Von Lothar Deeg, St. Petersburg. Während die GM-Tochter Opel wegen des Streiks im Werk Bochum und Plänen zum Abbau von 10.000 Stellen in Deutschland Negativ-Schlagzeilen macht, gibt der Mutterkonzern im ebenso billigen wie boomenden Russland richtig Gas. In Togliatti rollt jetzt eine Opel-Leihgabe vom Band: Der neue Chevrolet Viva entspricht der vorherigen Astra-Generation.
Deutsche Autos sind zu teuer – der Kernsatz der aktuellen Arbeitskostendebatte am Standort Deutschland verfängt auch auf dem russischen Markt: Gegen die ebenso simplen wie billigen Vehikel von Lada - oder die technisch fitten, aber dennoch günstigen Kleinwagen aus Südkorea und Japan - tun sich mitteleuropäische Marken schwer. Der russische Automarkt wächst zwar rasend schnell, doch die Kaufkraft der Bevölkerung ist noch bescheiden: Volkswagen verkauft in Russland deshalb jetzt neben dem Polo den aus Brasilien stammenden schlichten Kleinwagen Pointer (dort als „Gol“ bekannt).
125 PS für 333.333,33 Rubel
Leidensgefährte und Hauptkonkurrent General Motors geht einen anderen Weg: Der unlängst durch einen moderneren Nachfolger abgelöste alte Opel Astra feierte nun „made in Russia“ Wiederauferstehung – und dies zum Kampfpreis von nur 9.100 Euro. Mit einem Preisschild über 333.333 Rubel und 33 Kopeken wurde der einstige Stufenheck-Astra am Mittwoch als „Chevrolet Viva“ auf einer Automesse in St. Petersburg präsentiert.
Hinter dem wegen des Chevy-Symbols leicht geänderten Kühlergrill sitzt serienmäßig ein 1,8-Liter-Motor von Opel mit satten 125 PS. Servolenkung und ABS sind inklusive. Airbags und Klimaanlage gibt es aber nur in der 2.700 Euro teureren Luxusausführung.
Schnelle Russifizierung der Komponenten geplant
Gebaut wird der Viva bei GM-Avtovaz, einem 2001 gegründeten Joint-Venture des US-Konzerns mit dem Lada-Werk. Die ersten Modelle bestehen zu 90 Prozent aus importierten Komponenten. „Schon im nächsten Jahr“, so Generaldirektor John Milonas, „wird der Anteil der günstigeren einheimischen Zulieferteile 43 Prozent errreichen.“
Bislang einziges Produkt des Unternehmens war der Chevrolet Niva: Der fast fertig entwickelte Nachfolger des Kompakt-Geländewagens Lada Niva war vom russischen Partner als Mitgift in die Ehe eingebracht worden. 2004 sollen bei GM-Avtovaz 55.000 Autos gebaut werden.
Die Verflechtung mit der GM-Tochter Opel wird dabei immer enger: Auch der Niva ist ab jetzt nicht mehr nur mit einem russischen 80-PS-Motor, sondern auch mit dem modernen Opel-Triebwerk des Viva zu haben - und soll trotzdem 4000 Euro billiger sein als importierte Konkurrenten. In dieser Konfiguration soll der Chevy Niva mittelfristig auch in den Export in Richtung Westen gehen, sagt John Milonas.
Kostenspirale auf russisch: Löhne vervierfacht
Die Fertigung in Russland sei ein echter Kostenvorteil – aber wie lange noch, da hat auch Milonas seine Zweifel: „Heute sind wir günstiger als andere Länder, aber in einem Jahr vielleicht schon nicht mehr“. Neben den Lohnkosten würden schließlich auch Rohmaterialien, Energie, Transport und Bürokratie die Ausgaben beeinflussen. Zudem seien bei GM-Avtovaz die Löhne in den letzten zwei Jahren vervierfacht worden, fügt er eher stolz als besorgt hinzu. „Ich denke, dass wir da in Russland in 15 Jahren auf dem gleichen Niveau sind wie in Deutschland“, sagte Milonas im Gespräch mit aktuell.RU.
Obwohl die sparsam gewordenen Autokäufer in Westeuropa wieder stärker nach preisgünstigen Fahrzeugen gieren, bleibt der Astra-Viva bis auf weiteres dem russischen Automarkt vorbehalten: „Die 7.000 Stück, die wir im nächsten Jahr bauen werden, können nicht einmal die Nachfrage im eigenen Lande decken. Da macht es keinen Sinn, die Autos über größere Distanzen zu verkaufen“, erklärt der US-Amerikaner Milonas. Dass seine Fabrik in Togliatti 3000 Kilometer von Deutschland entfernt sei, habe aber auch seine Vorteile: Nachschubprobleme wegen des wilden Streiks gegen den Stellenabbau in Bochum habe es am neuen Produktionsort des Ex-Opels jedenfalls nicht gegeben, versichert der Chef von GM-Avtovaz.
(ld/rufo)
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