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Stadtnachrichten    

Sankt Petersburg     

15-10-2004 SPB Stadtnachrichten

Ein neues Gesicht für das Museum im Museum

Kurator Alexander Borowski präsentiert das neue Museum Ludwig (foto: arb/rufo) Von Eugen von Arb, St. Petersburg. Das Museum Ludwig im Marmorpalast wurde nach neun Jahren neu aufgelegt: Die aus Deutschland dem Russischen Museum gestiftete Sammlung zeitgenössischer Kunst hat jetzt mehr Platz, mehr Luft und ein neues, spannendes Ausstellungskonzept. Jetzt fehlt es nur noch an Bekanntheit beim Petersburger Publikum.


Ein lebendiges Museum sollte es werden, das sein Publikum zur Auseinandersetzung mit der Kunst und der Gegenwart herausfordert – dies war eines der Hauptanliegen von Peter Ludwig (1927-1996), als 1995 im Marmorpalast eine Filiale der weltumspannenden Kölner Sammlung eingerichtet wurde.

Lebendig war bereits der Hintergrund, vor dem dieses Projekt zustande kam: Das Russische Museum war in diesen Jahren daran, sich völlig umzuorientieren und seinen diversen Lokalitäten neue Funktionen zuzuordnen.

Darunter befand sich auch der Marmorpalast, ein seit jeher ungeliebtes Objekt, das zu Sowjetzeiten als Leninmuseum diente und seinen Besuchern vor allem wegen des davor aufgestellten Panzerwagens bekannt war. Dass ausgerechnet hier die dynamische Sammlung einzog und Petersburg zu einem Glied in der Filialkette der Sammlung wurde, zu der auch Peking, Budapest, Wien, Basel und eine ganze Reihe deutscher Städte gehören, ist purer Zufall.

Buntes „System der Abstraktion“: Arbeiten von Judith Rothschild und Claude Viallat leuchten im Saal mit abstrakter Kunst. (foto: arb/rufo) Ursprünglich war Moskau als Ludwig-Standort vorgesehen. Nur das Zögern der Hauptstädter, beziehungsweise die Initiative des Russischen Museums entschieden den Umzug der Kunstsammlung in Richtung Norden.

Ein kleines, aber treues Publikum

Vergangene Woche wurde der Öffentlichkeit das neue Gesicht der Sammlung vorgestellt und auf einer Pressekonferenz Bilanz gezogen. Das Museum Ludwig habe zwar ein kleines, aber treues Publikum, beschrieb Evgenija Petrowa, die stellvertretende Direktorin des Russischen Museums die Situation.

Einerseits liege das wohl am konservativen Kunstgeschmack der Bevölkerung, die immer noch lieber Klassiker wie Serow oder Repin sehen wolle. Andererseits mangle es auch am Bekanntheitsgrad der Sammlung. Durch regelmäßige Veränderungen in der Ausstellung versuche man der Idee des Sammlers gerecht zu werden und das Museum Ludwig attraktiv machen.

Das Publikum wird am Eingang „abgeholt“

Alexander Borowski, der Kurator der Ausstellung, führte durch die Ausstellung, die rund sechzig Prozent der insgesamt 118 Exponate zeigt. Eine kleine, aber wichtige Neuerung ist der Raum für Skulpturen im Erdgeschoss, den die Sammlung direkt neben Eingang und Garderobe erhalten hat: Die Besucher kommen somit viel direkter mit der Sammlung in Kontakt und entschließen sich unter Umständen spontan zu einem Besuch.

Dichter und Diktator: Brodsky tritt bescheiden von seinem Sockel. (foto: arb/rufo) Wer die bisherige Ausstellung kennt, dem wird sofort auffallen, dass die Neuausgabe insgesamt über mehr Luft und Raum verfügt. Der Gang durch die Räume fällt leicht und die neue thematische Gliederung wirkt anregend.

An die Begrüßung durch das Warhol-Porträt Peter Ludwigs schließt eine ganze Reihe thematisch neu konzipierter und kommentierter Säle an: „Menschen und Kunst“ – „Gesellschaft, Individuum, Kollektiv“ – „Kunst über Kunst“ – „Mythen des 20. Jahrhunderts“– „System der Realität“ – „System der Abstraktion“– „Objekt und Betrachter“. Anhand dieser geschickt gewählten Stichworte wird die Gegenwart und ihre Kunst neu vermittelt.

Internationale und russische Kunst im Dialog

Die verspielte und reflektierende Ausstellung greift dabei Themen auf, die Geschichte und Alltag Russlands kritisch-ironisch kommentieren – so zum Beispiel das Brodsky-Denkmalprojekt von Grischa Bruskin. Ein versteinerter Stalin auf dem Sockel neben dem zierlichen Dichter, der gerade bescheiden von seinem Sockel heruntersteigt, beschreibt brilliant das Ende der Diktaturen und der Denkmäler. Sergej Bugajews „Industrialisiertes Bewusstsein“, Fototafeln mit grauen Dokumenten aus der Welt der Straßen, Wohnsilos und Fabriken, halten der normierten Industriegesellschaft den Spiegel vor.

: Dynamische Ausstellung: Wiliam Franks „Next Stop“ leitet das neu gestaltete Museum Ludwig ein. (foto: arb/rufo) Die Tatsache, dass hier neben westlichen Kunstgrößen wie etwa Picasso, Warhol oder Beuys gleichwertig russische Künstler von Weltrang gezeigt werden, lässt russische Kunst in einen Dialog mit der internationalen Kunstszene treten. Wiliam Franks „Next Stop“, ein Bronze-Radfahrer in rasender Fahrt, entwickelt gegenüber Wladimir Jankilewskijs statischem „Selbstporträt“, einem ausgesägten Massenmensch in der Metro, neue Dynamik.

bei sanktpetersburg.RU
• Museums-Tipp: Der Marmorpalast
Anselm Kiefers Auseinandersetzung mit der „Großen Faust Deutschland“ erhält in der Gegenwart von Grigorij Bruskins Sowjetfigürchen, die Bomben mit der Aufschrift „Auf den Reichstag!“ tragen, neue Bedeutung. Diese Vielfalt von ungewohnten Kontrasten integrieren das deutsche Museum Ludwig in das Russische Museum.
(arb/.rufo)



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