Von Susanne Brammerloh, St. Petersburg. Was die beiden Gouverneurs-Anwärterinnen sich am Mittwoch und Donnerstag Abend im lokalen Fernsehen gegenseitig an den Kopf geworfen haben, gereicht keiner von ihnen zur Ehre. Da sirrten die Anschuldigungen von Lug und Trug wie scharfe Kugeln durch das Fernsehstudio. Der geneigte Zuschauer konnte sich mitunter des Gefühls nicht erwehren, die beiden Damen hätten es sich gemeinschaftlich zum Ziel gesetzt, sich mit aller Kraft für den „Kandidaten gegen alle“ in die Bresche zu werfen.
Streckenweise war es schier peinlich, mit anhören zu müssen, wie Markowa und Matwijenko sich angifteten, als hätten sie den beliebten Streit in der Kommunalwohnungsküche auszutragen, wer denn wem die Suppe auf dem Herd versalzt hätte. „Sie lügen! Alles, was Sie sagen, ist reine Lüge!“ – so Matwijenko zu Markowa. „Sie können auf Grund Ihres Zustands gar nicht adäquat reagieren“ – schoss die Angeklagte aus der Gegenrichtung zurück.
Die Teledebatten an zwei Abenden zur besten Fernsehzeit sollten dem Wähler das letzte Mal die Gelegenheit geben, die beiden Konkurrentinnen gegeneinander abzuwiegen und sich über die eigenen Prioritäten klar zu werden. Da ging es weniger um programmatische Äußerungen denn um Demonstration von Nervenstärke und psychologischer Überzeugungskraft. Nicht umsonst sind manche Beobachter bis heute der Meinung, Sobtschaks unsicheres Auftreten bei der TV-Debatte vor der Gouverneurswahl von 1996 hätte ihn damals den Sieg gegen Jakowlew gekostet.
Die Kandidatinnen von 2003 konnten die ungeheure Spannung, in der sie steckten, auch hinter vermeintlicher stoischer Ruhe und einem breiten Lächeln nicht verstecken. Ihre Nervosität und geballte Aggressivität schwappte förmlich aus dem Fernsehapparat in die Wohnzimmer ihrer künftigen Untertanen. Da konnte einem schon der schreckliche Gedanke heimsuchen: „Und diese Frau (M oder M eben) wird uns die nächsten vier Jahre vorstehen? Behüte uns Gott!“ Von den Haaren auf den Zähnen der starken Damen fühlten sich die Haare der Zuschauer unwillkürlich zu Berge gezogen.
Es fehlte nicht viel, und wir wären Zeuge eines ausgereiften Kampfes der Furien geworden. Wären sie sich richtig in die Haare geraten und hätten sich die Augen ausgekratzt, hätte das vielleicht die unerträgliche Spannung gelöst, die der unschuldige Betrachter vor der Glotze zu durchleben hatte. So kam er allerdings in den Genuss eines kostenlosen Trainings, wie man unter Wahrung der Anstandsregeln seinem Gegner den geballten Hass ins Gesicht schleudern kann.
Nach diesem Kulturgenuss zur frühen Abendstunde fällt der Weg zum Wahllokal am Sonntag um so leichter. Wenn es vor den Debatten noch Zweifel gegeben hätte, wer von beiden Damen denn meine werte Stimme verdient, so sind diese (die Zweifel) nun vollends ausgeräumt: Ich habe mich für den Dritten auf dem Wahlzettel entschieden – den, der gegen alle ist. Was die beiden Hauptkandidatinnen sich da geleistet haben, war die reinste Wahlagitation für diese mystische Figur am Petersburger Wahlhorizont. Nur – hatten sie das wirklich beabsichtigt?
(sb/.rufo)
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