St. Petersburg. Das Kirow-Stadion im Westen von St. Petersburg fristet seit Jahrzehnten ein trauriges Dasein. Wo einst Zehntausende Zuschauer sich am „großen Fußball“ erfreuten, gähnt heute Leere und wächst Gras auf den Tribünen. Das soll sich nun ändern. Die Leitung des Stadions schreibt zusammen mit der Firma „Petromir“ einen Wettbewerb zur Rekonstruktion der Arena aus. Besitzer der Firma ist allerdings kein anderer als der kürzlich zu langer Haft verurteilte Michail Mirilaschwili.
Das in den 1930er Jahren konzipierte Kirow-Stadion sollte mit 104.000 Plätzen das größte Stadion Europas werden. Als es 1950 endlich eingeweiht wurde (der Krieg war Schuld an der langen Bauzeit), hatte es schließlich 80.000 Plätze. Und doch war es damit immer noch die größte Sportarena der UdSSR: Dies war die Blütezeit der Wettkampfbahn auf der Krestowski-Insel. Nicht nur zum Fußball kamen die Leningrader; hier fanden ebenso große Unterhaltungsshows statt – so etwas die zentrale Veranstaltung anlässlich der 250-Jahr-Feier der Stadt im Juni 1957.
Danach ging es langsam, aber stetig abwärts mit der großen Arena. Zu den Olympischen Spielen 1980 wurde das Stadion erstmals einer Rekonstruktion unterzogen. Seitdem finden 62.500 Menschen Platz auf den Tribünen. Doch immer noch ist das Kirow-Stadion nach dem Moskauer Luschniki die zweitgrößte Sportarena Russlands.
Ausverkauft war das Stadion seit 1980 nicht mehr. Petersburgs Fußball-Premierligist Zenit tritt seit langem im Petrowski-Stadion auf, ebenso der Erstligist Dynamo. Die einzigen großen Sportveranstaltungen sind heute die traditionellen Autorennen auf der Trasse „Newskoje Kolzo“. Das Stadion selbst gibt sich dabei mit der Rolle zufrieden, den Mittelpunkt der Strecke zu bilden, um den sich das Geschehen abspielt.
Die Idee zur Wiedererweckung des Kirow-Stadions ist ein Gemeinschaftsprojekt des Generaldirektors der Holding „Petromir“, Wladimir Patrussewitsch, und von Stadionsdirektor Demid Momot. Sie rufen einen offenen Wettbewerb aus, an dem sich jeder beteiligen kann, dem etwas einfällt zu diesem Thema. Voraussetzung ist, dass die Arena selbst erhalten bleibt (ein Abriss verbietet sich a priori, weil das Stadion unter Denkmalschutz steht). Rein kommerzielle Vorschläge, die das Profil der Anlage verändern könnten, sollen bei der Auswahl unberücksichtigt bleiben.
Die Kosten für die Rekonstruktion werden auf 150 Millionen Dollar veranschlagt, die Bauzeit auf „mindestens fünf Jahre“. In allernächster Zeit soll das Stadion in eine Aktiengesellschaft verwandelt werden, worin die Organisatoren des Wettbewerbs eine Voraussetzung für das Heranziehen von privaten Investoren sehen.
Sie hoffen, mit der Wiederinstandsetzung der Arena die Petersburger Fußballvereine zurückgewinnen zu können. Außerdem setzen sie auf Rock- und Popkonzerte. Was den Fußball angeht, so trägt sich Zenit mit den napoleonischen Plänen, ein hauseigenes Stadion im Leningrader Gebiet zu bauen. Doch entschieden ist diesbezüglich noch nichts. Wenn demnächst im Smolny ein „zenit-geneigter“ Gouverneur Platz nehmen sollte (und das ist äußerst wahrscheinlich), könnten sich die Pläne der Kicker ganz schnell wieder ändern.
Brisanz erhält die Initiative zur Reanimierung des Kirow-Stadions durch die Tatsache, dass die Holding „Petromir“ Michail Mirilaschwili gehört. Eine anerkannte „Autorität“ im Petersburger Geschäftsleben, wurde er unlängst zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt (abtuell.RU berichtete über den Prozess), obwohl er seine Unschuld beteuert. Diese jüngste Business-Offensive mag auch ein Zeichen dafür sein, dass sich der millionenschwere Geschäftsmann keineswegs geschlagen geben will.
(sb/.rufo)
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