Kommentare, Glossen, Hintergründiges
|
|
|
|
08-09-2004 Schlagseite |
|
|
Schule sprengen leicht gemacht
|
|
|
Von Wladimir Martynow, Moskau. An dem Tag, an dem Beslan von den ersten mehr als hundert Opfern den Abschied nahm, und der Kreml über verschärfte Sicherheitsvorkehrungen in den Schulen und Unis sprach, gelang es mir, meine ehemalige Schule zu „verminen“. Offenbar fühlt sich Moskau noch immer weit weg von dem blutigen Geiseldrama in Nordossetien.
Die Schule 1219 mit erweitertem Deutschunterricht befindet sich neben der Metrostation Sucharewskaja, nur ein paar Kilometer vom Kreml entfernt. Als ich noch Schüler war, gab es in der Schule einen unbewafneten Wächter, der im Foyer saß und ständig mit dem Lesen einer Zeitung beschäftigt war. Seine Hauptaufgabe sah er darin, die Schüler während der Pause in den Schulhof nicht hinauszulassen, damit sie dort nicht rauchen oder, um Gottes Willen, den Beginn der nächsten Stunde nicht verpassen.
Aber die Zeit ändert sich. Heute ist die Terrorgefahr viel realer, als vor sieben Jahren. Deswegen sollten die Schulen eigentlich auch stärker bewacht werden. Als ich ca. um 19 Uhr an die Schule vorbeiging, beschloss ich, das einmal zu überprüfen. Ich war erstaunt, als ich überhaupt keinen Wächter sah. Im Foyer saß ein Dutzend Eltern, die auf ihre Kinder warteten - seit ein paar Jahren mietet eine Karate-Schule die Turnhalle und organisiert dort Abends das Training. Kein Sporttrainer oder Karate-Schüler sagte mir etwas, als ich in die Turnhalle hinunterging. Danach unternahm ich einen „Rundgang“ durch die Schule – vom Keller bis zum vierten Stockwerk. Niemand fragte mich danach, was zum Teufel ich hier verloren hätte! Die Putzfrau, die ich im zweiten Obergeschoss traf, sah mich gleichgültig an und wischte weiter den Fußboden.
In den 20 oder 30 Minuten, die ich im Schulgebäude verbrachte, hätte ich in jedem Stockwerk eine Bombe legen können. Am nächsten Morgen hätten die Medien über einen erneuten Terroranschlag in Moskau berichtet und die Stadtväter danach gefragt, warum es den Terroristen wieder gelungen sei, ein Attentat zu verüben. Und wie immer wäre wohl wieder kein Täter gefunden worden.
Insgesamt gibt es in Moskau rund 4.000 Schulen, Gymnasien, Kindergärten usw. Nur 400 von ihnen sind mit einem sogenannten „Alarmknopf“ ausgerüstet. Der kann aber sowieso kaum helfen, denn bis die Polizei kommt, wäre die Schule schon längst erobert. 2.107 Schulen in Moskau werden von privaten Wachunternehmen bewacht. Zugleich werden aber mehr als 1.500 Schulen, Kinderzentren usw. einzig von Rentnern geschützt, schreibt die Wochenzeitung „Argumenty i Fakty“. Die Schulwache wird von den Eltern bezahlt, ein Wächter bekommt 4.000 bis 6.000 Rubel (113 – 170 Euro) monatlich.
Die Schule in Beslan wurde auch bewacht. Was aber die Terroristen nicht hinderte, heimlich Waffen ins Gebäude zu schleppen und dann die Schule in wenigen Minuten besetzen.
(wm/.rufo)
|
|
© rUFO
Weitere Nutzung im Internet oder Veröffentlichung auch auszugsweise nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion und mit Quellenangabe www.aktuell.RU
www.aktuell.RU ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Internetseiten.
|
|
|