Donnerstag, 10.05.2012
Politologe: Timoschenko kein Symbol für DemokratieKiew. Die Haft der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko bringt die Ukraine international massiv unter Druck. «Aber die Ukraine ist keine Diktatur und Frau Timoschenko keine politische Gefangene», sagt Konstantin Bondarenko, Leiter der Stiftung für ukrainische Politik, in einem Gespräch mit der dpa.
|
|
Frage: Wie sehen Sie Julia Timoschenko und die Berichterstattung in Deutschland über ihren Fall?
Bondarenko: «Das Bild von Julia Timoschenko ist geschönt. Man versucht sowohl in der Ukraine als auch im Westen immer wieder, sie als ein Symbol für Demokratie oder eine Orientierung nach Europa zu überhöhen. Dafür eignet sie sich aber nicht. Sie ist eine autoritäre Führerin einer bei weitem nicht demokratischen politischen Kraft, eine offene Populistin und Demagogin, die als Regierungschefin ebenfalls Sympathien für eine Union mit der Russischen Föderation zeigte.
|
In der Vergangenheit war sie eine Oligarchin mit einem Vermögen zweifelhafter Herkunft. Das ist das wahre Gesicht von Frau Timoschenko. Sie ist kein Gegenpart zur derzeitigen Regierung.»
|
Frage: Wie wird der Fall in der ukrainischen Bevölkerung bewertet?
Bondarenko: «Julia Timoschenko genießt im Ausland höhere Sympathiewerte als in ihrer Heimat. Ihr persönlicher Popularitätswert liegt in der Ukraine heute bei unter 20 Prozent und ist in soweit vergleichbar mit dem Ablehnungsgrad von Regierungschef Nikolai Asarow.
|
Ihre Aussagen einer angeblichen Verprügelung im Gefängnis oder eines Hungerstreiks verringern die Sympathien bei den Wählern eher. All dies schafft eine Atmosphäre des Misstrauens gegenüber Frau Timoschenko. Umfragen zeigen, dass das Volk den Rummel um Julia Timoschenko leid ist und aufhört, Mitleid mit ihr zu empfinden.»
|
Frage: Wie könnte man das derzeitige System in der Ukraine bezeichnen?
Bondarenko: «Die Ukraine hat alle Anzeichen einer demokratischen Gesellschaft: Gewaltenteilung, Wahl der Regierung, politische Konkurrenz. Nichtregierungsorganisationen können ungehindert agieren. Gleichzeitig befindet sich die Gesellschaft immer noch im Übergang vom Totalitarismus zur europäischen Demokratie.
|
Das Problem liegt hier nicht in "guten" oder "schlechten" Politikern. Auch Frau Timoschenko hat als Regierungschefin ihre Neigung zu autoritären und populistischen Methoden der Staatsführung offen demonstriert.»
|
(Gespräch: Andreas Stein, dpa)
|
|
|
Leser-Kommentare zu diesem Artikel (und Kommentare zu Kommentaren): ↓
Schreiben Sie Ihren eigenen Kommentar, nachdem Sie sich hier unten für Kommentare neu registriert haben. Beachten Sie unbedingt die
>>> Regeln für Leserkommentare. Sie können hier oder auch im Forum (
www.forum.aktuell.ru) mitdiskutieren.
Bisher gibt es zu diesem Artikel noch keine Leserkommentare
Überblick aller Leserkommentare zu allen Artikeln >>>