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Angela Merkel und Dmitri Medwedew verhandeln laut russischen Medien über den Ausbau der Ostseepipeline (Foto: kremlin.ru)
Angela Merkel und Dmitri Medwedew verhandeln laut russischen Medien über den Ausbau der Ostseepipeline (Foto: kremlin.ru)
Dienstag, 19.07.2011

Russland friert Southstream ein, baut Nordstream aus

Moskau. Russlands Präsident Dmitri Medwedew will Kanzlerin Angela Merkel bei den Regierungskonsultationen den Ausbau der Ostseepipeline vorschlagen. Grund: Moskau erwägt die Pipeline Southstream auf Eis zu legen.

Der Bau eines dritten Strangs der Ostseepipeline (Nordstream) könnte zum Hauptthema der deutsch-russischen Regierungskonsultationen werden, berichtet die Tageszeitung Kommersant. Die erste Leitung soll im Oktober ihren Betrieb aufnehmen. Der zweite Strang soll ab 2012 die Kapazität der Pipeline auf insgesamt 55 Milliarden Kubikmeter erhöhen.

Premier Putin wagt ersten Vorstoß


Premier Wladimir Putin hatte in der vergangenen Woche bereits den Ausbau von Nordstream angeregt. Offiziell hieß es zunächst, um den wachsenden Energiebedarf Europas, speziell Deutschlands, das aus der Atomenergie aussteigt, zu decken.

Doch offenbar wollen die Russen in Hannover vorfühlen, ob es eine Möglichkeit gibt, Teile des Gases, das über die Schwarzmeerpipeline Southstream nach Europa fließen sollte, über die Nordroute zu schicken.

Megaprojekt Southstream


Southstream soll eigentlich ab 2015 63 Mrd. Kubikmeter Gas nach Süd- und Mitteleuropa bringen. Vorgesehen ist eine Zweiteilung der Pipeline, nachdem diese das Schwarze Meer durchkreuzt hat. Der nördliche Strang läuft über den Balkan bis nach Österreich, der südliche Strang endet in Italien.

Moskau erwägt nun den vorläufigen Verzicht auf das nach Gazprom-Angaben 15,5 Mrd Euro teure Projekt. Zwar haben die Russen mit allen Transitländern schon eine Grundsatzvereinbarung erzielt, doch bei den Details macht die Türkei Schwierigkeiten.

Bei Russland-Aktuell
• Regierungskonsultationen: Dt.-russ. Reizthemen reichen (18.07.2011)
• Gazprom hilft RWE beim Wechsel von Atom zu Erdgas (15.07.2011)
• Matthias Warnig für Aufsichtsrat von Rosneft nominiert (14.07.2011)
• Nord Stream-Gaspipeline: Inbetriebnahme noch 2011 (11.05.2011)
• Wintershall steigt bei Gaspipeline South Stream ein (22.03.2011)

Türken feilschen um Vorteile


Obwohl sich Premier Putin schon 2009 mit dem türkischen Premier Recep Erdogan darauf verständigt hatte, dass die Leitung durch türkische Gewässer gehen soll, hat Ankara bis heute keine endgültige Erlaubnis dafür erteilt. Die Zugeständnisse Russlands – Bau der Pipeline Samsun - Ceyhan und Hilfe beim Aufbau des ersten Atomkraftwerks in der Türkei – reichen Ankara offenbar nicht.

Eigentlich sollte die Erlaubnis schon bis zum 1. Dezember 2010 vorliegen. Nun werde der 1. November 2011 als neuer Stichtag von den Türken ins Spiel gebracht, „doch die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wir auch dann nichts bekommen“, erklärte ein anonymer Sprecher der russischen Regierung.

Geopolitische Spielchen in Ankara


Die Verzögerungstaktik der Türken dürfte zwei Gründe haben: Erstens sind die Russen bei der Realisierung des Pipelineprojekts Samsun – Ceyhan selbst im Verzug, da die Wirtschaftlichkeit des Projekts zweifelhaft erscheint. Zweitens wollen die Türken weitere Vorteile für sich herausholen.

Da für Ankara selbst die Pipeline Southstream uninteressant ist (die Türkei bekommt mehr Gas als nötig über die schon vorhandene Schwarzmeerpipeline Blue Stream, die Transiteinnahmen sind unbedeutend), versuchen sie sich in geopolitischen Spielchen.

Konkurrent aus Europa heißt Nabucco


Neben Southstream existiert das europäische Pipelineprojekt Nabucco. Das sieht nicht nur die Diversifizierung der Lieferwege, sondern auch die der Lieferanten vor Diese Pipeline soll daher Gas aus den zentralasiatischen und kaukasischen GUS-Republiken (möglicherweise später auch aus dem Irak und dem Iran) nach Europa transportieren. Beide Pipelines stehen in Konkurrenz zueinander, obwohl die Verantwortlichen das stets dementieren.

Beide Pipelines würden die Türkei kreuzen. Das macht das Land am Bosporus zum wohl wichtigsten Gas-Umschlagspunkt für Europa. Und deshalb hofft Ankara auf gewaltige Dividenden, entweder wirtschaftlich oder politisch.

Ausbau von Nordstream als Druckmittel


Die Verhandlungen mit Deutschland über den Bau eines dritten Strangs der Ostseepipeline und das Aufschieben der Southstream-Pläne dürften daher auch als Druckmittel für Ankara gedacht sein; nach dem Motto: Es geht auch ohne Euch.

An einen völligen Verzicht Gazproms auf Southstream glauben die meisten Experten allerdings nicht. Dies würde einem Eingeständnis einer Niederlage im Wettlauf mit einem anderen Pipelinebetreiber gleichkommen – und diese Blöße will sich Moskau sicher nicht geben.



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