Moskau. "Wenn es wirklich zu Wahlfälschungen gekommen sein soll, dann ist die einzige Möglichkeit, zu einem fairen Resultat zu kommen, eine Wahlwiederholung", erklärt die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey zu russland-aktuell am Rande von Gesprächen mit ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow.
Zuvor hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow vor Journalisten einige EU-Länder gerüffelt, die seiner Meinung nach eine neue Grenzziehung in Europa vornehmen wollten. Die ukrainische Bevölkerung habe, so Lawrow, selbst zu entscheiden, wohin sie gehöre, ob zum Westen oder zu Russland.
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Zur Person - www.aktuell.RU: |
Micheline Calmy-Rey ist seit Dezember 2002 Mitglied des Schweizer Bundesrates (=Bundesregierung), wo sie das Eidgenössische Department für auswärtige Angelegenheiten (= Außenministerium) übernahm. In dieser Funktion setzte sie sich engagiert für eine aktive Außenpolitik ein, bei der Friedensförderung, Völkerrecht, Menschenrechte und Armutsbekämpfung im Vordergrund stehen.
Die Mutter von zwei Kindern wurde am 8. Juli 1945 im französischsprachigen Chermignon im Wallis geboren. Vor ihrer derzeitigen Funktion war sie im Buchhandel tätig. 1979 trat Calmy-Rey in die Sozialdemokratische Partei Genfs ein, der sie während zwei Amtsperioden vorstand. Es folgte 1997 die Wahl in die Genfer Regierung, wo sie 1998 das Finanzressort übernahm. Zu ihren größten Erfolgen in dieser Zeit zählt die Sanierung der krisengeschüttelten Genfer Kantonalbank.
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Das Thema Ukraine beherrschte zwar nicht die Unterredungen zwischen den beiden Außenministern, wohl aber die anschließenden Pressegespräche. Wobei Differenzen in den Einschätzungen der beiden Minister nicht zu überhören waren.
Während Sergej Lawrow davon sprach, dass einige Hauptstädte des Westens die bestehenden Grenzen am Alten Kontinent neu ziehen wollten, indem sie die Ukraine mehr und mehr an den Westen anzubinden trachteten, sprach sich die Schweizer Außenministerin für eine Wahlwiederholung in der Ukraine aus, so die Anfechtung des Wahlresultat durch Juschenkos Team erfolgreich ausgeht.
Calmy-Rey wörtlich: „Wir haben die Resultate der OSZE-Wahlbeobachter zur Kenntnis genommen, die über viele Schwierigkeiten und Unregelmäßigkeiten berichtet hat. (…) Wenn es wirklich zu Wahlfälschungen gekommen sein soll, so ist die einzige Möglichkeit, zu einem fairen Resultat zu kommen, eine Wahlwiederholung.“ Wichtig sei auf alle Fälle, dass diese Krise friedlich gelöst werde.
Besorgt zeigte sich die Außenministerin der Eidgenossenschaft zudem über die Entwicklung der Demokratie in Russland, besonders die Situation in Tschetschenien. Schweizer Diplomaten hatten in der Krisenregion im Rahmen der Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) eine wichtige Rolle gespielt. Unter anderem vermittelten sie 1996 unter Missionsleiter Tim Guldimann einen Waffenstillstand. Die OSZE Mission musste Tschetschenien im Jahre 2003 verlassen.
Calmy-Rey sprach sich auf Anfrage von russland-aktuell für den Verbleib der beiden humanitären Missionen aus, die die Alpenrepublik nach wie vor im Nordkaukasus unterhält.
Schweizer Hilfsorganisationen sollen im Nordkaukasus bleiben
Es handelt sich hierbei um zwei Büros der DEZA (Direktion für Entwicklungszusammenarbeit), die in Inguschetien (Nasran) und Nordossetien (Wladikawkas) angesiedelt sind. „Viele Schweizer verstehen einfach nicht, was in dieser Region nach wie vor vor sich geht in Sachen Menschenrechte und Gewalt“, sagte Calmy-Rey.
Die DEZA kümmert sich primär um die intern Vertriebenen, die im Verlaufe des Zweiten Tschetschenienkrieges obdachlos geworden sind. Im Rahmen des Projektes wurden von der Organisation Schulen renoviert, Rechtsberatungsstellen für Frauen eingerichtet sowie Kinderkleidung in die Krisenregion geschickt.
Calmy-Rey meinte zudem, dass sie lange mit Lawrow über Tschetschenien gesprochen habe, doch habe sie keine Vermittlerrolle durch ihr Land mehr angeboten: „Um verhandeln zu könnnen, müssen die Parteien damit einverstanden sein, dass ein Dritter vermittelt. Und das ist nicht der Fall.“
15 Millionen Franken für Chemiewaffenvernichtung
Im Rahmen der Begegnung zwischen den beiden Außenministern wurden zudem zwei bilaterale Abkommen über die Durchführung von Chemiewaffen-Abrüstungsprojekten unterzeichnet.
Die beiden Projekte sind Teil einer Schweizer Initiative, die auf fünf Jahre angesetzt ist und für die 15 Millionen Franken zur Verfügung gestellt werden sollen. Russland verfügt über die weltweit größten Chemiewaffen-Lager, fast zwei Drittel der weltweiten Vorräte sind hier gelagert. Die Schweiz unterstützt Russland bei deren Vernichtung. Viel Zeit bleibt nicht mehr, werden die hiesigen Chemiewaffen-Lager von Experten als tickende Zeitbomben bezeichnet.
(alexander grasmuck/rufo)
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