilm erinnert diese Kamera an die Arbeit während der Blockade (Foto: eva/rufo)
Im Museum von LenNautschFilm erinnert diese Kamera an die Arbeit während der Blockade (Foto: eva/rufo)
Mittwoch, 19.09.2007

Petersburger Filmstudios: Geschrumpft, aber am Leben

St. Petersburg. Die drei Petersburger Filmstudios „Lenfilm“, „Lennautschfilm“ und „Chronika“ haben die schwersten Jahre überstanden. Mit veränderten Perspektiven und leichtem Optimismus sehen sie in die Zukunft.

Wer die Klassiker des Sowjetfilms kennt, der kennt die Sichel tragende "Kolchosbäuerin", die sich im Vorspann der Moskauer MosFilm-Produktionen dreht. Fast ebenso häufig tragen die Filme das Siegel der LenFilm-Studios: den Ehernen Reiter im Licht zweier Scheinwerfer.

Die Geschichte dieses Studios begann bereits 1896, als der Kaufmann und Mäzen Georgi Alexandrow an der Stelle, wo sich heute das Lenfilm-Studio befindet, das Restaurant "Aquarium" eröffnete. Zu diesem Lokal gehörten auch ein Park und eine Theaterbühne, auf denen unter anderem Künstler wie der berühmte Bass Fjodor Schaliapin auftraten.

Hier fanden die ersten öffentlichen Filmaufnahmen in Russland statt. 1918 wurde die Bühne bereits unter sozialistischer Ägide in die Leningrader Filmstudios umgewandelt. Ab 1934 hießen sie "Lenfilm".

Beste Sherlock Holmes-Verfilmung



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Die bekannteste Filmproduktion von Lenfilm aus sozialistischer Ära sind die Verfilmungen von Conan Doyles "Abenteuer von Sherlock Holmes und Doktor Watson". Das Werk des Regisseurs Igor Maslennikow mit den beiden brillanten Schauspielern Wassili Liwanow (Holmes) und Witali Solomin (Watson) in den Hauptrollen wurde sogar in der Heimat des Meisterdetektivs als beste Verfilmung anerkannt. In den 90er Jahren erlangte dann die Filmreihe "Besonderheiten der russischen Jagd" und "Besonderheiten der russischer Fischerei" des Regisseurs Alexander Rogoschkin große Popularität.

Den wenigsten ist jedoch bekannt, dass es in Leningrad außer Lenfilm noch zwei weitere große Filmstudios gibt: Sie heißen Lennautschfilm und Chronika und hatten in der Sowjetunion fest zugeteilte Aufgaben: Während Lenfilm Spielfilme produzierte, beschäftigte sich Lennautschfilm mit populärwissenschaftlichen Filmen.

Dazu gehörten Natur- und Tierfilme, Produktionen über wissenschaftliche Projekte sowie Instruktionsfilme zu den unterschiedlichsten Themen, von der Evakuierung aus der Metro bis hin zur richtigen Handhabung von Feuerlöschern. Das Chronika-Studio produzierte bis ins Fernseh-Zeitalter die Leningrader Wochenschau für die Kinos. Auch heute noch erstellt man hier für Stadt und Fernsehen eine Filmchronik.

Umgebaut, digitalisiert und geschrumpft



Zeigt vorsichtigen Optimisumus: LenNautschFilm-Direktor Wladimir Baschin (Foto: eva/rufo)
Zeigt vorsichtigen Optimisumus: LenNautschFilm-Direktor Wladimir Baschin (Foto: eva/rufo)
Alle drei Studios durchliefen in den 90er Jahren eine Privatisierung. Alle drei haben sie überlebt, wenn auch unter Opfern. Konkret bedeutete das eine massive Verkleinerung des Betriebs, sowohl bei den Angestellten, wie auch bei der Produktion. Lieferte Lennautschfilm beispielsweise früher mit 800 Mitarbeitern 170 Filme pro Jahr, so erarbeiten heute rund 100 Mitarbeiter im selben Zeitraum 30 Filme. Viele Mitarbeiter, zum Beispiel Regisseure, die früher fest angestellt waren, werden heute nur noch im freien Arbeitsverhältnis beschäftigt.

Parallel zur russischen Wirtschaftskrise hatten die Studios den technologischen Riesenschritt von der analogen zur digitalen Filmtechnik zu bewältigen – was mit zusätzlichen riesigen Investitionen verbunden war. Die gegenwärtige Situation bezeichnet Lennautschfilm-Direktor Wladimir Baschin als "vorsichtig optimistisch". Man habe zwar noch längst nicht alle Schwierigkeiten überwunden, doch gebe es immerhin reale Zukunftsperspektiven. Wie in anderen Ländern arbeiten die Studios heute auf Honorarbasis und müssen sich am Markt orientieren.

