St. Petersburg. Leere Regale und blaue Plastikplanen an der Fassade – so zeigt sich neuerdings das „Haus des Buches“ am Newski Prospekt 28. Jahrzehnte war es Zentrum des Verlagswesens und beherbergte das größte Buchgeschäft der Stadt. Nun wird das 1904 erbaute Jugendstil-Gebäude renoviert: Nach dem Umbau soll es ein Einkaufszentrum werden.
Das „Haus des Buches“ direkt an der Ecke zum Gribojedow-Kanal war eine Institution: Nicht nur die größte Buchhandlung der Stadt, das „Dom Knigi“, hatte hier ihr Zuhause. Seit 1919 waren in den oberen Etagen die wichtigsten Verlage der Stadt konzentriert. Im Jahr 1998 hat allerdings eine Immobilienfirma das Gebäude von der Stadt in Pacht genommen und das Haus des Buches damit zum Untermieter degradiert.
Im vergangenen Frühjahr wurde die Generalüberholung des Hauses angekündigt – das Schicksal der ansässigen Verlage und des Buchfachgeschäfts war damit besiedelt. „Dom Knigi“ hatte daher schon im vergangenen Jahr sein neues Domizil am Newski Prospekt 62 eröffnet: Hier führt eine Paradetreppe in die obere Etage und Marmorsäulen sowie Kronleuchter verleihen dem renommierten Geschäft elitäre Atmosphäre. Der Lese-Kultur hat der Zwangs-Umzug jedenfalls nicht geschadet.
Obwohl für „Dom Knigi“ die Möglichkeit bestünde, nach den mindestens drei Jahre währenden Arbeiten an den angestammten Platz am Gribojedow-Kanal zurückzuziehen, rechnet niemand mit einem solchen Schritt der Unternehmensleitung: Denn nach der Restaurierung wird die Miete dort um ein Vielfaches teurer sein.
Einst Russland-Zentrale eines Weltkonzerns
Für den amerikanischen Nähmaschinen-Hersteller Singer 1904 im „Nordischen Jugendstil“ erbaut und mit einer gläsernen Kuppel versehen, auf der ein von Nymphen getragener Globus sitzt, ist das hoch aufragende Haus des Buches eines der sehenswertesten Gebäude am Newski-Prospekt – direkt gegenüber der Kasaner Kathedrale.
Allein schon wegen seiner architektonischen Besonderheit und dieser exponierten Lage konnte es sich den aktuellen Trends bei der Umgestaltung der Petersburger Handels-Struktur nicht entziehen. Seit einigen Jahren schießen Shopping-Malls wie die Pilze aus dem Boden, allein im vergangenen halben Jahr sind zwei riesige Einkaufskomplexe am Sennaja Ploschtschad und an der Metro Wladimirskaja entstanden.
Wie das Stadtmagazin „Afischa“ in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, soll auch im Haus des Buches nach Abschluss der Bauarbeiten ein Einkaufszentrum mit Markenartiklern von A bis Z Einzug halten. Zwar wird das „Haus des Buches“ seinen Namen im Sprachgebrauch der Petersburger wohl noch lange behalten – aber es bleibt künftig wohl ohne Bücher.
(mga/.rufo)
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