Von Lothar Deeg, St. Petersburg. Der von den russischen Behörden planmäßig in Existenznot gebrachte Ölkonzern Yukos hat seinen Bankrott erklärt. Dies geschah allerdings nicht in Russland, sondern vor einem Gericht in der texanischen Ölmetropole Houston. Der Konzern versucht auf diese Weise, die für Sonntag angesetzte Zwangsversteigerung seines Hauptförderunternehmens Yuganskneftegaz (YUNG) zu verhindern - oder zumindest potentielle Käufer abzuschrecken.
Wie der Konzern erklärte, fiel die Wahl auf Houston, weil Yukos dort Eigentum besitze und der Finanzvorstand gegenwärtig von dort aus seine Geschäfte führt. Wesentlicher ist jedoch der Umstand, dass das amerikanische Recht bei einem Bankrott während der Restrukturisierungs-Prozedur den weltweiten Schutz des Eigentums des Schuldners vor den Anforderungen der Gläubiger vorsieht. Yukos bat deshalb um eine Eilentscheidung des US-Gerichts, die unter anderem die YUNG-Auktion einstweilig untersagen soll.
Nationales Recht hat Priorität
Allerdings ist offensichtlich, dass eine Bankrott-Erklärung in Texas auf die Abhaltung der Zwangsversteigerung in Moskau keine aufschiebende Wirkung hat. "Unsere Gesetzgebung sagt eindeutig, dass ein Bankrottverfahren am Standort des Schuldners behandelt wird. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man in Texas eine Organisation abwickeln möchte, die in Russland registriert ist", erklärte ein Jurist des Moskauer Schiedsgerichts der Agentur Interfax. Außerdem genieße in derartigen Fällen das nationale Recht Priorität.
Da Yukos die vom Gerichtsvollzieherdienst aufgrund "künstlich aufgeblasener" Steuernachforderungen betriebene Versteigerung von YUNG als rechtswidrige Enteignung betrachtet, könnte Yukos auf diese Weise vor internationalen Gerichten eine Handhabe gegen die neuen Eigner von YUNG bekommen. Schon zuvor hatte der Yukos-Hauptaktionär Menatep potentielle Käufer wie auch deren Kreditgeber mehrfach vor juristischen Konsequenzen eines Erwerbs von YUNG gewarnt.
Im werden am Sonntag 76 Prozent der Aktien des Yukos- Tochterunternehmens vom staatlichen russischen Vermögensfonds zu einem Startpreis von 8,6 Milliarden Dollar meistbietend versteigert. Mit dem Erlös sollen nach offizieller Lesart die gigantischen Yukos-Steuerschulden getilgt werden - die nach einer ganzen Reihe von Verfahren gegen Yukos und seine Tochterunternehmen inzwischen etwa das Dreifache des Einstandspreises betragen.
Somit ist es fast unvermeidlich, dass auch die übrigen Teile des Ölimperiums des inhaftierten Multimilliardärs Michail Chodorkowski in andere Hände fallen werden. Laut Yukos-Aufsichtsratschef Viktor Geraschtschenko ist die Auktion gesetzeswidrig, da erst entbehrliche Unternehmensteile und Besitztümer hätten unter den Hammer kommen müssen - und nicht das Herzstück, das über 60 Prozent der Yukos-Ölförderung bestreitet.
Bislang haben sich nur drei Bieter registrieren lassen: Neben "Gazpromneft", einer für den Einstieg ins Ölgeschäft gegründeten Tochter des halbstaatlichen Erdgas-Monopolisten Gazprom, sind dies zwei faktisch unbekannte russische Unternehmen namens "PWK" und "Interkom". In Fachkreisen gilt es als sicher, dass sie nur als Strohmänner auftreten, um den Anschein einer Konkurrenz um das Yukos-Filetstück zu erwecken. Darüber hinaus hatte eine Allianz der indischen Ölkonzerne ONGC und IOC sowie der chinesische Ölmulti CNPC ihr Interesse an YUNG angemeldet. Offiziell als Bieter registriert sind die Asiaten jedoch nicht - dazu ist aber noch bis Samstag Zeit. Gasprom führt seinerseits Verhandlungen mit einem Konsortium aus sechs westlichen Großbanken - darunter die Deutsche Bank - über die Bereitstellung eines kurzfristigen Kredites von 10 Millionen Euro zum Erwerb von YUNG, berichtet der Moskauer "Kommersant".
Börsenkurs brach weiteres Mal ein
Gleichzeitig bedeutet die Bankrotterklärung in den USA auch das Eingeständnis von Yukos, dass es für den mit einer Kanonade aus Steuernachforderungen, Betrugsvorwürfen und Haftbefehlen gegen Manager und Eigner sturmreif geschossenen Ölkonzern keine Geschäftsgrundlage mehr gibt. Die Yukos-Aktien, ohnehin nur noch ein Papier für kurzfristige Spekulationen, fielen daraufhin an den Börsen in Russland wie Westeuropa wieder einmal um über zehn Prozent. Der Börsenwert des Ölkonzerns ist seit Beginn der Yukos-Affäre und des "Falles Chodorkowski" von einstmals 35 Milliarden Dollar auf 2 Millarden Dollar zusammengeschrumpft.
Yukos-Chefmanager Steven Theede begründete die Bankrotterklärung als "letzte Chance, die Rechte unserer Aktionäre, Mitarbieter und Kunden zu bewahren". Die Yukos-Führung habe sich im Laufe eines Jahres um einen Dialog mit der Staatsmacht bemüht um einen Kompromiss zu finden, der die "Reorganisation" des Ölkonzerns verhindert hätte. "Wir schlugen über 70 Lösungsvarianten vor. Leider bekamen wir nicht einmal eine Antwort", so Theede. Am Montag soll auf einer außerordentlichen Aktionärsversammlung über das weitere Schicksal von Yukos - dann auch gemäß russischen Firmenrechts - entschieden werden.
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