Moskau. Unabhängig davon, wer in Kiew neuer Präsident werde, bleiben die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine gut, versicherte die ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko am Dienstag in einem Interview. Kurz danach erschien Timoschenko auf Betreiben Moskaus auf den Interpol-Fahndungslisten. In Moskau läuft die Diskussion über Kiew und die Folgen.
Die Annahme, der offizielle Kandidat Viktor Janukowitsch werde sich ausschließlich auf Russland orientieren, sei ein Fehler, „banaler politischer Fehler“ gewesen, sagte Timoschenko der „Nesawissimaja Gaseta“. Sehr bald werde der russische Präsident Wladimir Putin verstehen, dass es besser sei, mit einer demokratischen Ukraine zusammenzuarbeiten, so Timoschenko. Unter dem Präsidenten Viktor Juschtschenko werden die Beziehungen nicht auf Clanvereinbarungen und Kulissenspielen aufbauen.
Putin: „Ossis, Wessis und Onkel mit Tropenhelm“
Offenbar reagierte die Nummer Zwei der ukrainischen Revolution auf Äußerungen, die Putin bei seinem jüngsten Besuch in der Türkei vor Kremljournalisten fallen ließ. „Wenn auf postsowjetischem Gebiet jedesmal versucht wird, geltende Gesetze einer Situation oder einer politischen Kraft anzupassen, kann dadurch eine große Weltregion destabilisiert werden“, sagte der Präsident offenbar in Anspielung auf Wahlgesetzänderungen in der Ukraine. „Einige Politiker“ versuchten dort, um jeden Preis an die Macht zu kommen.
„Ich will nicht, dass es in der Ukraine wie in Deutschland zur Trennung in Ossis und Wessis kommt, Menschen der ersten und der zweiten Sorte“, erklärte Putin. Er benutzte dabei die deutschen Begriffe „Ossi“ und Wessi“. Den Menschen erster Sorte seien dabei stabile, demokratische Gesetze zugedacht, fuhr er fort. Und „sozusagen politisch Dunkelhäutigen“ werde ein „Onkel mit dem Korkhelm“ die politische Zweckmäßigkeit zuweisen, nach der diese zu leben haben, so Putin. Erhebe der Eingeborene Einwände, so werde er mit dem „Raketen- und Bombenknüppel gemaßregelt, wie in Belgrad“.
Politologe Pawlowski: „Revolution in die Fresse hauen“
Der russische Politologe Gleb Pawlowski, der als Wahlkampfmanager für Janukowitsch gearbeitet hatte, nahm in einem weiteren Zeitungsinterview zum Scheitern der Moskauer Ukraine-Politik Stellung. Er sei nicht von Janukowitsch oder einem anderen ukrainischen Politiker angeheuert worden, sagte Pawlowski. „Alle Verträge“ habe er in Moskau abgeschlossen. Im Auftrag seiner russischen Kunden habe er keinen Wahlkampf betrieben, aber „mit der politischen Koalition der Macht“ gearbeitet, die Janukowitsch gepuscht habe.
Nach Pawlowskis Meinung ist das eigentlich Gefährliche die Revolution in der Ukraine oder auch in Russland. Die Revolution sei anfangs „sympathisch und nett“ sei, nehme dann aber schnell totalitäte Züge an. Der Totalitarismus sei nicht das Produkt politischer Eliten, sondern der Müll der Revolution. Er sehe darum seine Lebensaufgabe darin, die „vorbeugende Konterrevolution“ zu organisieren.
Hauptaufgabe: vorbeugende Konterrevolution
In der Ukraine, sagt Pawlowski, hätte man „der Revolution rechtzeitig eins in die Fresse hauen sollen“, was leider nicht geschehen sei. Der Fehler war laut Pawlowski nicht die russische Einmischung in die ukrainischen Wahlen gewesen. Die wirklich erforderliche Einmischung sei vielmehr ausgeblieben bzw unzureichend gewesen. Die Ursache dafür sei haarsträubende Unkenntnis der wirklichen politischen Verhältnisse in der Ukraine, insbesondere der Struktur der ukrainischen Elite, in der der politische Verrat üblich sei.
Es sei auch falsch, postsowjetische GUS-Länder mit Russland gleichzusetzen. Man habe sich in der Ukraine auf die Wahlen versteift und „die Revolution verschlafen“. Hätte es ein „Projekt der vorbeugenden Konterrevolution gegeben, so wäre das Unheil verhindert worden“.
In Russland soll der Exdissident Pawlowski, der einen kommerziellen „Fond der effektiven Politik“ in Moskau leitet, in den Jahren 1999 und 2000 den Rücktritt des Altpräsidenten Boris Jelzin und die Machtübergabe an Putin vorbereitet und durchgeführt haben.
(adu/.rufo)
|