St. Petersburg. Erst Erleichterung, dann Verärgerung und schließlich Verunsicherung: Das gestrige Wiederauftauchen des Präsidentenkandidaten Iwan Rybkin hat in dessen Umgebung ein wahres Feuerwerk an widersprüchlichen Gefühlen und Aussagen hervorgerufen. Vertraute sagen, „jener Iwan Petrowitsch“, der gestern abend aus Kiew kommend in Moskau einflog, sei "nicht mehr der alte“. Nun macht wieder die Version die Runde, er sei vielleicht doch entführt worden. Oder selbst vor einer Gefahr abgetaucht.
Übereinstimmend berichten jene Journalisten, die Rybkin gestern abend in Scheremetjewo empfingen, der Putin-kritische Präsidentenkandidat hätte einen abgekämpften und übermüdeten Eindruck gemacht. Noch dazu trug er am späten Abend eine Sonnenbrille.
Das sah gar nicht nach der Rückkehr eines Kurzurlaubers aus, der Stunden zuvor noch seinem Sponsor Beresowski und seiner Wahlkampfmanagerin Xenia Ponomarjowa telefonisch erklärt hatte, er sei einfach für ein paar Tage der Moskauer Hektik entflohen und wäre in Kiew „bei besonders schönem Wetter“ spazieren gegangen. Beresowski sagte allerdings gegenüber seiner Zeitung „Kommersant“, er habe bei diesem Gespräch den Eindruck gehabt, Rybkin sei in diesem Moment nicht allein gewesen. Alles in allem sei das „Rybkin nicht ähnlich“.
Aber wer weiß, vielleicht hatte Rybkin in der Zwischenzeit auch nur kapiert, was er da angerichtet hat: Wahlkampfstab und Familie in heller Aufregung, Polizei und FSB fahnden nach ihm, die Überreichung der Registrierungskarte als Kandidat durch die Zentrale Wahlkommission verpasst, geplatze Pressekonferenzen und Termine ...
Rybkin selbst sprach bei seiner Rückkehr kryptisch von „Willkür“, deren Opfer er geworden sei. Was er damit meinte, blieb aber offen: die Aufregung um sein Verschwinden, eine Entführung gegen seinen Willen durch irgendwelche finstere Kräfte oder die Notwendigkeit, vor einer unmittelbaren Gefahr abzutauchen?
Aus Rybkins Wahlkampfstab verlautete heute dann auch, der Kandidat hätte sich in den letzten Tagen in Lebensgefahr befunden und sei deshalb aus eigener Initiative nach Kiew gefahren. Die bekannnte Radikaldemokratin Valerija Nowodwordskaja vermutete dagegen in einem Gespräch mit „Echo Moskaus“, Rybkin sei in diesem Tagen wohl von Geheimdienstleuten festgehalten und unter Druck gesetzt worden, seine scharfe Kritik an Präsident Putin aufzugeben – oder vielleicht auch seine Kandidatur.
Jedenfalls hat Rybkin einiges zu erklären – in erster Linie seiner Ehefrau und seiner Wahlkampfmanagerin. Die kündigte schon an, das Handtuch zu werfen, sollte Rybkin tatsächlich aus eigener Initiative einfach nur Ferien gemacht haben. Das gleiche ließ auch Rybkin anklingen: Möglicherweise werde er seine Kandidatur zurückziehen.
Wie die Zeitung „Wedemosti“ heute berichtet, prüfte deren Kiewer Korrespondent die Version, Rybkin habe sich all die Tage im dortigen Hotel „Ukraina“ aufgehalten. Unter seinem echten Namen war er dort aber nicht registriert. Allerdings fand sich ein Türsteher, der behauptete, den Gesuchten dort am Sonntag mehrfach in Begleitung zweier schöner Frauen gesehen zu haben. Also doch nur eine kleine Vergnügungsreise? Die Pressestelle der ukrainischen Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko bestätigte allerdings, dass sich Rybkin mit ihr getroffen habe. Also unterwegs in geheimer Mission?
Rybkin selbst sagte nach seiner Ankunft in Moskau, in Kiew gebe es „gute Leute, denen ich sehr dankbar bin“. Er sei Gott dankbar, dass er wieder zu Hause sei. Und ansonsten: „kein Kommentar.“
Das soll aber nicht Rybkins letztes Wort zu der Affäre bleiben. Er tritt heute noch vor die Presse.
(ld/.rufo)
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