St. Petersburg. Der unverwechselbare „Charme“ des abbruchreifen Viertels an der uliza Schkapina ist bereits international bekannt, seitdem deutsche Filmemacher dort vor wenigen Wochen das Ende von Hitlers Berlin 1945 nachdrehten (russland-www.aktuell.RU berichtete). Für die Anwohner ist das Leben dort auch ohne die Nazis ein einziger Alptraum. Die jahrzehntelangen Versprechen seitens der Stadtregierung, das Problem an der Wurzel zu packen und den Bewohnern menschenwürdige Lebensbedingungen zu schaffen, verpufften bisher in der Luft. Die neue Gouverneurin verspricht nun ganz schnelle Abhilfe.
Wer sich in Petersburg in die Gegend hinter dem Obwodny Kanal rechts vom Baltischen Bahnhof verirrt, wird große Augen machen – leerstehende, einsturzgefährdete Häuser mit dunklen, von Müll und Bauschutt überquellenden Innenhöfen wechseln sich ab mit noch zum Teil bewohnten, aber kaum mehr bewohnbaren grauen Mietskasernen. Im Dunkeln traut sich der Unbedarfte erst recht nicht in dieses Viertel, denn die finstere Gegend zieht auch finsteres Volk an – die Schkapina und die parallel zu ihr verlaufende uliza Rosenshtejna sind berüchtigt für ihre erhöhte Kriminalitätsrate.
Wie die Tageszeitung „Newskoje wremja“ am Dienstag schreibt, ist der Schandfleck auf dem Gesicht der architektonisch so majestätischen Nördlichen Hauptstadt keine sowjetische Erscheinung. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten die damaligen Anwohner des Arbeiterviertels in der Industriezone am Umgehungskanal Eingaben an die Kaiserliche Kanzlei gemacht, mit der Bitte, ihnen die unerträglichen Wohnbedingungen zu erleichtern. Vergeblich.
Erst seit Mitte der 1970er Jahre hatte es dann Anläufe gegeben, die Bewohner in Neubauten umzusiedeln und das Viertel zu sanieren. Immer wieder blieben diese Versuche jedoch stecken und versickerten schließlich völlig im Sande. Heute stehen sieben der 41 Wohnhäuser des Quartals leer, und das seit über 20 Jahren. In den notdürftig geflickten restlichen Häusern haben die Menschen längst die Hoffnung aufgegeben, dass sich ihre Lage je bessern könnte.
Letzten Samstag unternahm die neue Gouverneurin Valentina Matwijenko eine Inspektionsfahrt durch die Stadt und machte auch am berühmten Petersburger Slum Halt. Und erklärte hinterher, bereits im nächsten Jahr werde man mit der Umsiedlung der Bewohner beginnen. Dafür würde ein neues Haus in einem Neubauviertel im Osten der Stadt errichtet werden.
Bereits unter Gouverneur Wladimir Jakowlew waren Investoren gefunden worden, die bereit sind, das schwierige Projekt der Umgestaltung der Schkapina in ein Freizeit- und Einkaufszentrum zu finanzieren. Doch mit dem Gang durch alle Genehmigungs-Instanzen wollte es nicht vorangehen. Wie nun aus dem Smolny verlautet, ist die Stadt jetzt endlich bereit, 40 Prozent der Kosten (300 Millionen Rubel) zu übernehmen.
Ob das ein weiteres Mal nur schöne Worte sind oder aber der Beginn ernsthafter Bewegungen in Richtung Lösung des Problems, wird sich zeigen. Die Slumbewohner an der Schkapina werden den weiteren Gang der Dinge jedenfalls aufmerksam verfolgen.
(sb/.rufo)
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