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Das Ende eines gründlich verpfuschten Starts: Die Yak-42 stürzte brennend in die Wolga (Foto: newsru.com) |
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Donnerstag, 03.11.2011
Yak-Absturz: Nervenkranker Pilot stand auf der BremseMoskau. Der Absturz der Yak-42 in Jaroslawl wurde durch eine ganz Reihe von Versäumnissen im Cockpit provoziert. Die Unfalluntersuchung ergab auch, dass der Copilot eventuell seine Beine nicht richtig spürte.
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Die offizielle Unfalluntersuchung, deren Ergebnisse gestern vorgelegt wurden, spricht eine eindeutige Sprache: Nicht die Technik, sondern die Menschen im Cockpit waren schuld am Tod der Eishockeymannschaft von Lokomotive Jaroslawl. Nur eine Person, ein mitfliegender Luftfahrttechniker, an Bord überlebte den Absturz direkt nach dem Start Anfang September, 44 Menschen starben.
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Piloten verdächtigen dennoch die Technik
In russischen Fliegerkreisen und auch durch Familienangehörige der umgekommenen Piloten wird diese Darstellung angezweifelt: Luftfahrtbürokratie und Flugzeughersteller hätten ein Interesse daran, Unfälle menschlichen Faktoren zuzuschreiben, anstatt die Funktionsfähigkeit der Technik in Abrede zu stellen.
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Warum die Yak-42 in Jaroslawl nicht recht von der Piste wegkam und dann abschmierte, dafür bietet die Unfalluntersuchung aber eine ganze Reihe humaner Gründe auf: Erst einmal sei die Ausbildung und Gewöhnung der beiden Piloten auf diesem Flugzeugmuster eher bescheiden gewesen beide hatten bedeutend mehr Flugstunden auf der deutlich kleineren Yak-40 absolbviert.
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Pedal-Problem: Cockpit-Crew war auf der Yak-42 nicht sicher
Beim Piloten Andrej Solomjonzew betrug das Verhältnis 7.000 zu 1.525 Flugstunden wobei seine Umschulung sich seit 1995 in die Länge zog, Lücken aufwies und immer wieder durch Einsätze auf der Yak-40 unterbrochen wurde. Der Copilot Igor Schewelow hatte sogar 13.000 Stunden Yak-40 im Flugbuch stehen aber nur 613 Stunden in der Yak-42.
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Die stärkere Gewöhnung an das andere Flugzeugmuster könnte wegen der unterschiedlichen Fußpedalkonstruktion der beiden Maschinen eine verhängnisvolle Rolle gespielt haben, so die Unfallermittler. Eine von der Yak-40 gewohnte Fußhaltung beim Start könnte bei der Yak-42 ein unbewusstes leichtes Bremsen verursacht haben.
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Haarsträubend: Ein Pilot mit tauben Beinen
Überhaupt die Beine: Wie sich herausstellte, litt der Copilot schon seit über zehn Jahren an herabgesetzten Reflexen in den Beinen, später auch an den Händen. Die von einem Privatarzt behandelte und vor seinem Arbeitgeber verheimlichte - Nervenkrankheit führte zu Störungen bei der Koordination der Beine und ihrer Orientierung im Raum.
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Der Autopsie zufolge hatte der Copilot zudem ein Beruhigungsmittel im Blut, das das Nervensystem bremst und von fliegendem Personal nicht eingenommen werden darf.
Wer von den beiden Fliegern versehentlich auf der Bremse stand, ist dem Bericht zufolge nicht eindeutig feststellbar der medizinische Befund lässt aber auf den wenig Yak-42-erfahrenen Copiloten schließen.
Fuß auf der Bremse - und Startzeitpunkt falsch kalkuliert
Die Ermittler gehen davon aus, dass ein solches latentes Bremsen ab einer Geschwindigkeit vom ca. 165 km/h stattgefunden haben muss. Ein deutlicher Beleg dafür wie Bremsspuren fehlt aber, so die Kritiker der Untersuchung. Die Experten gehen aber davon aus, dass die Räder aber eben nur angebremst wurden und nicht blockierten.
Einen eindeutigen Fehler machte die Crew aber schon vorher: Anstatt aufgrund der Beladung die Geschwindigkeit für das Hochziehen des Bugrades zu berechnen das Ergebnis wäre 210 km/h gewesen nannte der Flugkapitän vor dem Start seinem Co offenbar aus dem Bauch heraus die Ziffer 190 km/h.
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Auch war das Gepäck der Eishockeymannschaft nicht gewogen, sondern nur visuell eingeschätzt worden: Es erwies sich als zwei Tonnen schwerer als in den Flugunterlagen notiert.
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Abheben um jeden Preis - statt Gas raus
Als die Startbahn dann wegen der Bremswirkung immer kürzer wurde, versuchte die Crew dann schon bei 185 km/h die Maschine panisch hochzuziehen. In diesem Moment muss einer der beiden Flieger das Steuerruder mit Gewalt an sich herangezogen haben und stützte sich dabei vermutlich mit aller Kraft mit den Beinen auf der Bremse ab.
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Der letzte verhängnisvolle Fehler der Yak-Piloten war, dass sie fünf Sekunden nach ihrem ersten vergeblichen Abhebe-Versuch die Triebwerke auf Vollschub stellten, um irgendwie doch in die Luft zu kommen.
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Es gab Platz und Zeit für eine Notbremsung
Wenn sie in diesem Moment stattdessen eine korrekte Notbremsung eingeleitet hätten, wäre die Maschine auf dem noch zur Verfügung stehenden letzten Kilometer der langen Runway noch sicher zum Stillstand gekommen.
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Dem Untersuchungsbericht zufolge hätten der Yak-42 bei einem normalen Startlauf 1.200 Meter zum Abheben gereicht. Die Bahn in Jaroslawl ist aber 3.000 Meter lang wovon die Piloten allerdings 300 Meter verschenkten, weil sie nicht zum Pistenbeginn zurückrollten.
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In die Luft kam die Yak schließlich erst 450 Meter hinter der Piste, schon vom unbefestigten Erdboden. In nur fünf bis sechs Meter Höhe geriet die Maschine aufgrund der extremen Ruderstellungen und der vollen Triebwerksleistung zugleich in einen überzogenen Flugzustand und kippte ab.
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Der Zusammenstoß mit einer Signalantenne habe in diesem Moment schon keine Rolle mehr für das unrettbar abschmierende Flugzeug gehabt, so die Experten.
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