Von Karsten Packeiser, Moskau. Die Russische Orthodoxe Kirche will eine stärkere Rolle in der Gesellschaft spielen. Die Teilnehmer der alle vier Jahre stattfindenden Bischofsvollversammlung forderten zum Abschluss in Moskau die Einführung von orthodoxem Religionsunterricht an staatlichen Schulen und die Rückkehr von Militärpfarrern in die russischen Streitkräfte.
Nur so könne dem Säkularismus entgegengewirkt werden. Die Verweltlichung der Russen hält die Kirche für gefährlicher als sogar den staatlichen sowjetischen Atheismus.
Dabei kann das Moskauer Patriarchat offenbar auch auf den Segen der weltlichen Macht rechnen. Bei einem Treffen mit den Kirchenoberen im Kreml gab Präsident Putin bekannt, er habe ein Gesetz unterzeichnet, das den Kirchen die unbefristete Nutzung von Grundstücken ermöglicht. „Unser Staat beginnt, seine historische Schuld zu begleichen“, sagte Putin. Die Beschlagnahmung des Kircheneigentums nach der Oktoberrevolution sei „amoralisch“ gewesen.
Vor vier Jahren hatte die Versammlung, das höchste kirchliche Entscheidungsgremium, ganz im Zeichen der intern heftig diskutierten Heiligsprechung der letzten russischen Zarenfamilie gestanden. Dieses Mal strahlten die Kirchenoberen in ihrem öffentlichen Auftreten nach außen hin völliges Einvernehmen aus.
Frage in vier Jahren gelöst
Die Einrichtung eines Kirchengerichts wurde ebenso einmütig beschlossen wie die geplante Wiedervereinigung mit der Auslandskirche. Diese hatte sich nach der Revolution vom Moskauer Patriarchat abgespalten, weil sie der Kirche Russlands die Zusammenarbeit mit dem religionsfeindlichen Regime der Kommunisten nicht verzeihen konnte. Der Leiter des kirchlichen Außenamtes, Metropolit Kyrill, nannte erstmals zeitliche Fristen für die Überwindung der Spaltung: „Es gibt die Hoffnung, dass die Frage bis zur nächsten Bischofsvollversammlung in vier Jahren gelöst sein wird.“
Die Kirchenoberen erweiterten die Liste der orthodoxen Heiligen erneut um vierzehn Namen, darunter den des russischen Flottenadmirals und Nationalhelden Fjodor Uschakow. Der in fundamentalistisch orientierten Kirchenkreisen bereits heute verehrte Wandermönch Grigori Rasputin und Zar Iwan der Schreckliche werden dagegen definitiv nicht heilig gesprochen. Familienplanung und die Verwendung von Verhütungsmitteln lehnt die orthodoxe Kirche weiter grundsätzlich ab.
Bereits am ersten Tag der Versammlung hatte der russische Patriarch Alexi II. in einem fünfstündigen Vortrag vor 147 Bischöfen, Erzbischöfen und Metropoliten aber durchaus auch mit kritischen Worten Rechenschaft über die Entwicklung seiner Kirche abgelegt. Dabei verlangte er eine bessere Jugendarbeit und mehr soziales Engagement. Alexi kritisierte auch, dass eine Reihe von Gemeinden eigenmächtige Veränderungen an den Gottesdienstregeln vorgenommen hätten und offiziell nicht genehmigte Ikonen verwenden würden.
Die Beziehungen zur katholischen und vielen protestantischen Kirchen blieben wegen deren aktiver Missionsarbeit in Russland weiterhin angespannt, so der Patriarch. Die Evangelischen Kirchen Deutschlands und Finnlands sowie Russlands Lutheraner nahm er aber explizit von der Kritik aus.
(epd)
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