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Fluchend ins Finale, ansonsten sängerisch kaum aufgefallen: Russlands Vertreter Alexej Worobjow. |
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Mittwoch, 18.05.2011
Eurovision-Bilanz: Russenschnitte und Lenas HüftschwungThomas Fasbender, Moskau. Russenschnitte, so hat WELT ONLINE ihn genannt, den jungen Mann aus Tula, der Russlands Hoffnung beim European Song Contest in Düsseldorf war. Das Wort klingt nur beim ersten Hinhören despektierlich.
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Ältere Damen erinnern sich an ein füllendes Gebäck aus Nussbisquit, Karamelcrème, Biskotten und Sahne. Die jüngeren finden ihn sexy, ohne hinzuhören; unter einem seiner Youtube-Videos kann man lesen: "Ich will einen Sohn von Dir, Alexej!" Bleibt zu hoffen, dass das Kind auch zur Welt kommen darf, wenn es ein Mädchen ist.
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Mittelmäßigkeit bestimmt
Nachgeschoben kam auf WELT ONLINE der Satz, bestimmt habe hinter den Düsseldorfer Kulissen schon der KGB gewartet. Was hat dieser Alexej Worobjow verbrochen, dass es die Medien an die Keller der Lubjanka gemahnt? Platz 16 beim ESC bringt er nach Hause, nicht mehr und nicht weniger, und damit eigentlich das (fast) perfekte Ergebnis. Als Apotheose des Mainstream ist der Düsseldorfer Song Contest gefeiert worden, und was könnte im Mainstream glorreicher sein als das Mittelfeld?
König Pop regiert. Ein Kaufhauspop zwar, weder Melodien noch Rhythmus prägen sich ein, aber er hält das Zepter in der Hand wie weiland Schlager und Chanson. Düsseldorf hat zudem bewiesen, dass heute weder Multikulti noch Regionalität, sondern einzig die angelsächsische Popkultur die europäische kulturelle Identität noch irgendwie zusammenhält.
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Der ESC ist immer auch ein Brennglas unserer Zeit. Er bündelt die unterstellten Wünsche von Millionen, und er entblößt die Ängste und Hoffnungen derer, die sie unterstellen. Manipulierte und Manipulateure sind im gegenseitigen Misstrauen vereint.
Englisch Pflicht beim ESC?
So war denn alles Partikulare im Programm der Finalisten an den Rand gekehrt, jeder Pinselstrich, der Zentrifugalität hätte andeuten können, peinlichst herausretuschiert. Es müssen ja nicht Jodler sein, aber wo blieben die Elemente des Arab Pop, die sonst immer gute Punkte gebracht haben? Ein Tribut an die wachsende Islamophobie?
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Oder die Sprachenvielfalt. Im Finale trauten sich nur noch drei Länder, ihren Beitrag zur Gänze im aborigenen Idiom vortragen zu lassen. Stur gallisch die Franzosen, deren junger Tenor nicht nur Oper darbot, sondern das noch in korsischer Sprache ein Statement allerdings, das im Schmachten nach Dutzendpop echolos verhallte.
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Stur auch die Serben (ohnehin die Nordkoreaner Europas, wenn es Belarus nicht gäbe), deren Auftritt von einem Farbenspiel im Belgrader Disco-Stil der Siebziger begleitet wurde. Retro-Tito. Und stur die Spanier
immer die üblichen Verdächtigen.
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Russland voll im Trend
Man mochte rätseln, warum Russland sich dem Mainstream wie eine willige Kokotte an den Hals warf. Die Russen sind doch gut drauf. Vor drei Jahren war Dima Bilan der ESC-Champion, sie haben Olympia 2014, die Fußball- und die Eishockey-WM. Kein Mangel an internationaler Anerkennung, was eher ein Grund wäre, einmal mehr wider den Stachel zu löcken. Warum dann dieser anbiedernde Seichtpop aus der Feder des Lady-Gaga-Machers?
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Aber in was für Einheitskleider man Europa auch immer zwingt, die Kleinräume brechen sich Bahn. Cluster Voting auf neu-europäisch, Kroatien für Slowenien und Norwegen für Island. Die Gäste in der Halle reagierten mit Stöhnen. Dabei haben die Europäer nur rational abgestimmt: Wenn es überall das Gleiche gibt, kauf ich halt beim Nachbarn.
So hätte auch Worobjow grad so gut mit Lena tauschen und als Alex Spatz die deutschen Farben vertreten können. Und Lena, die ihren Hüftschwung nicht weniger beherrscht als die Mädchen im Moskauer Dolls Club, hätte auch als russisch-laszive Elena eine Chance gehabt.
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Heutige Helden sind Mittelmaß
Zudem ist sie das Paradebeispiel dafür, wie demokratisch unsere Gesellschaft geworden ist. Früher hat man zu Helden aufschauen wollen, heute will man sich in ihnen wiederfinden. Warum nun seriöse Feuilletons Lenas Augenaufschlag als verrucht bezeichnen
lang, lang ist es her, da hat dieses Land eine Marlene Dietrich hervorgebracht. Aber für family and friends ist der Vamp beim Abiball immer ein Star.
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Was bleibt? Für mich Worobjows jubelnde Mutterflüche bei der Bekanntgabe der Ergebnisse des Halbfinales (da war er dann doch kein Spatz mehr). B***, möchte auch ich in die Kamera schreien, B***, idi suda! Komm her und mach aus diesem Festival wieder etwas Genießbares, mit Pfeffer und Salz und Paprika. Meinetwegen mit Mutterflüchen. Aber etwas, das lebt.
Thomas Fasbender lebt seit 1992 in Moskau, ist Geschäftsführer der CHECKPOINT RUSSIA und mit regelmässigen Kommentaren auf
Russland-Aktuell präsent.
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