Noch heute ist der Staat wichtiger Auftragsgeber



Obwohl es den Staat als einzigen und allmächtigen Auftraggeber nicht mehr gibt, spielt er weiterhin eine wichtige Rolle. Einerseits sind die staatlichen Fernsehkanäle "Rossija" und "Kultura" wichtige Abnehmer für Spiel- und Dokumentarfilme, andererseits gibt es für Lennautschfilm ein weiteres aktuelles Betätigungsfeld: die Bildung.

"60 Prozent der russischen Bevölkerung unterrichtet oder wird in irgendeiner Form unterrichtet – das ist ein riesiges Potential", erklärt Baschin. Konkret meint er damit eine neue Filmreihe von Lennautschfilm über Russlands Musik und Literatur, deren Produktion in diesen Monaten beginnt – mit gesicherter Finanzierung.

Neben der Verbreitung dieses Materials auf DVD setzt das Studio auf das Internet. Im September wird das Internet-Portal "Welt des Wissens" eröffnet, über das russische Bildungsinstitutionen eine Vielzahl von Filmen und Lehrmitteln beziehen können – vorausgesetzt, sie besitzen eine leistungsfähige Internetverbindung. Zwar sind heute viele russische Schulen noch nicht genügend vernetzt, doch Baschin ist optimistisch, dass sich dies dank massiver staatlicher Programme bald ändern wird.

Mehr Kopfzerbrechen bereitet ihm die Verteilung der Gelder: "Für die Ausrüstung der Schulen mit Computern sind 98 Prozent des Budgets vorgesehen, für ihre Vernetzung zwei Prozent – für den Inhalt bleibt also nichts übrig, diese Verteilung ist falsch", kritisiert der Direktor. Er ist jedoch zuversichtlich, dass es bald zusätzliche Mittel für Bildungsfilme geben wird.

Ein Filmmuseum voller Legenden



Neben seinen Neuproduktionen verfügt Lennautschfilm über ein weiteres Potential – sein riesiges Archiv mit über 7000 Filmen. Zwar verursacht dieses gigantische Filmmagazin erst einmal Kosten, denn das wertvolle Material muss vor dem Verfall geschützt und auf neue Träger überspielt werden. Doch gleichzeitig liegen hier cineastische Kostbarkeiten, die in neuen Produktionen verwendet werden können.

So zum Beispiel die Produktionen des Tierfilmers Juri Ledin, der auf seine Weise zum Aushängeschild des Studios wurde: Er drehte über Jahrzehnte in der Tundra und am Polarkreis für das sowjetische Publikum die spektakulärsten Tierfilme. Über sein berühmtestes Projekt produzierte Lennautschfilm 2006 einen Film: "Die weiße Bärin" erzählt die Geschichte der Eisbärin Aika aus dem Zoo im ukrainischen Nikolajew, die von ihrer Mutter verstoßen und von Ledin und seiner Familie großgezogen wird.

Als Aika erwachsen wird, versucht Ledin die Bärin in die Natur zurückzuführen, was misslingt. "Sie war bereits ein volles Mitglied der Menschenfamilie geworden", erklärt Tamara Zanko, Redakteurin bei Lennautschfilm, die das Drehbuch zu dieser Geschichte verfasst hat. Doch Ledin gelingen während seiner Reise mit der Bärin zum Polarkreis sensationelle Bilder der dortigen Tier- und Pflanzenwelt. Der Film über Ledin und seine Bärin wurde mehrmals ausgezeichnet und ist die erfolgreichste Neuproduktionen des Studios auf Basis des Archivmaterials.

Kinoleute filmten die Blockade – und den Flug des „Sputnik“



Tamar Zanko zeigt eine Kosmonauten-Puppe, die in einem Raumfahrt-Trickfilm auftrat (Foto: eva/rufo)
Tamar Zanko zeigt eine Kosmonauten-Puppe, die in einem Raumfahrt-Trickfilm auftrat (Foto: eva/rufo)
Ein kleines, firmeneigenes Museum gibt zudem Auskunft über die aufopfernde Arbeit der Regisseure und Kameraleute. Lennautschfilm blieb als einziges Filmstudio während der gesamten Leningrader Blockade 1941-44 in der Stadt und dokumentierte die schreckliche Hungerperiode – eine gefährlicher Job, bei dem Dutzende Mitarbeiter ums Leben kamen. Auch das Firmengelände selbst geriet mehrmals unter Beschuss.

Auch holen hier Astronauten-Puppen die Zeit der ersten Raumflüge zurück. 1957, nur drei Wochen nach dem Start des ersten sowjetischen Satelliten machte Regisseur Pawel Kluschanzew mit seinem Film "Der Weg zu den Sternen" weltweit Furore. Mit seinem authentischen Raumflug-Trickfilm schockierte er die Zuschauer – "die Leute waren völlig baff, weil sie glaubten die Aufnahmen seien echt", erzählt Zanko.

Der Legende nach führten die Dreharbeiten für diesen Streifen zudem zu einer kleinen internationalen Krise. Denn als das Studio die Raketenstarts im Grenzgebiet zu Finnland drehte, hielten die Nachbarn sie für militärische Raketentests und mobilisierten ihre Truppen.

(Eugen von Arb/SPZ)


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