Von Lothar Deeg, St. Petersburg. Georgien hat gegen seine abtrünnige Teilrepublik Abchasien eine Seeblockade verhängt: Präsident Michail Saakaschwili drohte, jedes Schiff versenken zu lassen, dass den Separatistenstaat anläuft – selbst wenn nur Touristen an Bord sind. Auch um ein anderes nicht anerkanntes Staatsgebilde im Osten Europas wachsen die Spannungen: Die Dnjestr-Republik lässt keine Züge nach Moldawien mehr durch.
Das an der Schwarzmeerküste gelegene Abchasien hatte sich Anfang der 90er Jahre in einem blutigen Sezessionskrieg von Georgien abgespalten. Die Regierung in Suchumi strebt einen Anschluss der Provinz an das angrenzende Russland an; schon heute haben etwa 80 Prozent der Abchasen russische Pässe in der Tasche. Haupteinnahmequelle Abchasiens ist der Tourismus: Russische Badeurlauber fahren gerne ein paar Kilometer über die russischen Ferienorten Sotschi und Adler hinaus über die abchasische Grenze, um dort ihren Urlaub weitaus billiger zu verbringen. Auch gibt es Tagestouren per Boot von der russischen Bäderküste nach Suchumi.
Michail Saakaschwili war als Präsident angetreten mit dem Versprechen, Georgiens abtrünnige Gebiete Adscharien, Südossetien und Abchasien wieder zu integrieren. Im Falle Adschariens gelang dies gewaltfrei, in Südossetien häufen sich jetzt die Scharmützel. Nun versucht Saakaschwili offenbar, den Abchasen ihr Geschäft zu vermiesen – und ritt eine kräftige Verbalattacke: “Dieses Land, wo mit den Köpfen von Georgiern Fußball gespielt wurde, ist kein Platz für die Liegestühle russischer so genannter Touristen”, polterte er.
Die Landgrenze zu Russland kann Georgien nicht kontrollieren, aber in den Küstengewässern bezogen Boote der georgischen Marine Position. Am Samstag beschossen sie ein türkisches Schiff, das Suchumi anlief. Opfer gab es dabei nicht. Doch Saakaschwili warnte, wer darauf bestehe, ohne Genehmigung Georgiens per Boot nach Suchumi zu fahren, möge sich auf ähnliches einrichten.
Die abchasische Regierung erklärte ihrerseits, den russischen Urlaubern – im letzten Jahr waren es angeblich 300.000 – drohe keine Gefahr. Auch könne die „Marine unserer Republik“ die Sicherheit von Abchasien anlaufenden Schiffen gewährleisten, so dessen Verteidigungsminister Wjatscheslaw Eschba.
Drohung gegen Touristen: Scharfe Reaktion aus Moskau
In Moskau konterte man Saakaschwilis Worte mit Säbelrasseln: Derartige Drohungen mit Gewaltanwendung gegen unbewaffnete zivile Schiffe könnten, sollten sie umgesetzt werden, nach internationalem Recht als „feindlicher Akt mit allen sich daraus ergebenden Folgen“ gewertet werden, hieß es aus Moskau. In Tiflis habe man wohl den Sinn für die Realitäten verloren, nach denen der Rest der Welt lebt, erklärte das Außenamt ganz undiplomatisch.
Blockiert ist seit den ersten Augusttagen auch eine andere Grenze zwischen einer international nicht anerkannten Minirepublik und einem GUS-Staat: Nach einem Jahrzehnt eines weitgehend friedlichen Nebeneinanders haben sich die Spannungen zwischen dem kleinen Moldawien und seiner weitgehend links des Dnjestr gelegenen Provinz drastisch verschärft: Die Führung der Dnjestr-Republik in Tiraspol ließ die Bahngleise durch die Stadt Bendery (auf moldawisch: Tighina) mit Betonblöcken abriegeln.
Damit können Züge aus der Ukraine und Russland nicht mehr auf dem bisherigen Weg in die moldawische Hauptstadt Chisinau und weiter nach Rumänien fahren. Sie werden nun auf Umwegen über den Norden Moldawiens umgeleitet.
Handelskrieg am Dnjestr
Entzündet hat sich der Konflikt an der Schließung einiger rumänisch-sprachiger Schulen in dem mehrheitlich von Russen und Ukrainern besiedelten Landstreifen. Chisinau kündigte daraufhin Handelssanktionen gegen die Provinz an: Waren aus dem Dnjestr-Territorium bekommen keine moldawischen Qualitätszertifikate mehr. Auch blockierte Moldawien den Export von Dnjestr-Produkten über sein Territorium, wenn deren Versteuerung nicht dem Staatshaushalt zu Gute kam.
Der Handelskrieg eskalierte am 1. August, als erst die Dnjestr-Republik einen Güterzug mit Ziel Moldawien stoppte, worauf die Moldawier einen Zug mit Waren für Tiraspol aufhielten. Daraufhin blockierte der oft als „letztes Überbleibsel der Sowjetunion“ bezeichnete Zwerg-Staat auch den Personenverkehr. In diesem – gegenwärtig noch gewaltfreien – Konflikt gemahnte Russland unisono mit den EU-Botschaftern in Chisinau beide Seiten zur Besonnenheit. Aber, so die russische Agentur RBC, es ist nicht auszuschließen, dass Moldawiens Präsident Wladimir Woronin vor den Neuwahlen im Februar 2005 nach dem Vorbild Saakaschwilis mit einer Politik der harten Hand gegenüber der Separatisten-Republik Punkte sammeln will.
Zchinwali, die Hauptstadt von Südossetien, dem dritten Krisenherd in der Schwarzmeerregion, wurde letzte Woche eine Nacht lang von Georgiern beschossen. Es gab mehrere Verletzte auf beiden Seiten. Begonnen hatte dieser nun schon heiße Konflikt im Frühjahr mit gegenseitigen Straßenblockaden.
(Lothar Deeg, .RUFO)
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