St. Petersburg. Wo normalerweise Lastwagenmotoren dröhnen, plätscherte Jazz, wo es sonst nach Diesel riecht, duftete es nach Sauerkraut und wo üblicherweise schwer beladene Trailer auf Seereise gehen, wurde an Stehtischchen Sekt und Bier geschlürft: Der Empfang des deutschen Generalkonsulates zum Tag der Deutschen Einheit fand gestern in einem ungewöhnlichen Festsaal statt: auf dem Fahrzeugdeck einer Frachtfähre – mitten im Hafen.
Bei dem Schiff handelte es sich um die „MS Translubeca“ - eine auf Lastwagen, Sattelauflieger und sonstige „rollende Güter“ spezialisierte Fähre der TransrussiaExpress. Sie pendelt jede Woche zwischen Lübeck, Sassnitz und St. Petersburg, wo sie dann eine Nacht über vor Anker liegt.
Reinhart Kraus, Deutschlands Chef-Vertreter in der russischen Hafenstadt, wollte den jährlichen Routine-Empfang endlich einmal so veranstalten, dass ihn die Gäste am nächsten Tag nicht schon wieder vergessen haben. Und er sollte die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder symbolisieren. So kam er auf die originelle Idee, die Gäste aus Politik, Gesellschaft und Business für einen Abend auf einer Fähre einzuschiffen, die Russland und Deutschland über die Ostsee verbindet.
Das blank gewienerte und gut geheizte Frachtdeck bot dabei nicht nur üppigen Platz für eine Bühne, das Büfett und 700 mit einer Bus-Stafette herangebrachte Besucher, sondern auch noch für eine Mini-Messe der deutschen Wirtschaft in St. Petersburg – von der Backstube bis zum BMW-Händler.
Auch organisatorisch stand der Empfang im Zeichen leistungsfähiger Logistik: Die „Festhalle“ war schließlich erst am Morgen eingetroffen und entladen worden. Innerhalb weniger Stunden musste dann für das Feier alles (von der Garderobe bis zu den Toiletten) angeliefert und aufgebaut werden – und dies jenseits der russischen Zollgrenzen mitten im Hafen, zwischen Schrottbergen und Containern. Und wo abends noch der rote Teppich lag, sollten am Morgen schon wieder neue Lastwagen in den Bauch des Schiffes rollen.
Doch der Aufwand und die Kopfstände des monatelang mit den Vorbereitungen beschäftigen Konsulatspersonals haben sich Image-mäßig wohl gelohnt: Denn schließlich heißt es doch immer, die Deutschen seien zu keinen echten Innovationen mehr fähig ... (ld/rufo)
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