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Joschkar-Ola (Foto: www.yoshkar-ola.com) |
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Montag, 15.04.2002
Geist des Wassers, gib mir Kraft!Europas letzte Heiden fürchten um ihre Kultur
Von Karsten Packeiser, Joschkar-Ola. Bereits über eine Stunde lang tanzen knapp hundert meist ältere Männer und Frauen in einem großen Kreis. Zu den Klängen von Akkordeon und einer riesigen Trommel stampfen sie mit den Füßen auf die Holzdielen des Kinosaals. Die Wände des Lichtspieltheaters Rekord vibrieren. In Joschkar-Ola, einer grauen Industriestadt 800 Kilometer östlich von Moskau, treffen sich jeden Sonntag die Angehörigen des Mari-Volkes zu einem lauten und bunten Kultur-Abend. Sie tanzen gegen das Vergessen ihrer uralten Kultur und eines Glaubens, den es sonst nirgendwo in Europa mehr gibt.
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Die russischen Zaren gingen nicht zimperlich vor, als sie die Menschen zwischen Wolga und Ural seit dem späten Mittelalter zum Christentum bekehren ließen. Sie schickten ihre Soldaten, die fällten die heiligen Eichen der Heiden und drohten allen Bauern, die sich nicht taufen lassen wollten, mit der Verbannung nach Sibirien.
Wir sind das einzige Volk Europas, das seinen ursprünglichen Glauben bewahren konnte, noch dazu unter Bedigungen einer brutalen Kolonialherrschaft, sagt Vitalij Tanakow, ein Priester der heidnischen Religionsgemeinschaft Oschmarij-Tschimarij.
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Gebet im Heiligen Hain (Foto: www.martour.ru) |
Viele Mari glauben noch heute an Götter und Geister ihrer Vorfahren, denen sie an hohen Festtagen Opfer bringen. Unser Glaube schreibt uns vor, die Natur zu ehren, sagt Iraida Stepanowa, die Vorsitzende der Nationalbewegung Marij Uschem in Joschkar-Ola. Wenn Du in den Wald gehst, darfst du ohne Grund nicht einmal eine Blume abpflücken. Wenn ich im Frühjahr zum ersten Mal auf meine Datscha komme, gehe ich zuerst zum Brunnen und bitte den Geist des Wassers, mir im neuen Jahr Kraft zu geben, erzählt sie.
Ein Paragraf im Naturschutzgesetz der autonomen russischen Mari-Republik garantiert den Schutz der mehreren hundert Heiligen Haine, in denen sich die Mari zum Beten treffen. Zu den größten Gebeten auf dem heiligen Berg Tschumbylat kommen mehrere tausend Menschen teils von weit her angereist.
Der Priester Vitalij Tanakow gilt auch unter den Marij-Uschem-Aktivisten als Radikaler, weil er die volle Unabhängigkeit der nichtrussischen Wolga-Völker von Moskau fordert. Sorgen um die Zukunft ihrer Kultur und ihres Glaubens machen sich aber die meisten Mari. Wir wollen, dass sich die Mari auf ihrer Erde geborgen fühlen können, sagt Iraida Stepanowa.
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L. Markelow (Foto: www.ntvru.com) |
Im Jahr 2000 wurde mit Leonid Markelow ausgerechnet ein Parteifreund des Ultrarechten Wladimir Schirinowskij Präsident der wirtschaftlich rückständigen Teilrepublik, die zu einem großen Teil von der Holzindustrie und zu einem noch größeren von den Überweisungen aus Moskau lebt. Der Russe Markelow möchte in Joschkar-Ola am liebsten das nationale Theater schließen und die mit dem Finnischen verwandte Sprache der Mari weitgehend aus dem öffentlichen Leben verbannen.
Meine Tochter hat in der Schule gerade noch drei Stunden Unterricht pro Woche in ihrer Muttersprache, weniger als zu Sowjetzeiten, klagt Wladimir Koslow, Chefredakteur der Zeitung Kudo+Kodu. Weil das oppositionelle Blatt immer wieder auf die Probleme der Mari-Kultur hinweist, wird es mittlerweile von den staatlich kontrollierten Druckereien der Republik nicht mehr gedruckt. Koslow muss die Ausgaben nun in den Nachbarregionen herstellen lassen.
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Wie viele Anhänger der vorchristlichen Mari-Religion es in der Republik noch gibt, kann niemand sagen. Schätzungen schwanken zwischen einem Viertel und der Hälfte aller Mari. Die meisten Mari wurden allerdings in einer orthodoxen Kirche getauft. Viele von ihnen besuchen sowohl christliche Gottesdienste als auch Gebete im Heiligen Hain. (epd)
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Eigentlich ist ja jetzt Sommer in Russland. Aber auch dann zeigt sich die Natur manchmal von ihrer übellaunischen Seite - etwa während dieses Hagelschauers auf dem Petersburger Newski Prospekt. ( Topfoto: Deeg/.rufo)
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