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Dieses Bild von der russischen Nordpolexpedition stammt nicht vom Film Titanic. Somit ist es echt - oder? (Foto: RTR)
Dieses Bild von der russischen Nordpolexpedition stammt nicht vom Film Titanic. Somit ist es echt - oder? (Foto: RTR)
Freitag, 07.09.2007

Russlands Titanic - Nur die Spitze des Eisbergs?

Moskau. Im August dokumentierte der regierungsnahe Fernsehkanal RTR mit manipuliertem Filmmaterial aus dem Spielfilm „Titanic" die russische Nordpol-Expedition und rückt damit die ganze Aktion in ein schiefes Licht.

Es war eine Sensation, als würde ein neuer Kontinent entdeckt - am 2. August setzten russische Forscher unter dem Eis des Nordpols eine kleine Flagge auf den Meeresgrund und demonstrierten damit der übrigen Welt die Besitzansprüche Russlands auf den Pol und seine Bodenschätze.

Natürlich war das Fernsehen dabei - der russische Sender RTR (Rossia) verbreitete perfekte Sequenzen des historischen Tauchgangs - etwas zu perfekt, wie sich danach herausstellte. Die Reportage war angereichert mit Ausschnitten von der Suchexpedition nach der „Titanic“ von James Cameron, die teilweise im Studio gedreht worden und im gleichnamigen Spielfilm verwendet worden waren.

Kinderaugen bemerkten den Trick



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Niemand aus der internationalen Zuschauer-Community, die heute wohl selbst eine Live-Übertragung des Weltuntergangs für selbstverständlich halten würde, bemerkte den Trick. Es waren Kinderaugen, welche dahinter kamen - ein 13-jähriges Mädchen brachte in Finnland die Presse auf die Idee, die Bilder der russischen Tauchboote Mir-1 und Mir-2 könnten aus dem Titanic-Film stammen.

Tatsächlich verwendeten die Russen dieselben Unterseeboote für ihre Expedition, und der Kanal RTR gestand schließlich ein, dass ein Teil der Aufnahmen von anderen Expeditionen stammte und der Streifen auch mit Sequenzen aus „Titanic“ angereichert wurde. Die Agentur Reuters, welche die Bilder weltweit verbreitet hatte, entschuldigte sich darauf bei ihren Kunden, für die verantwortlichen Journalisten bei RTR hatte der Skandal keine Folgen.

Nur „Kosmetik“ oder journalistische Todsünde?



Die hinein geschnittenen Sequenzen sind bloß einige Sekunden lang. Enthüllt wurde der Schwindel dadurch, dass darin zeitweise beide Unterseeboote zu sehen sind und die Frage aufkommt, von wo aus dies gefilmt worden sein soll. „Es waren ja nur einige Sekunden“, kommentierten die einen Beobachter achselzuckend dieses Flickwerk, während andere schockiert und mit erhobenem Zeigefinger an das Prinzip der wahrheitsgetreuen Berichterstattung erinnerten.

Wer manipuliert, wird gefeuert



Natürlich war dies bei weitem nicht der erste Fall von „Bild-Kosmetik" in der Mediengeschichte. So wurden beispielsweise während des Irakkriegs bereits einige solcher journalistischer Sündenfälle bekannt. 2003 wurde ein Fotograf der Los Angeles Times gefeuert, nachdem eine Fotografie auf der Titelseite veröffentlicht worden war, die aus mehreren Aufnahmen zusammengeflickt worden war – „um die Komposition zu verbessern“.

Er hatte gegen jene strikten Richtlinien verstoßen, die in praktisch sämtlichen Medien gelten: Gestellte Bilder oder Bildmontagen müssen klar deklariert werden, egal ob ein Telefonmast weggeputzt oder ein Kopf ausgetauscht wurde. Wer sich nicht daran hält, verliert nicht nur seinen Job, sondern ist auch unter seinen Berufskollegen geächtet.

Bildreportage wird zur Politpropaganda



Diese Spielregeln sind hart, manchen erscheinen sie kleinlich. Zieht man jedoch in Betracht, wie die Weltpolitik durch die russische „Besetzung“ des Nordpols und deren mediengerechte Inszenierung regelrecht aufgemischt wurde, so erscheinen einem die RTR-Bilder plötzlich als hochgradige politische Propaganda.

Das hat die unangenehme Folge, dass auch der Rest der Geschichte in ein schiefes Licht gerät, denn Skeptiker meinen, ebenso wie die Bilder könnte ja auch alles Übrige aus Lügen, oder Halbwahrheiten zusammen geschnippelt sein - die Fahne am Meeresgrund, die Forscher am Nordpol, ja die ganze Expedition. Auch die Aussagen jener Wissenschaftler, die den Nordpol (und damit seine Bodenschätze) aufgrund geologischer Gegebenheiten größtenteils Russland zuschlagen, erhalten damit einen schlechten ideologischen Nebengeschmack.

Nicht mehr „regierungsnah“ sondern „regierungsgesteuert“



Leider handelt es sich bei der Titanic am Nordpol weder um einen Einzelfall noch um einen Missgeschick, sondern um bewusste Manipulation.

Zwei Wochen zuvor hatte RTR bereits eine präparierte Titelseite der Londoner „Times" gezeigt. Ein kritischer Artikel über den Oligarchen Beresowski war aus der Mitte der Zeitung als Aufmacher auf die Frontseite „gerutscht", um der Sache gegenüber dem russischen Zuschauer mehr Gewicht zu verleihen. Auch hier wurde ein direkter Draht zwischen Journalismus und Politik sichtbar, der RTR eindeutig von einem „regierungsnahen“ zu einem „regierungsgesteuerten“ Kanal werden ließ.

(eva/.rufo)


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